Kiel/Hamburg. Zahlreiche Verdachtsfälle im Norden. 240 tote Vögel im Kreis Plön gefunden. Was Sie jetzt wissen müssen.
Die Vogelgrippe breitet sich in Schleswig-Holstein aus: Im Kreis Plön seien an acht Seen etwa 240 tote Wildvögel mit dem Erreger H5N8 entdeckt worden, teilte ein Kreissprecher am Mittwoch mit. Dabei handele es sich überwiegend um Reiherenten. In zwei Seen im angrenzenden Kreis Segeberg seien ebenfalls tote Vögel gefunden worden. Allerdings stünden hier die Laborbefunde zur Todesursache noch aus.
Zudem besteht der Verdacht, dass auch Wildenten aus dem Kreis Rendsburg-Eckernförde an Vogelgrippe gestorben sind. Darauf deuteten erste Laboruntersuchungen hin, sagte Landwirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Er sprach von einem „ massiven Krankheitsgeschehen“.
Stallpflicht für Geflügel in Schleswig-Holstein
Auch aus der Region Bodensee in Baden-Württemberg, aus Österreich und der Schweiz wurden tote Wildvögel gemeldet. Dort sei ebenfalls der Erreger vom Typ H5N8 nachgewiesen worden, teilte das baden-württembergische Agrarministerium mit. In den Tagen davor waren H5N8-Viren bereits bei Puten und wilden Wasservögeln in Ungarn sowie bei Möwen und Enten in Polen nachgewiesen worden. In Schleswig-Holstein bemühen sich Behörden und Geflügelhalter, eine Ausbreitung der Viren auf Nutztiere zu verhindern. So gilt eine Stallpflicht für Geflügel in ganz Schleswig-Holstein. Der Grund ist, dass verschiedene Vogelarten betroffen sind, die nicht nur am Wasser leben.
Sperrbezirke um die Fundorte toter Tiere
Zudem wurden um die Fundorte toter Tiere Sperrbezirke von mindestens drei und Beobachtungsgebiete von mindestens sieben weiteren Kilometern eingerichtet. In den Sperrgebieten dürfen Geflügelbestände für einen Zeitraum von drei Wochen nicht transportiert werden, in den Beobachtungsgebieten für einen Zeitraum von 15 Tagen. Geflügel im Sperrbezirk muss regelmäßig untersucht werden. Außerdem gelten erhöhte Sicherheitsmaßnamen zur Stallhygiene.
„Die Situation ist besorgniserregend“, sagte Nicolai Wree, Geschäftsführer des Geflügelwirtschaftsverbands Schleswig-Holstein und Hamburg. „Wir begrüßen die Stallpflicht, auch wenn sie für viele Betriebe einen erheblichen Aufwand bedeutet.“ Schwierig werde es bei der Haltung von Gänsen, die in der Regel im Freien untergebracht sind. Die Kreisveterinärämter könnten es in Ausnahmefällen erlauben, Gänse weiter im Freien zu halten, sofern ein Betrieb besondere Sicherheitsvorkehrungen treffe, sagte Wree. Dazu gehöre etwa, dass Gänse täglich durch einen Tierarzt untersucht werden müssten. Wird sich dieser Mehraufwand in höheren Preisen niederschlagen? „Ich gehe davon aus, dass es keine Verteuerung geben wird, solange nur Wildvögel von der Geflügelpest betroffen sind“, sagte Wree.
Was ist die Vogelgrippe?
Es handelt sich um eine Infektion mit Influenza-Viren, die alle Geflügelarten befallen kann. Tierärzte unterscheiden zwischen wenig und stark krankmachenden Erregern. Stark krankmachende Viren der Subtypen H5 und H7 können zu großen Schäden führen, weil ein Großteil des infizierten Geflügels verendet, wie das Robert-Koch-Institut (RKI) erläutert. Auf diese schwere Form der Vogelgrippe bezieht sich der Begriff „Geflügelpest“.
Wie breitet sich die Krankheit bei Geflügel aus?
Kranke Tiere scheiden etwa mit Kot Viren aus. Durch den Kontakt mit den kranken Tieren oder deren Ausscheidungen können sich gesunde Tiere anstecken. Das gilt auch für Wildvögel, die den Erreger dann auch über große Strecken hinweg weitertragen können, wie Studien zeigen. So hatte etwa ein Forscherteam unter Beteiligung des Friedrich-Loeffler-Instituts ausgehend von einem Ausbruch der Geflügelpest in Südkorea 2013 die weitere Ausbreitung des H5N8-Virus beobachtet. Demnach transportierten infizierte, aber nicht erkrankte Zugvögel den Erreger von Asien zu ihren Brutplätzen in der Arktis und weiter nach Europa und Nordamerika, berichteten die Forscher im Journal „Science“. Ende 2014 wurde das H5N8-Virus bei Puten in Mecklenburg-Vorpommern identifiziert und damit erstmals bei Geflügel in Europa. Bis dahin war es nur in Asien nachgewiesen worden.
Ist Vogelgrippe ansteckend für den Menschen?
Infektionen des Menschen mit dem H5N8-Erreger sind in Deutschland bisher nicht bekannt; nur in Asien wurden einige wenige Fälle beschrieben. Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung ist bei diesem Subtyp nicht bekannt. Dem RKI zufolge scheint es nur bei engem Kontakt mit erkrankten oder verendeten Vögeln sowie deren Ausscheidungen zur Übertragung der Viren auf den Menschen zu kommen. Nachgewiesen worden ist dies etwa für den vor allem in Asien verbreiteten Erreger H5N1. Seit 2003 wurden der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 856 Krankheitsfälle gemeldet; 452 Betroffene starben infolge der Infektion. In wenigen Fällen wurde eine Übertragung von Mensch zu Mensch bekannt. In den Niederlanden kam es 2003 zu mehreren Infektionen mit dem Erreger H7N7. Ein infizierter Tierarzt starb; die anderen Fälle dagegen verliefen mild.
Kann man noch bedenkenlos Geflügel und Eier essen?
Eine Übertragung von H5N8 über infizierte Lebensmittel sei „theoretisch denkbar, aber unwahrscheinlich“, so das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Für die Übertragung anderer Subtypen wie H5N1 von Vögeln auf den Menschen seien fast nur direkte Kontakte mit infiziertem lebendem Geflügel verantwortlich gewesen. Das BfR rät, rohes Geflügel mindestens zwei Minuten bei mindestens 70 Grad zu erhitzen, Eier durchzugaren, bis Eiweiß und Eigelb fest sind sowie Hände und Flächen nach Kontakt mit rohem Geflügel und Eiern zu reinigen.
Bürgertelefon wird eingerichtet
Um Fragen von Bürgerinnen und Bürgern zu beantworten, richtet das Land ein Bürgertelefon ein. Dieses ist von Donnerstag an ab 10.00 Uhr freigeschaltet und von da an zunächst werktags von 9.00 bis 17:00 Uhr besetzt und unter der Rufnummer 0431-16 06 666 erreichbar. Zudem gibt es im Kreis Plön ebenfalls ab Donnerstag ein eigenes Bürgertelefon (04522-74 387, erreichbar Mo-Do von 8.30-17.00 Uhr, Fr 8.30-13.00 Uhr).
Wem tote Wasservögel auffallen, den bittet das Ministerium darum, das zuständige Ordnungsamt zu verständigen. Tote Tiere sollten nicht berührt werden, Hunde müssen angeleint werden.