Kiel. Mehr Rechtsextreme, mehr Islamisten, mehr Straftäter. Mit Sorge hat Innenminister Studt den Verfassungsschutzbericht vorgestellt.

Die abstrakte Gefahr eines Terroranschlags durch Islamisten ist nach Einschätzung des Innenministeriums auch in Schleswig-Holstein anhaltend hoch. Konkrete Hinweise auf geplante Terrorakte gebe es aber weiterhin nicht, sagte Innenminister Stefan Studt (SPD) am Dienstag in Kiel zum neuen Verfassungsschutzbericht.

Die Zahl der Rechtsextremisten nahm im vergangenen Jahr laut Verfassungsschutz von 1070 auf 1300 zu, die der Linksextremen sank minimal auf 670. Es gab auch mehr Straftaten. Die Erkenntnisse seien kein Grund für Alarmismus, aber für Sorge und Aufmerksamkeit, sagte Studt. „Wir müssen wachsam bleiben, um den Feinden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung das Handwerk zu legen.“ Dankbar sei er dafür, dass der Verfassungsschutz im Land um 20 auf 120 Stellen aufgestockt wurde, sagte Studt. Die Sicherheitsbehörden rechneten damit, dass dschihadistische Kleinstgruppen und Einzeltäter Attentate planen und ausführen können, sagte Studt.

Trotz Zunahme rechter Straftaten liegt das Hauptaugenmerk auf Islamisten

Im islamistischen Spektrums bildeten salafistische Bestrebungen die dynamischste Bewegung. Die Zahl der Salafisten sei 2015 um 70 auf rund 300 gestiegen. Sie versuchten, muslimische Flüchtlinge zu beeinflussen, um sie für ihre verfassungsfeindliche Ideologie zu gewinnen. Über Spendensammlungen und Hilfsangebote für den Alltag bemühten sie sich um Kontakt zu Flüchtlingen.

In den letzten Jahren sind laut Verfassungsschutz 28 Menschen in die Bürgerkriegsgebiete in Syrien und im Irak gereist, von denen 26 den IS oder andere sunnitische Gruppen unterstützen wollten. Von diesen seien 9 noch dort und 10 zurückgekehrt. Bei keinem Rückkehrer lägen gesicherte Erkenntnisse dazu vor, dass sie tatsächlich an Kämpfen beteiligt waren. Sieben könnten in Syrien oder im Irak ums Leben gekommen sein.

Ein weiteres Problem seien als Flüchtlinge getarnt einreisende Dschihadisten. Deren Zahl sei zweistellig „im unteren Drittel“, sagte Verfassungsschutzleiter Dieter Büddefeld. Auf deutlich unter 50 bezifferte Studt die Zahl. Es sei nicht möglich, alle diese Personen an den Grenzen rechtzeitig zu erkennen. Dies würde eine umfassende und flächendeckende Überprüfung voraussetzen, die nicht zu leisten sei. „Die Sicherheitsbehörden stehen derzeit vor einer ihrer größten Herausforderungen“, resümierte der Minister.

2015 registrierten die Behörden 640 von Rechtsextremisten begangene Straftaten, 201 mehr als 2014. Darunter waren 38 Gewalttaten, 17 mehr als 2014. Mit dem starken Zuzug von Flüchtlingen habe der Rechtsextremismus sein Thema gefunden, sagte Studt. „Rechtsextremisten hoffen nach wie vor, über den Anti-Asyl-Protest Anschluss in das bürgerliche Lager zu finden.“ Unter den 670 Linksextremisten sind laut Verfassungsschutz 310 Gewaltbereite. Aus diesem Spektrum seien 200 Straftaten verübt worden, 22 mehr als im Vorjahr. Darunter waren 23 Gewalttaten, 17 mehr als 2014.

Kritik am Bericht kommt nicht nur aus der Opposition

Der CDU-Politiker Axel Bernstein forderte die Landesregierung auf, sich für einen stärkeren nationalen und internationalen Datenaustausch über potenzielle Terroristen einzusetzen. Bernstein warf den Koalitionsparteien SPD, Grüne und SSW vor, sie bremsten mit Widerstand gegen notwendige Ermittlungsinstrumente die Arbeit des Verfassungsschutzes aus. „ Terroristen und Extremisten bedrohen unsere Gesellschaft, nicht die Angehörigen unserer Sicherheitsbehörden.“

Der Grüne Burkhard Peters appellierte an den Verfassungsschutz, dem Vorstoß von Rechtsextremisten ins bürgerliche Lager deutlich mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Er rügte auch die Schwerpunktsetzung in dem Bericht: 27 Straftaten von Islamisten stünden 640 Straftaten von Rechtsextremen gegenüber. „Die zentrale Rolle, die der Islamismus in dem Bericht spielt, und insbesondere die augenscheinliche Gleichgewichtung gegenüber dem Rechtsextremismus, ist angesichts der Faktenlage nicht ganz nachvollziehbar.“

Der Verfassungsschutz müsse technisch besser ausgestattet werden, forderte der FDP-Innenpolitiker Ekkehard Klug. Dies sei unerlässlich, damit die Behörden ihre Aufgabe bestmöglich bewältigen können. Der SPD-Politiker Tobias von Pein warnte vor dem Hintergrund des Zuzugs von Flüchtlingen vor einer wachsenden Gefahr von Rechts. „Immer mehr Ehrenamtliche, Kommunalpolitiker und Flüchtlingshelfer sind von rassistischen Anfeindungen betroffen.“