Kiel. Signifikante Steigerung der Kriminalität gebe es nicht. Sorgen bereitet, dass lange aktive Banden jetzt die zähen Asylverfahren nutzen.
Flüchtlinge und Asylbewerber begehen nach Erkenntnissen der Polizei in Schleswig-Holstein nicht mehr Straftaten als andere Bürger. Zwar gab es seit Anfang September im Land knapp 900 Anzeigen im Zusammenhang mit Flüchtlingen. Dies ist nach Einschätzung der Experten des Landeskriminalitätsamts (LKA) angesichts von bereits mehr als 30 000 Hilfesuchenden allein in diesem Jahr allerdings im Rahmen des Erwartbaren. Eine signifikante Steigerung der Kriminalität im Zusammenhang mit Flüchtlingen gibt es laut LKA nicht.
Bei den knapp 900 angezeigten Straftaten handele es sich aber um weiche Daten, die nicht der polizeilichen Kriminalstatistik vergleichbar seien, sagte der Leitende Kriminaldirektor Peter Fritzsche am Freitag. Darunter ist beispielsweise auch ein Tötungsdelikt. Dabei handelte sich um eine Fehlgeburt einer Schwangeren in Folge eines Streits in einer Erstaufnahme.
Auffällig ist, dass es sich bei mehr als der Hälfte der von der Polizei bearbeiteten Fälle um Eigentumsdelikte handelt. Ein Großteil der Wohnungseinbrüche geht nach Polizeierkenntnissen auf das Konto osteuropäischer Banden, die seit Jahren auch im Norden aktiv sind. Unter ihren Mitgliedern seien auch Asylbewerber. Angesichts der Zuwanderung beobachteten die Ermittler aktuell verstärkt, dass „sich Tatverdächtige aus dem Kreis krimineller Gruppierungen unter Umständen einfallen lassen, ein Asylbegehren zu stellen“, sagte Vize-Direktor Stephan Nietz. „Das ist aber kein neues Phänomen.“
In den vergangenen Tagen hatten die „Kieler Nachrichten“ über eine vertrauliche LKA-Analyse über den Fall eines albanisches Netzwerks berichtet, dem eine Serie von Wohnungseinbrüchen, Diebstählen und anderen Straftaten vorgeworfen wird. Die meisten Verdächtigen hätten zwischen März und August in der Erstaufnahme Neumünster Asylanträge gestellt. Fritzsche bestätigte die Angaben am Freitag. Wegen der unzulässigen Weitergabe des Dokuments hat das LKA bereits interne Ermittlungen eingeleitet.
Eine Bildung krimineller Strukturen oder gar Clans in den Erstaufnahmen für Flüchtlinge registriere die Polizei aber nicht, sagte der Leiter der besonderen Aufbauorganisation Flüchtlinge, Heiko Hüttmann. „Solche Beobachtungen machen wir nicht.“ Allerdings gebe es angesichts der Vielzahl der Flüchtlinge in den Einrichtungen zunehmend „innere Zwistigkeiten zwischen den unterschiedlichen Ethnien und Glaubensrichtungen“. Der Situation dort werde unruhiger. „Je mehr Wochen und Monaten vergehen, desto größer ist die Gefahr, dass da auch einmal etwas ausbricht und sich die Menschen in die Wolle kriegen.“