Reha-Kliniken nehmen Patienten aus dem Kieler Uniklinikum offenbar gar nicht oder nur unter Bedingungen auf – wegen der Ausbreitung gefährlicher Keime. Ver.di und Hygieniker greifen die UKSH-Spitze an.

Kiel. Wegen der Ausbreitung eines gefährlichen Keims am Uniklinikum in Kiel sollen sich Reha-Einrichtungen in Schleswig-Holstein gegen die Aufnahme von Patienten aus der Kieler Klinik sperren oder Auflagen machen. „Wir haben Hinweise, dass sich neun Einrichtungen verweigern oder ein Screening – eine Untersuchung über Keime – zur Bedingung machen“, sagte ein Sprecher des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) am Dienstag.

Zuvor hatte UKSH-Chef Jens Scholz in den Sendern RSH und NDR gesagt, er könne darüber nur den Kopf schütteln. Alle Patienten, die nicht auf den beiden betroffenen und ohnehin isolierten Intensivstationen auf dem Campus Kiel lägen, könnten den Keim nicht haben. Scholz forderte die Reha-Zentren auf, wieder zum medizinischen Sachstand zurückzukehren und Patienten aufzunehmen.

Seit Mitte Dezember ist bei 31 Patienten der multiresistente Keim Acinetobacter baumannii nachgewiesen worden. Zwölf dieser Patienten starben. Bei drei von ihnen könnte der Keim nach Auskunft der Ärzte Todesursache sein. Bei den anderen neun waren laut Klinik die ursprünglichen Erkrankungen die Todesursachen. Aktuell liegen 16 Patienten, die auch den Keim haben, auf den beiden Intensivstationen.

Bei den neun Reha-Einrichtungen gibt es unterschiedlich strenge Vorgaben. Die August-Bier-Klinik in Malente (Kreis Ostholstein) nimmt weiterhin Reha-Patienten aus dem UKSH auf. „Wir arbeiten traditionell eng mit dem UKSH zusammen“, sagte Chefarzt Klaus Stecker. Allerdings gibt es bei allen neu aufgenommenen Patienten MRGN-Screenings inklusive isolierender Maßnahmen. Die Klinik begnügt sich allerdings auch mit Bescheinigungen der Uniklinik über „wiederholte negative Testergebnisse“ der Patienten. Auch das Elisabeth Krankenhaus in Eutin besteht auf solchen Tests.

Kein Grund für generelle Aufnahmestopps

Dagegen nehmen die Helios-Reha-Kliniken wie Damp oder Schönhagen sowie die Helios-Akut-Krankenhäuser weiterhin alle Patienten aus dem UKSH in Kiel ohne Screening auf. Nur Patienten der vom Keim betroffenen UKSH-Abteilungen müssten ein Screening ohne Befund haben. Ansonsten erfolge der Test in den Helios-Einrichtungen bei der Aufnahme, sagte Sonja-Maria Klauß, Helios-Sprecherin der Region Nord-West.

Gesundheitsministerin Kristin Alheit (SPD) betonte, „Die Fachleute versichern, dass eine Aufnahme von Patienten aus den nicht betroffenen Bereichen des UKSH vergleichbar ist mit einer Aufnahmen aus allen anderen Krankenhäusern“. Daher gebe es keinen Grund für generelle Aufnahmestopps. „Andere Krankenhäuser können selbstverständlich selbst Screening-Verfahren einleiten, die über die offiziellen Empfehlungen hinaus gehen.“

Über Verunsicherung bei Kielern, die ins Krankenhaus müssen, berichtete der Rettungsdienst. In den vergangenen Tagen hätten Bürger erklärt, sie wollten nicht im UKSH behandelt werden, sagte der Ärztliche Leiter des Kieler Rettungsdienstes, Dr. Wolfgang Lotz. Der Rettungsdienst komme Wünschen nach, da es mehrere Alternativen in Kiel und Umgebung gebe.

Situation sei „haarsträubend“

Unterdessen bekräftigte die Gewerkschaft Verdi ihre Kritik, dass es zu wenig Pflege- und Reinigungspersonal im Uniklinikum in Kiel gebe. „Seit 2010 wird das Personal im Pflegebereich sukzessive abgebaut“, sagte Verdi-Gesundheitsexperte Steffen Kühhirt. Rund 60 Prozent von 1864 Gefährdungsanzeigen von UKSH-Mitarbeitern im Jahr 2013 seien mit Arbeitsüberlastung begründet. Mit Gefährdungsanzeigen machen Mitarbeiter deutlich, dass sie in bestimmten Situationen ihre Arbeit nicht so machen können, wie es vorgeschrieben ist.

„Haarsträubend“ sei die Situation im privatisierten Bereich Service, betonte Kühhirt. Die Reinigungskräfte reichten nicht aus, um wie vorgeschrieben die Räume reinigen und desinfizieren zu können. Täglich erhalte er solche Anrufe von Mitarbeitern oder Patienten.

UKSH-Chef Scholz hatte am Vortag die Kritik von Verdi zurückgewiesen. Der Personalschlüssel sei hier besser als im Bundesdurchschnitt.

Zweifel an der Einhaltung der Hygiene-Vorschriften im UKSH äußerte erneut Prof. Klaus-Dieter Zastrow, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene und Vorsitzender des Berufsverbandes Deutscher Hygieniker. „Der Keim muss durch Ärzte oder Pflegepersonal weitergetragen worden sein. In solchen Fällen wurden immer Hygieneregeln missachtet. Das geht gar nicht anders“, sagte Zastrow der „Berliner Morgenpost“ (Dienstag). Zastrow kritisierte auch die zu knappe Personaldecke auf Intensivstationen.