Lübeck. Sozialdemokraten schwören sich auf den Wahlkampf ein – und bescheren Landeschef Ralf Stegner ein herausragendes Wahlergebnis.

Rund drei Monate vor der Landtagswahl schaltet die schleswig-holsteinische SPD in den Kampfmodus. Eine fünfjährige Legislaturperiode mit mal gutem, mal auch weniger gutem Regieren wird am 7. Mai in zehn Wahl­lokal-Stunden komprimiert. Was wird in diesen zehn Stunden geschehen? Die Sozialdemokraten sind sich sicher, das Land vorangebracht zu haben. Aber sehen das die Wähler auch so? Das ist angesichts der letzten Umfragen durchaus ungewiss. Und so geriet der Parteitag der SPD am Wochenende fast notgedrungen zu einem Akt der Selbstvergewisserung. Innere Geschlossenheit, Angriffslust, Siegesgewissheit: All dies war am Wochenende in der Lübecker Musik- und Kongresshalle zu beobachten.

Stegner wischte sich irgendetwas aus dem Auge

Die Sozialdemokraten machten gleich zu Anfang ihres dreitägigen Parteitags bei der Wahl des neuen Landesvorstands deutlich, dass sie jetzt nicht mehr intern streiten, sondern extern attackieren wollen. Nach einer leidenschaftlichen Rede des Landesvorsitzenden Ralf Stegner erhielt der bisweilen strenge Zuchtmeister der Nord-SPD ein herausragendes Ergebnis: Mit 91,4 Prozent der Stimmen wurde er für weitere zwei Jahre im Amt bestätigt. Das beste Ergebnis, das der 57-Jährige je erzielt hat. Stegner war sichtlich gerührt, wischte sich irgendetwas aus dem Augenwinkel und sagte, er sei ja „durchaus ein harter Knochen“, aber das sei nun wirklich toll. Damit war der Grundton des Parteitags gefunden.

Stegner hatte zuvor eine typische Wahlkampfrede gehalten. Wofür steht die SPD, wofür stehen die Gegner der SPD? Stegner kann so etwas gut, Politik ist für ihn auch permanenter Wahlkampf. Er sagte: „Wir können uns nur selber schlagen, die anderen haben doch gar keine Inhalte.“ Beifall. Er erinnerte an Äußerungen von AfD-Politikern und des neu gewählten US-Präsidenten Donald Trump und sagte: „Hass, Verfolgung und Abgrenzung darf es nie wieder geben.“ Großer Beifall.

Martin Schulz helfe der SPD im Norden sehr

Natürlich spielte auch die überraschende Nominierung von Martin Schulz zum SPD-Bundesvorsitzenden und zum neuen Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl im September eine Rolle auf dem Parteitag. „Das war ein Energiestoß – auch für die Landtagswahl“, sagte Stegner, der stellvertretender Bundesvorsitzender ist. Und er versprach den Delegierten, dass Schulz im schleswig-holsteinischen Wahlkampf helfen werde. „Ich habe meine Frau in Husum kennengelernt, da hat mein Glück begonnen“, habe der neue SPD-Parteichef gesagt.

Auch der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig, der am Sonnabend mit 98,4 Prozent der Stimmen in einer weiteren Geschlossenheitsdemonstration auf den Listenplatz eins für die Landtagswahl gesetzt wurde, lobte Schulz. „Er kommt mit ganz viel Frische und Selbstvertrauen zu uns. Martin Schulz hilft uns sehr“, sagte Albig. Er beschwor das Selbstvertrauen seiner Partei: „Wir werden immer stärker sein als die, die uns anketten wollen.“ Er bekannte: „Es ist das größte Geschenk meines Lebens, dass ich Ministerpräsident dieser Partei sein darf.“

Unterstützung auch von Malu Dreyer

Einen weiteren Energiestoß gab sich die Partei selbst. Der Listenvorschlag des Vorstands wurde mit großer Zustimmung angenommen. Auf den aussichtsreichen Listenplätzen folgen nach Torsten Albig die Landtagsabgeordneten Serpil Midyatli und Ralf Stegner. Auf Platz vier der erste Sozialdemokrat aus dem Hamburger Umland, der Stormarner Landtagsabgeordnete Martin Habersaat. Thomas Hölck (Pinneberg) steht auf Platz sieben. Bei der letzten Landtagswahl im Jahr 2012 reichten die ersten neun Plätze für den Einzug in den Landtag. 13 Direktmandate komplettierten die 22 Sitze.

Ein dritter Energiestoß kam von außen. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer brachte mit ihrer Unterstützungsrede Schwung in die Musik- und Kongresshalle. Sie verbreitete eine gewisse Fröhlichkeit, lobte überschwänglich die Führungskompetenz von Torsten Albig und arbeitete sich dann energisch an der AfD ab, auf diesem Parteitag so eine Art Lieblingsgegner der Genossen. Zivilcourage sei nun gefragt, sagte Dreyer. Jeder müsse permanent Farbe bekennen und überall gegen Rassismus und Intoleranz vorgehen. „Für ein ,Wehret den Anfängen‘ ist es zu spät. Wir sind schon mittendrin“, sagte sie. Im rheinland-pfälzischen Landtag gibt es mittlerweile eine starke AfD-Fraktion. „Es würde euch übel werden, wenn ihr in unserem Landtag sitzen würdet“, sagte Dreyer.

Kampfkandidatur in Lübeck

Am Ende wurde der am ersten Parteitag-Tag angeschlagene Grundton doch nicht ganz eingehalten. Während in Berlin der neue SPD-Chef seine Vorstellungsrede hielt und dabei Ralf Stegner als „Verteidiger der Demokratie“ rühmte, gab es in Lübeck eine Kampfkandidatur um die Liste für die Bundestagswahl. Karin Thissen aus dem Kreisverband Steinburg mochte den ihr zugedachten achten Listenplatz nicht akzeptieren und bewarb sich auf Platz sechs, der dem Bundestagsabgeordneten Matthias Ilgen (Nordfriesland) vorbehalten sein sollte. Thissen gewann – und sorgte damit für weitere Gegenkandidaturen. Die von Stegner entworfene Liste war Makulatur – ein deutlicher Nebenklang im Signalton der Geschlossenheit.