Von Sonnabend an sammelt die FDP in Schleswig-Holstein Unterschriften für die verbindliche Zensurenvergabe. Schulministerin verweist auf Wahlmöglichkeit. Aktuelle Verordnung ist seit August in Kraft.

Kiel. Eine glatte 1, eine 4 oder gar eine ungenügende 6? Nach dem Willen einer Volksinitiative der FDP sollen die Lehrer allen Dritt- und Viertklässlern wieder verbindlich Noten erteilen. Die Sammlung der Unterschriften dafür beginnen die Liberalen an diesem Sonnabend – einen Tag nach Vergabe der Halbjahreszeugnisse. Ziel sei eine transparente Bewertung der schulischen Leistungen, sagte der FDP-Landesvorsitzende Heiner Garg am Mittwoch in Kiel.

Derzeit müssen die Schulen an Grundschulen keine Noten geben, können es aber auf Beschluss der Schulkonferenz, wobei die Mehrheit der Lehrer den Ausschlag gibt. Das Bildungsministerium, die Koalitionsfraktionen SPD, Grüne und SSW sowie die Piraten setzen auf Berichtszeugnisse, die CDU ist wie die FDP für Noten. Die CDU unterstütze die FDP-Initiative, erklärte Landesparteivize Heike Franzen. „Zeugnisnoten in Kombination mit einem begleitenden Bericht zum Lernentwicklungsstand erlauben es, Schülerinnen und Schülern regelmäßig Rückmeldungen über die erbrachten Leistungen zu geben.“

20.000 Unterschriften müssen zusammenkommen

Damit sich der Landtag mit dem Anliegen der Volksinitiative befassen muss, werden 20.000 Unterschriften benötigt, die innerhalb eines Jahres zu sammeln sind. Die FDP zeigte sich zuversichtlich, dies weit früher zu schaffen. Sie hoffe auf ein deutliches Votum bis August, sagte Bildungsexpertin Anita Klahn. Landesparteichef Garg signalisierte die Bereitschaft, notfalls auch den Weg bis zu einem Volksentscheid zu gehen. Aus Sicht Klahns sollte die Regierung bei einem klaren Votum schnell den Bürgerwillen berücksichtigen.

Formal zielt die Volksinitiative auf eine Ergänzung des Schulgesetzes. Der Satz „Zeugnisse an Grundschulen sind in Klasse 3 und 4 als Notenzeugnisse mit schriftlicher Ergänzung zur Lern- und Leistungsentwicklung zu erteilen“ soll eingefügt werden. Der Stimmzettel kann von Sonnabend an im Internet heruntergeladen werden (www.pro-noten.de).

Mit einer Verordnung wurden zum 1. August vergangenen Jahres verbindliche Noten in Zeugnissen an den Grundschulen abgeschafft. Damit verschwinde zusehends das Leistungsprinzip aus den Klassenzimmern der Grundschulen, argumentiert die Volksinitiative.

Eine Umfrage des Bildungsministeriums hatte ergeben, dass nur 65 der mehr als 400 Grundschulen grundsätzlich Berichtszeugnisse schreiben wollen. Die Allermeisten geben in der 4. Klasse und teils auch in der 3. Klasse weiterhin Noten. Die Koalition habe mit ihrer Verordnung den Elternwillen völlig ignoriert, sagte FDP-Bildungsexpertin Klahn. Eltern wollten wissen, wo ihre Kinder stehen und wo ihre besonderen Stärken oder Schwächen sind. „Noten können das gut aufzeigen.“ Berichtszeugnisse seien manchmal schwer zu interpretieren.

Landeselternrat kritisiert die Initiative

„Die Grundschulen haben mit der neuen Grundschulverordnung bei der Leistungsbewertung die Wahl, und sie haben diese Möglichkeit genutzt“, sagte Bildungsministerin Britta Ernst (SPD). Unabhängig vom gewählten Weg – Noten- oder Berichtszeugnis – werde die Qualität von Schulen und Unterricht regelmäßig überprüft und so die Leistungsfähigkeit verbessert. Überprüft werde allerdings der aktuelle Entwicklungsbericht, der Grundlage für das obligatorische Elterngespräch im vierten Jahrgang ist, sagte Ernst. „Stellt sich heraus, dass wir nachbessern müssen, werden wir nachbessern.“

„Es ist das Recht der FDP, auf Kosten der Ruhe an den Schulen eine Volksinitiative zu starten, um den Zwang zur Note wieder einzuführen“, sagte der SPD-Bildungspolitiker Martin Habersaat. „So richtig liberal finde ich das nicht. Die Grüne Anke Erdmann warf der FDP vor, sie wolle die Wahlfreiheit einschränken. „Wir trauen den Schulen zu, die pädagogische Entscheidung selbst zu treffen, ob Noten gegeben werden sollen.“ Pirat Uli König kommentierte die FDP-Initiative so: „Schulpolitisch undifferenziert und unreflektiert, aber in der Sache natürlich voll Ordnung“.

Der Landeselternbeirat der Gemeinschaftsschulen gab der aus seiner Sicht rückwärtsgewandten Initiative die Note 6. Die FDP habe immer mehr Autonomie für die Schulen gefordert. „Nun haben die Schulen die Möglichkeit unter der derzeitigen Regierung bekommen, sich autonom zu entscheiden, ob und wann sie Notenzeugnisse oder andere Bewertungen an die Schüler geben wollen, und die FDP gründet eine Bürgerinitiative dagegen“, hieß es in der kritischen Stellungnahme.