Rock’n’Rail„: Peter Maffay steigt in Kiel in einen Intercity, fährt bis in den Süden Deutschlands und macht Live-Musik. Zwischendurch verteidigt der Altrocker das aktuelle Band-Aid-Projekt gegen Kritik.
Kiel/Hamburg. Rhythmisches Klatschen und Gejohle im Zug-Waggon. Manche Fans halten ihre Handys in die Luft, um einen Schnappschuss ihres Idols Peter Maffay zu machen. „Schönen Tag zusammen, geht gleich los“, sagt der Rockmusiker, der am Donnerstag in einem Intercity der Bahn quer durch Deutschland, von Kiel bis Nürnberg, Live-Musik spielte.
Während der Zug hinter Hamburg schnell Fahrt aufnimmt bis zu Tempo 200 und durch die dezembergraue Lüneberger Heide rast, spielen Maffay & Band in einem zur Konzertbühne umgebauten Wagen mit Mini-Bühne flotten Rock wie den Song „Gelobtes Land“. Die Fans sind begeistert, manche trinken Kaffee aus Pappbechern andere Wodka-Lemon oder Hugo-Rosé. Wer eines der wenigen Tickets ergattert hat, fühlt sich fast wie im siebten Himmel.
Auf der Facebook-Seite hatten sich Tausende beworben, eine große Boulevardzeitung ermöglichte einigen Fans ebenfalls ganz nah zu sein. Was macht das Phänomen Maffay aus? Vor 50 Jahren gründete der einst aus Rumänien nach Deutschland gekommen Musiker seine erste Band, häutete sich später vom soften Schlagerbarden („Du“, „Und es war Sommer“) zum Rockmusiker – wie mit einem aktuellen Album „Wenn das so ist“. Die Bilanz der vergangenen Jahrzehnte: Mehr als 50 Millionen verkaufte Tonträger und 16 Nummer 1-Alben, heißt es bei seiner Agentur.
„Peter ist ein Mensch geblieben, ich finde es toll, dass sich für Kinder engagiert – und seine Lieder, seine Texte sind einfach großes Kino“, sagt Jonny (56). Der gebürtige Ost-Berliner, der seit langem in Hamburg lebt, ist seit DDR-Zeiten Maffay-Fan. „Damals wurden bis zu 3000 DDR-Mark für eine Konzertkarte gezahlt“, erinnert sich der kräftige Mann. Aus einer Jackentasche kramt er das erste Album „Steppenwolf“, „Peter hat mir das heute im Zug signiert“. „Für mich ist das heute mein Weihnachtsgeschenk.“
Kurz vor Bremen legt Maffay die Gitarre aus der Hand und kommt in den nächsten Waggon, einen Großraumwagen, zum Interview. „Macht einfach Spaß“, nennt Maffay als Motivation. Ob er nicht auch seine nächsten Tourneen promoten wolle? „Wir wollen die Zeit bis dahin auch ein bisschen überbrücken“, sagt er fast augenzwinkernd. Auf die Kontroverse um den aktuellen Wohltätigkeits-Song „Do They Know It’s Christmas?“ deutscher Musikstars – vor allem zu Gunsten der von Ebola-Opfern in Afrika – reagiert Maffay cool: „Ist ’ne Nr 1, ist das als Antwort ausreichend?“
Song-Initiator Bob Geldof habe gesagt, „man muss das Lied nicht mögen, sondern es kaufen“. Entscheidend sei, so Maffay, dass viel Geld reinkomme. Kritiker hatten Effekthascherei moniert, weil Afrika als ganzer Kontinent auf dem Plattencover zu sehen, obwohl nur wenige Länder von Ebola betroffen sei. Außerdem werde in einem Song-Video ein Ebola-Opfer gezeigt.
Einige Sekunden überlegt Maffay, ehe er auf die Frage antwortet, ob ihm der in diesem Jahr verliehene Echo für soziales Engagement mehr bedeute als seine zahlreichen Nr.1-Alben. „Die soziale Hilfe kommt anderen zu Gute, das beste Album kommt einem selber zu Gute, aber man kann diesen Erfolg dann wiederum effektiv einsetzen.“
Der Sänger hat eine eigene Stiftung, hilft in mehreren Länder vor allem traumatisierten und benachteiligten Kindern – „jedes Jahr sind es etwa 1200 Kids“, sagt Maffay nicht ohne Stolz. Bevor die nächste Musiksession losgeht, will ein Journalist wissen, ob Maffay überhaupt noch Lust hat aufs Musikmachen. „Du kannst Spannung nicht vortäuschen, die Leute sind nicht so doof, die merken das.“
Wie er sich fit hält mit 65 auf Tournee? „Ich spiele auf der Bühne, das ist eigentlich ein Fitnesstraining“, sagt er lachend. Und er habe junge Musiker an der Seite, „da muss ich mithalten“. Die Frage, die Maffay in diesem Jahr unzählige Male gehört hat – wann er denn in Rente gehe – wirkt wie Zitronensaft: „Ein Rock’n’Roller? - Fremdwort! Ich mach weiter, solange es Spaß macht.“