Kiel. Im Kieler Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung werden derzeit Proben aus 13 verendeten Tieren aus der Nordsee untersucht.
Dieser Pottwal war wohl ein Vielfraß. „Aus seinem Magen pickten wir die Schnäbel von etwa 21.000 Tintenfischen“, sagt Meeresbiologe Uwe Piatkowski vom Kieler Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung. Dieser Mageninhalt entspreche der Biomasse von etwa 4,2 Tonnen Tintenfisch. Nach dem grausamen Tod von rund 30 Pottwalen an den Nordseeküsten liegen unzählige Proben in einem Raum des Instituts. Seit Anfang Februar suchen Piatkowski und seine Studenten nach der Ursache für den Tod der jungen Pottwale in der Nordsee.
Süßlich und faulig riecht es in dem Raum mit Blick auf die Kieler Förde. Hier sortieren die Experten Proben aus 13 Pottwalen, die an der Küste Schleswig-Holsteins verendet waren. Das ist Fummelarbeit und viel Zählerei; die Mägen sind voll mit Tintenfisch-Schnäbeln. Das sind die unverdaulichen Ober- und Unterkiefer von Kalmaren. Kalmare sind mit Abstand die Lieblingsspeise der Pottwale. „Das gleicht fast einer Sisyphusarbeit“, sagt Piatkowski. Insgesamt 110 490 Schnäbel zählten die Forscher. Und sie entdeckten zahlreiche Knochen von Fischen wie dem Seeteufel oder Kabeljau.
30 Jungwale sind in der Nordsee verendet
Seit Anfang des Jahres waren nach Angaben der Nationalparkverwaltung Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer rund 30 Jungwale in der südlichen Nordsee verendet, darunter alleine 13 an der schleswig-holsteinischen Küste. Aber auch in Niedersachsen, den Niederlanden, in Großbritannien und in Frankreich verendeten Pottwale.
Piatkowski glaubt, dass die heftigen Stürme im Nordostatlantik im Januar die Tiere in die Nordsee geleitet haben. „Diese Stürme haben Wassermassen nach Süden getrieben und damit unter Umständen auch die Beute der Tiere - die Kalmare“, sagt er. „Denen sind die Pottwale offenbar hinterhergeschwommen.“ In den flachen Gewässern der Nordsee gerieten sie dann in Gefahr. „Denn wenn es flacher wird als 50 Meter, haben die Pottwale Probleme mit ihrem Sonarsystem“, sagt der Meeresbiologe. In der Folge drangen sie immer weiter in die südliche Nordsee vor und strandeten im Wattenmeer.
Erschütternd: Tote Wale im Wattenmeer
Nach Angaben der Meeresforscher waren die Tiere fit und gut genährt. Sie hatten sich vor allem von vier Tintenfischarten ernährt. „95 Prozent des Mageninhalts geht auf die auf den Nordischen Köderkalmar und den Europäischen Flugkalmar zurück“, sagt Piatkowski. Beide kommen hauptsächlich in der Norwegischen See, im Barentsmeer und den Gewässern bei Island vor, dem Hauptweidegebiet junger Pottwal-Bullen.
Typisch dafür sind die kleinen schwarzen Schnäbel der Köderkalmare, die Student Philipp Neitzel zu Dutzenden aus der glibbrig-schleimigen Magenprobe zieht. Der 23-Jährige ist seit dem Start des Projekts dabei. „Immer fünf oder sechs Stunden am Tag“, sagt er. An den üblen Geruch gewöhne man sich recht schnell. Denn: „Wann hat man den schon mal die Chance, einen Pottwal-Magen zu sortieren?“
Untersuchungserbebnisse gibt es Ende März
Meeresforscher Piatkowski geht davon aus, dass die im Januar entdeckte erste Gruppe der verendeten Wale bereits in der Norwegischen See ihre letzte Mahlzeit hatte. Aufgrund der Funde in den Mägen sei davon auszugehen, dass sich die Anfang Februar verendeten Wale dagegen etwas länger in der Nordsee aufhielten. „Wir haben in den Mägen teilweise Sand und Schlick aus dem Wattenmeer gefunden“, sagt er. Vermutlich hätten die Tiere ihren Kopf in den sandigen Untergrund gerammt, um Beute aufzuscheuchen.
Piatkowski und sein Team wollen Ende März erste Untersuchungsergebnisse vorstellen. Die Kosten für die Bergung und Entsorgung der Wale werden nach Angaben des Umweltministeriums in Kiel zwischen Bund und Land aufgeteilt. „Uns ist wichtig, so viel wie möglich über die Tiere herauszufinden - und wenn möglich darüber, woran sie gestorben sind“, sagt Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne). „Welchen Umwelteinflüssen waren sie ausgesetzt, was lässt sich daraus ableiten?“