Tönning. Der Wattenmeer-Nationalpark ist auf 4400 Quadratkilometern Heimat von 10.000 Tier- und Pflanzen-Arten. Jetzt feiert der Park Jubiläum.

Der Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer feiert in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen. Am 1. Oktober 1985 wurde Deutschlands größter Nationalpark per Gesetz Realität. Die Feiern zur runden Jahreszahl beginnen schon am Montag mit insgesamt 17 Einzelveranstaltungen an etlichen Orten entlang der Küste von Hörnum auf Sylt bis nach Friedrichskoog, wie die Nationalparkverwaltung in Tönning mitteilte. Bis einschließlich Oktober seien weitere Events geplant.

Das Gebiet ist mit 441.000 Hektar fast doppelt so groß wie das Saarland und es ist damit der größte Nationalpark in Mitteleuropa. Das Gebiet aus Wattflächen mit Rinnen und Prielen, mit Sandbänken, Dünen und Salzwiesen ist eine der fruchtbarsten Regionen der Erde.

Flut spült täglich Rohstoffe und Nahrung an

Bei Ebbe wirkt der Nationalpark eintönig und trist, doch der Eindruck täuscht: Hier herrscht mehr Leben als im Urwald, weiß Monika Hecker von der Nationalparkverwaltung. Ursache ist die Flut, die zwei Mal täglich Rohstoffe und Nahrung ins Watt spült. So können auf einem Quadratmeter Wattboden neben Muscheln, Schnecken und Würmern noch Millionen von Kieselalgen und winzige Krebse leben. Auf einer Fläche von 100 Mal 100 Metern haben die Tiere eine Biomasse von drei bis zwölf Tonnen Nassgewicht: „Das ist mehr als im Urwald“, sagt Hecker. Insgesamt leben hier rund 3200 Tierarten, von denen 250 nur hier vorkommen.

Das Wattenmeer ist aber auch die Kinderstube vieler Nordseefische und das vogelreichste Gebiet Mitteleuropas. Als Drehscheibe des Vogelzugs hat es eine existenzielle Bedeutung für die Zugvögel, sagt Nationalpark-Ranger Martin Kühn. „Hier leben neben Schweinswalen und Seehunden auch die größten Raubtiere Mitteleuropas: Die Kegelrobben vor Amrum werden bis zu drei Meter lang.“

Heimat eines der ältesten Ökosysteme der Erde

Außerdem ist der Nationalpark auch Heimat eines der ältesten Ökosysteme der Erde: Das sogenannte Farbstreifensandwatt an einigen Strandabschnitten von Amrum und St. Peter-Ording besteht aus dünnen Mikrobenmatten: Eine grüne Schicht Cyanobakterien, eine purpurrote Schicht Schwefelpurpurbakterien und eine schwarze Schicht Sulfat reduzierender Bakterien. „Die Tierarten des Farbstreifensandwatts kommen in dieser Zusammensetzung nirgendwo auf der Welt wieder vor“, weiß Monika Hecker.

Doch der Nationalpark ist nicht nur Wildnis: Die Region ist auch Lebensraum für Menschen und als Besucherattraktion für Touristen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, an dem Zehntausende Jobs hängen. „Über eine Millionen Menschen erleben dort jedes Jahr großartige Natur und bekommen ein Gefühl dafür, wie sich echte Wildnis anfühlt“, sagt Umweltminister Robert Habeck (Grüne).

Umweltminister plant neue Wattenmeerstrategie

Dabei war der Nationalpark lange umkämpft: „Aufgestochene Autoreifen, brennende Strohballen oder aufgehängte Strohpuppen, das gab es mal. Aber davon sind wir heute weit, weit weg, zum Glück“, sagt Habeck. Der Nationalpark und das Weltnaturerbe würden mit einer überwältigenden Akzeptanz bejaht. Nicht nur an der Westküste, sondern in ganz Schleswig-Holstein.

„Hinsichtlich des Naturschutzes im Wattenmeer haben wir einen guten Stand erreicht, aber wir werden weiter debattieren müssen“, meint der Grünen-Minister. Doch er will, dass innerhalb des Nationalparks der überwiegenden Teil der Fläche unbewirtschaftet bleibt, um so der Natur mehr Raum zu geben. Auch hinsichtlich des Klimawandels, der bereits im vollen Gange ist, seien neue Konzepte gefragt. „Im Sommer wollen wir erste Überlegungen für eine langfristige Wattenmeerstrategie vorstellen, die den Ansprüchen des Küstenschutzes, des Naturschutzes und der dort lebenden Menschen gerecht wird“, sagt Habeck. (dpa)