Lübeck. Angst um die Familie und Wut auf die Verwaltung machen einen Finanzbeamten nach eigenen Worten zum Brandstifter. Doch er schämt sich.
Der Mann, der im Lübecker Landgericht auf der Anklagebank sitzt, ist ein korrekter Beamter und Familienvater. Doch der heute 39-Jährige hat ein Haus angezündet, in das Flüchtlinge aus dem Irak einziehen sollten. „Die Anklage ist richtig. Ich bekenne mich dazu, und ich schäme mich“, sagte er am Donnerstag zum Auftakt des Prozesses um einen Brandanschlag auf eine noch unbewohnte Flüchtlingsunterkunft in Escheburg bei Hamburg.
„Ich kann nicht begreifen, warum ich das getan habe. Ich habe meinen eigenen Werte als Beamter und als Christ mit Füßen getreten“, sagte der Finanzbeamte, der neben dem Flüchtlingsheim wohnte. Er habe etwas Pinselreiniger durch ein Loch im Fenster ins Haus gekippt, den fast vollen Kanister hinterher geschmissen und das Ganze mit einem Streichholz angezündet, sagte er und wiederholte damit sein Geständnis, das er bereits bei der Polizei und vor dem Haftrichter abgelegt hatte.
„Die ganze Nachbarschaft war sehr verärgert"
Angst um seine Familie sei das Motiv gewesen, aber auch Wut über die Verwaltung, bekannte er am Donnerstag. „Die ganze Nachbarschaft war sehr verärgert darüber, dass uns das Amt Hohe Elbgeest über unsere Köpfe hinweg sechs junge Männer in die Siedlung setzt“, sagt er. Eine Familie hätten sie akzeptiert, schließlich seien ja Kindergarten und Schule gleich nebenan.
„Die Anwohner wollten eigentlich gar keine Flüchtlinge als Nachbarn und nur wenn es unbedingt sein muss, dann eine Familie“, erinnert sich die Leitende Verwaltungsbeamtin des Amtes Hohe Elbgeest in ihrer Zeugenaussage. Sie hatte am Morgen des 9. Februar versucht, den aufgebrachten Bürgern zu erklären, dass die Amtsverwaltung keinen Einfluss auf die Auswahl der Flüchtlinge habe und zu deren Unterbringung verpflichtet sei. Doch die Anwohner fühlten sich nicht ernst genommen.
"Jemand muss etwas unternehmen"
„Wir sind da total aufgelaufen und haben überhaupt keine Informationen bekommen“, sagt eine andere Zeugin, eine 39 Jahre alte Nachbarin des Angeklagten, aufgebracht. Auch sie sei mit den Plänen zur Flüchtlingsunterbringung nicht einverstanden gewesen und habe mit dem Angeklagten darüber gesprochen, mit einem Anwalt dagegen vorzugehen. „Ich möchte kein Männerwohnheim in einer Spielstraße, egal ob für deutsche oder für irakische Männer“, sagt sie energisch.
Auch der Angeklagte bekennt: „Ich war wütend und hatte das Gefühl, jemand muss etwas unternehmen, um den Einzug zu verhindern.“ Wie in Trance habe er den Pinselreiniger aus seinem Car-Port genommen und sei damit zu der Doppelhaushälfte gegangen. „Das klingt eigenartig, aber ich dachte in dem Moment, ich tue etwas Gutes. Ich wollte Zeit gewinnen, um nach Verfahrensfehlern in der Verwaltungsentscheidung zu suchen“, sagt er.
(dpa)