Westerland. Dieter Johannsen wollte eigentlich Koch werden. Jetzt ist er Polizist auf Sylt und sperrt hin und wieder Prominente in die Zelle.

„Wo geht es denn zum Fahrradweg nach List?“, will eine Urlauberin von Polizeihauptkommissar Dieter Johannsen wissen. Der ist gerade in der Fußgängerzone unterwegs. Freundlich beschreibt er der Urlauberin den Weg. „Das ist für uns an der Tagesordnung“, sagt Johannsen. Gäste suchen ihr Auto, ihr Appartement, das Einkaufszentrum. Nachgefragt wird gerne bei den Beamten in Uniform. „Da verstehen wir uns auch als Bürgerpolizei“, sagt Johannsen, seit Kurzem Leiter der Polizeidienststelle in Westerland auf Sylt.

Eigentlich wollte Dieter Johannsen Koch werden. Doch bei einem Praktikum schnuppert er Polizeiluft und ändert seine Pläne. Nach seiner Ausbildung in Eutin sowie Stationen in Kiel und Pinneberg heißt es für ihn: Sechs Monate Bäderdienst auf Sylt. Das ist die Verstärkung vom Festland für die Inselpolizei in der Hochsaison.

1982 wird Johannsen Wahlinsulaner

Seitdem hat ihn die Insel am nördlichsten Zipfel Deutschlands gepackt. 1982 wird Johannsen Wahlinsulaner. Sein Arbeitsplatz: Ein historisches, großzügiges Backsteingebäude mitten in Westerland. Seine Entscheidung, Polizist zu werden, hat er nie bereut. „Das Gefühl der Zusammengehörigkeit ist großartig.“

Auf Sylt leben rund 15 000 Menschen. 38 Mitarbeiter führt Dieter Johannsen im Winter. Im Sommer mit den Bäderdienstkollegen sind es 53. Denn dann sind an Spitzentagen 150 000 Menschen auf der Insel. „Wir sind hier nicht anders aufgestellt als eine Dienststelle auf dem Festland. Doch gerade im Sommer unterscheidet sich die Arbeit doch von der auf dem Festland.“ Denn in der Hochsaison heißt es für die Polizei immer wieder, vermitteln, etwa zwischen ruhesuchenden Gästen und den Partygängern. „Da ist für uns an der Tagesordnung, auszurücken.“

Und noch etwas ist auf der Nordseeinsel anders: Was auf Sylt passiert, weckt Interesse. Bundesweit. „Wenn hier ein Haus brennt, weiß das am nächsten Tag ganz Deutschland.“ Bei manchen Anfragen wundert sich der erfahrene Polizist allerdings. „Bei uns stand mal ein Fernsehteam vor der Tür. Die wollten wissen, wann wir die Insel evakuieren. Bei Windstärke sieben! Da hängen wir Nordfriesen die Wäsche zum Trocknen auf“, erzählt Johannsen spöttisch.

Distanzlosigkeit gegenüber Polizisten

Weniger erfreut ist er indes über die Distanzlosigkeit gegenüber Polizisten. Die zeige sich vor allem beim jüngeren Publikum und unter Alkoholeinfluss. „Allerdings ist das auf dem Festland ähnlich. Wir müssen damit umgehen. Die Polizisten werden ja darauf geschult. Ich bin immer wieder erstaunt, wie unsere jungen Kollegen die Beleidigungen wegstecken“, sagt der Dienststellenleiter.

Zwar sei die Respekt- bzw. Distanzlosigkeit gegenüber der Polizei statistisch nicht erfasst, heißt es von der Polizeidirektion in Flensburg. Jedoch ist „das Niveau an Gewalttaten gegen Polizeibeamte anhaltend hoch. Für 2016 zeichnet sich im 1. Halbjahr ein Anstieg ab.“

Der Bürgermeister der Gemeinde Sylt, Nikolas Häckel, ist sehr zufrieden mit der Polizeiarbeit. „Wir stimmen nicht nur Veranstaltungen mit Sicherheitskonzepten vorher ab. Wir tauschen uns über die Verkehrsplanung und –situation aus, arbeiten in der Gefahrenabwehr zusammen“, sagt der Verwaltungschef.

Die Polizei auf Sylt sei sehr gut mit der Gemeinde, mit Feuerwehr und DRK vernetzt, sagt Häckel. Wie diese Vernetzung funktionieren kann, erlebten Gäste und Insulaner vor wenigen Wochen bei einem Großeinsatz in der Westerländer Innenstadt. Eine herrenlose Aktentasche unter einer Parkbank hatte den Einsatz ausgelöst.

Der Bereich wurde großräumig abgesperrt, neben der Polizei rückten Feuerwehr, DRK, Katastrophenschutz sowie der Kampfmittelräumdienst an. In der Tasche wurden am Ende nur Landkarten gefunden.

Unfreiwillige Übernachtungsgäste

Weniger spektakulär erscheint da, was sich regelmäßig in den vier grün gestrichenen Ausnüchterungszellen der Westerländer Polizeidienstelle abspielt. Zu den unfreiwilligen Übernachtungsgästen zählten auch schon Prominente. „Einige meinen, eine größere Beschwerdemacht zu haben. Aber bei uns wird jeder gleich behandelt“, versichert Johannsen. Der verbringt übrigens in der ruhigen Zeit die Mittagspause gerne mal am Strand. „Ich habe meinen Traumjob gefunden.“