Sabine und Stefan Küpper hatten Todesangst. Ihre Maschine war auf dem Weg zur Trauminsel Dharavandhoo. Dann drehte der Pilot plötzlich um – und die Stewardess öffnete eine Tür.

Escheburg. Die Ankunft am Ziel ihres Traumurlaubs war zum Greifen nah. Nach mehr als zehnstündiger Reise hatten Sabine und Stefan Küpper es sich an Bord des Flugs 649 der maledivischen Fluglinie Flyme bequem gemacht. Knapp 20 Minuten sollte der Flug auf die Urlaubsinsel Dharavandhoo dauern, von dort war es nur noch eine kurze Überfahrt mit dem Speedboot zu ihrem Hotel. 20 Jahre hatte das Ehepaar aus Escheburg bei Geesthacht von dem Ferienparadies im Indischen Ozean geträumt.

Doch aus der Traumreise wurde ein Horrortrip. „Ich habe noch nie solche Todesängste ausgestanden“, sagt Sabine Küpper. Seit ein paar Tagen sind sie und ihr Mann wieder zu Hause, aber der Schreck der Nacht des 22. November sitzt tief. Schon kurz nach dem Abflug aus der Malediven-Hauptstadt Malé kurz nach 23 Uhr hatte das Ehepaar gemerkt, dass etwas nicht stimmte.

Statt die elf Passagiere der Propellermaschine mit Getränken zu versorgen, habe die Stewardess zwanzig Minuten lang bei offener Cockpit-Tür mit dem Piloten gesprochen. Kurz darauf kam die Durchsage, dass die Maschine wegen eines Problems zurückfliegen müsse.

„Dann gab es einen lauten Knall“, sagt die 46-Jährige. Ohne Ankündigung hatte die Stewardess die hintere Flugzeugtür geöffnet, danach war sie weinend auf ihrem Sitz zusammengebrochen. „Es war schrecklich, wir wussten überhaupt nicht, was los ist“, sagt Sabine Küpper und ihre Stimme zittert auch knapp zwei Wochen nach den traumatischen Stunden immer noch. Gab es technische Probleme? Würden sie über dem Ozean abstürzen und alle sterben? Die Gedanken überschlugen sich. „Man hat ja schon so viel gehört und gelesen“, sagt die Mutter von zwei erwachsenen Kindern.

Zwanzig Minuten fühlten sich an wie Stunden

Gut zwanzig Minuten dauerte der Horrorflug zurück. Gefühlt waren es Stunden. Schließlich setzte die Maschine mit der Flugnummer 649 in Malé auf. „Es war eine sehr ruppige Landung, aber ich war unendlich froh“, sagt die Escheburgerin.

Doch damit war das Grauen noch nicht beendet. Der Pilot, ein Schweizer, habe ihnen auf ihr Drängen schließlich mitgeteilt, dass möglicherweise eine Bombe an Bord sei. Nach dem Start war ein Erpresserbrief gefunden worden, in dem die Freilassung von Gefangenen gefordert wurde. Die Erpresser drohten, die Bombe zu zünden, sollte die Maschine am Zielflughafen in Baa auf Dharavandhoo landen.

„Trotzdem mussten wir weitere 40 Minuten auf dem Rollfeld an Bord bleiben. Immer mit dem Gefühl, gleich könnte die Maschine explodieren“, erinnert sich Sabine Küpper. Feuerwehr und Polizei kamen an Bord, durchsuchten das Flugzeug. Erst danach durften die Passagiere ihre Sitze verlassen.

Passagiere werden durchsucht, Fingerabdrücke genommen

Wie ernst die Behörden in dem muslimischen Inselstaat die Drohungen nahmen, zeigen die Stunden danach. “Wir durften nichts mitnehmen, wurden durchsucht wie Schwerverbrecher.“ Auch Fingerabdrücke wurden von allen genommen. Viereinhalb Stunden warteten die Küppers und ihre Mitreisenden am leeren Terminal, ausgestattet nur mit gelben Transitkarten. Sabine Küppers hatte nur ihr Mobiltelefon dabei, konnte die Situation so dokumentieren. Offenbar habe die Polizei einen Einheimischen verdächtigt, der mit im Flugzeug saß, sagt sie.

Offizielle Informationen gab es nicht. Nach fast sieben Stunden Angst durften Sabine und Stefan Küpper sich am Morgen danach gegen 5.30 Uhr endlich in einem Hotel am Flughafen etwas ausruhen. Danach wurden sie erneut von der Polizei befragt. „Aber wir wissen bis heute nicht, was genau los war“, sagen sie.

Schreckensbilder der Nacht lassen sich nicht verdrängen

Die Tochter des Ehepaars, das ein kleines Sanierungsunternehmen in Geesthacht betreibt, hatte sich über das Internet englischsprache maledivische Zeitungen besorgt. „Dadurch haben wir erfahren, dass wohl keine Bombe an Bord gefunden wurde“, sagt Sabine Küpper. An dem Schrecken ändert das nichts. Die Küppers sind schließlich mit fast einem Tag Verspätung in ihrem Hotel gelandet. „Wir haben dann nur noch versucht, das alles zu vergessen.“ Aber beim Rückflug nach Deutschland waren die Bilder der Nacht wieder da - und die Todesangst. „Vor der Reise habe ich mir keine Gedanken darüber gemacht, dass mich islamistische Terrordrohungen so direkt betreffen könnten“, sagt die Unternehmerin. „Aber es ist viel näher als man denkt.“