Kiel. Wohin mit dem Atommüll aus Großbritannien? Castor-Behälter sollen nach Brokdorf. Minister ist zur Aufnahme bereit - wenn der Platz reicht.
Wiederaufbereiteter Atommüll aus Großbritannien soll nach den Plänen von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) auch in Brokdorf zwischengelagert werden. Schleswig-Holsteins Ressortchef Robert Habeck (Grüne) stimmte dem Verteilungskonzept der Bundesministerin am Freitag grundsätzlich zu. Er bekräftigte auch die Bereitschaft zur Aufnahme von Castor-Behältern in Brokdorf. Ob dort genug Platz sein wird, sei aber noch zu klären.
Brokdorf kommt nämlich auch als Zwischenlager für Castoren aus Brunsbüttel infrage. Der Rückbau des abgeschalteten Atomkraftwerks Brunsbüttel hat für Habeck Vorrang. Er dürfe sich auch nicht durch Einlagerung von Castoren mit wiederaufbereitetem Atommüll verzögern.
Deutschland muss von 2017 an 26 Castoren mit wiederaufbereitetem Abfall aus Sellafield (21) und La Hague (5/Frankreich) zurücknehmen. Nach einer Verständigung mit den großen Energiekonzernen will das Bundesministerium 5 Behälter mit mittelradioaktivem Abfall aus La Hague 2017 nach Baden-Württemberg ins Zwischenlager Philippsburg bringen. 21 Behälter mit hochradioaktivem Müll aus Sellafield sollen bis 2020 relativ gleichmäßig auf die Lager bei den Atomkraftwerken Isar (Bayern), Biblis (Hessen) und Brokdorf verteilt werden. 6 oder 7 sind für Brokdorf vorgesehen.
Habeck bekräftigte Schleswig-Holsteins Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Die entscheidende Voraussetzung einer fairen Verteilung ist aus seiner Sicht mit dem Berliner Konzept grundsätzlich erfüllt.
Konkret kann es aber eng werden. Das Problem beginnt in Brunsbüttel, wo das Zwischenlager mit einer Gerichtsentscheidung die Genehmigung verloren hat. Damit habe das Land nur begrenzte Möglichkeiten, sagte Habeck. „Für uns geht die Sicherheit vor und das heißt, die Brennelemente schnellstmöglich aus dem Reaktordruckbehälter Brunsbüttel zu holen.“ Zudem sei zu klären, was mit den neun Castoren im Zwischenlager Brunsbüttel geschieht. „Wenn danach noch Platz in Brokdorf ist, könnten diese Stellplätze für Castoren aus der Wiederaufbereitung genutzt werden.“
In Zahlen sieht das so aus: Das Zwischenlager in Brokdorf hat 100 Stellplätze. 26 Castoren stehen dort, etwa 53 werden aus dem Betrieb des Kraftwerks noch hinzukommen. Die abgebrannten Brennelemente aus dem Reaktor in Brunsbüttel erfordern 11 oder 12 Castoren, im Zwischenlager Brunsbüttel stehen 9. Sollten alle nach Brokdorf, wäre die dortige Kapazität schon ohne Sellafield-Castoren erschöpft.
Habeck forderte den Betreiber Vattenfall auf, sich zügig zu entscheiden, ob die Brennelemente aus Brunsbüttel nach Brokdorf kommen sollen und wie es mit dem Zwischenlager Brunsbüttel weitergehen soll. „Hier brauchen wir dringend Klarheit“, so Habeck.
„Keiner kann und darf sich vor der Verantwortung für den Atommüll wegducken, weder bei der Unterbringung der Castoren noch bei der ungleich schwerer zu lösenden Frage eines Endlagers.“ Daher sei es richtig, dass die Bundesumweltministerin auch solche Länder in die Pflicht nehme, die sich mit Händen und Füßen gesträubt hätten.
Bayern drohte am Freitag mit einem Scheitern der Energiewende, sollte der Bund einseitig eine Atommüll-Zwischenlagerung in einzelnen Ländern beschließen. „Zum ewigen Njet (Nein) aus München fällt mir langsam nichts mehr ein“, kommentierte Habeck. Er forderte ein Machtwort der Kanzlerin. „Ich erwarte jetzt, dass Kanzlerin Angela Merkel auf den Tisch haut und Bayern sagt, was Sache ist“.
„Sie wollen die Stromleitung nicht, um den Atomausstieg hinzukriegen, und weigern sich dazu noch, Verantwortung für den alten Atommüll zu übernehmen.“ Wenn Bayern die Energiewende ernsthaft infrage stelle, heiße das nichts anderes als eine Rückkehr zur Atomenergie. „Dann will ich wissen, was Bayern mit dem neuen anfallenden Atommüll macht und wo es ihn unterbringt – oder sollen andere das dann für Bayern lagern?“, fragte Habeck. „Seehofer entwickelt sich zum Dr. No der Politik.“
Habeck begrüßte die Bereitschaft der Energiekonzerne, die Rücknahme sämtlicher Gerichtsverfahren zu prüfen. „Das kann auch die Arbeit in der Endlager-Suchkommission erleichtern.“ (dpa)