Kiel. Dem Wassersport fehlt der Nachwuchs – und für etliche Schiffe finden sich keine Käufer mehr. Letzter Ausweg: Schrottplatz?
Als sich der passionierte Segler Tilman Kressel entschloss, ein neues Boot zu kaufen, ahnte er noch nicht, was auf ihn in den nächsten zweieinhalb Jahren zukommen würde. Seine alte Yacht, ein GFK-Klassiker aus Finnland, war gut in Schuss. Die schlanken Schiffe aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) der Marke „Senorita Helmsman“ gelten selbst im betagten Alter als flotte und hübsche Segler.
18.000 Euro, so hatte er sich ausgerechnet, müsste er dafür mindestens bekommen. Immer wieder gab es auch Interessenten, immer wieder fuhr der Hamburger hoch zum Liegeplatz an der Flensburger Förde, packte die Planen weg, zeigte und verhandelte. Viele Stunden investierte er dafür. Doch die möglichen Käufer kauften nicht. Immer weiter ging Kressel mit dem Preis runter, während Liegeplatzkosten und Versicherungen weiter zu zahlen waren.
Irgendwann war er bei wenigen Tausend Euro gelandet und hatte endlich einen ernsthaften Interessenten. Doch der verlangte plötzlich Garantien für die fast 40 Jahre alte Kunststoff-Yacht. „Nö, das wurde mir zu bunt“, sagt er. In einer Mischung aus Verärgerung und Resignation stellte er alle Verkaufsbemühungen ein.
Markt an Gebrauchtbooten gilt als völlig überhitzt
Eine Erfahrung, die wohl viele Yachteigner in diesen Tagen machen. Und mancher, der jetzt im Frühling daran geht, sein Boot im Winterlager wieder für die Saison fit zu machen, dürfte damit verbandelt sein wie in einer unglücklichen Ehe. Eigentlich möchte er es längst loswerden, betreut es aber immer weiter. Denn der Markt an Gebrauchtbooten gilt als völlig überhitzt. Eine Armada an Yachten aus den 70er- und 80er-Jahren verstopfe den Markt, heißt es in der Branche. Wer ein Boot verkaufen will, muss enorme Abstriche machen. Und selbst dann ist man nicht sicher, es loszuwerden.
„Dieser Überhang ist katastrophal“, sagt etwa Claus-Ehlert Meyer, Geschäftsführer des Boots- und Schiffbauerverbands. So gebe es die Schätzung, dass acht alte Boote „bewegt“ werden müssten, damit ein neues gekauft wird. Doch anders als bei alten Autos, die irgendwann nach vielleicht 20 Jahren in den Schrott gehen, gibt es bisher kein geregeltes Recycling für Yachten. Vor allem nicht für Kunststoffschiffe, die den Wassersport in den 70er-Jahren revolutionierten und als Serienproduktionen günstiger für die Masse machten. „Wie lange die halten, hat man damals wohl nicht geahnt“, sagt Meyer.
Und so wächst der große Berg alter Boote immer weiter. Schätzungen zufolge existieren gut 80 Prozent aller jemals gebauten Kunststoffyachten immer noch. Während die Zahl der möglichen Neubesitzer sinkt. Käufer haben zwar zurzeit ein Angebot wie noch nie, doch es gibt einfach zu wenige: Nach einer Studie der Forschungsvereinigung für die Sport- und Freizeitschifffahrt beträgt der Anteil der Bootseigner bei den 60- bis 64-Jährigen in Deutschland drei Prozent, bei jüngeren Jahrgängen sind es hingegen nur noch ein Prozent.
Durchschnittsalter der Eigner bei 57 Jahren
Das Durchschnittsalter der Eigner liege mittlerweile bei 57 Jahren. Der Boom der 70er-Jahre scheint vorbei und der Wassersport hat offensichtlich ein Altersproblem. Jährlich, so heißt es in der Studie, verringere sich die Zahl der knapp 500.000 Eigner um 5000, und fast die Hälfte der 70-Jährigen denke über eine „kurzfristige“ Aufgabe ihres Hobbys nach.
Und auch die deutsche Gebraucht boot-Flotte ist nicht mehr ganz frisch: 50 Prozent der privaten Freizeitschiffe sind der Studie zufolge älter als 25 Jahre. Wobei die Zahlen bereits 2008 erhoben wurden. Viel geändert habe sich seit dem aber nicht, sagen Experten. Höchstens, dass Boote und Eigner noch älter geworden sind.
Arg gebeutelt sind daher ältere Bootsbesitzer, die aus Altersgründen ihr Hobby aufgeben müssen. Oft bleiben dann Schiffe in den Häfen Norddeutschlands an Land. Und nicht selten bleiben die Hafenbetreiber dann darauf sitzen, weil jemand sich aus dem Staub macht oder auch verstirbt. Vier oder fünf solche Wracks habe er jetzt auf seinem Gelände, sagt etwa Peter Knief, Chef der gleichnamigen Harburger Bootswerft. „Der Markt ist tot, so etwas von tot.“ Gerade erst hatte er wieder den Fall, dass der Besitzer einer großen Motoryacht ins Heim musste und dessen Frau nun nicht weiß, wohin mit dem tonnenschweren Fahrzeug, das keiner kaufen will.
„Wir zerkleinern das Ganze ruckzuck“
Manchmal bleibt dann nur noch der Schrott. Allerdings gelten GFK-Schiffe quasi als Sondermüll. Einfach zersägen und ab auf die Hausmülldeponie funktioniert nicht. Und noch gibt es wenige Betriebe in Norddeutschland, die eine „Yacht-Entsorgung“ explizit anbieten. Einer davon ist die Kieler Schrotthandel GmbH, die praktischerweise direkt am Wasser liegt: Man kann direkt dorthin tuckern, den Rest erledigen riesige Bagger. „Wir zerkleinern das Ganze ruckzuck“, sagt Betriebsleiter Bernd Fischwasser. Gerade hat er wieder einen „älteren Herren“ erlebt, der dabei sein wollte, als sein selbstgebautes Stahlboot auf den letzten Törn ging.
„Am Ende waren nur fünf Schubkarren übrig, so verdichten wir das“, sagt Fischwasser. Stahl geht dann in die Verwertung, Kunststoff in die Müllverbrennung. 189 Euro pro Schiff-Tonne plus Kran-Gebühr kostet dieser radikale Schritt. Wenn man Glück und einen Bleikiel hat, gibt es sogar noch ein paar Euro Schrottwert zurück.
Doch so ein radikales Ende für ein teures Boot ist nicht jedermanns Sache. Tilman Kressel ging jedenfalls einen anderen Weg. Er verschenkte seine Yacht einfach an die Jugendabteilung eines Segelvereins an der Schlei. „Damit fühle ich mich besser“, sagt er.