Die neue ARD-Krimireihe „Nord bei Nordwest“ ist ein gewieftes Spiel mit dem Genre, angesiedelt auf der Ostsee-Halbinsel Priwall. Hinnerk Schönemann überzeugt als maulfaules Ermittler-Nordlicht.
Berlin/Travemünde. Eine Fähre im Hafen von Travemünde, plattes Land, eine Kirche, eine ländliche Polizeistation. Dann nur zwei Worte: „Moin!“ und „Moin!“. Schweigen. Schließlich wünscht der alte Fischer, der einem jüngeren Mann eben seinen Kutter verkauft hat: „Allzeit gute Fahrt – und immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel!“.
Den frommen Wunsch kann der ehemalige Großstadt-Polizist Hauke Peters (Hinnerk Schönemann) gut gebrauchen. Schließlich hat er sich aus Frust hoch in den Norden zurückgezogen, auf die Ostsee-Halbinsel Priwall in der Nähe von Lübeck. Künftig will er als Tierarzt arbeiten. „Wenn man was nicht mag, dann ist einem weniger davon lieber“, erklärt er der tatkräftigen Dorfpolizistin Lona Vogt (Henny Reents) seine Beziehung zu Menschen. Doch schon bald bekommt er es mit mehr als nur mit zwei toten Fischern zu tun.
Man merkt der neuen, zweimal jährlich eingeplanten ARD-Krimireihe „Nord bei Nordwest“ gleich zu Beginn ihres ersten Films „Käpt'n Hook“ (Donnerstag, 6. November, 20.15 Uhr) an, dass sie mehr bieten will als simple Genre-Episoden. Autor und Grimme-Preisträger Holger Karsten Schmidt sowie Regisseur Marc Brummund setzen auch auf norddeutsches Lebensgefühl, auf Spröde, und trockenen Humor. Dazu variieren beide mit Witz das Motiv des melancholischen Ermittlers.
Sehr unterhaltsam und oft amüsant
Denn dieser Peters will zwar seine Großstadt-Vergangenheit hinter sich lassen und mit Hund auf dem Boot leben. Doch er hat, und da legt Fall eins schon mal eine Spur, die Rechnung ohne zwei attraktive Provinz-Rothaarige gemacht – Lona und die Quasselstrippe Jule (Marleen Lohse). Die Damen überreden ihn, in seinem Zweitberuf als Tierarzt die Praxis des Mannes zu übernehmen, der sich gerade vor seinen Augen mit dem Auto umgebracht hat. Vielleicht sind Tiere ja die besseren Menschen!
Das vielfältige, streckenweise schräge Geschehen um „Käpt'n Hook“ (einem sprechenden Papagei) gerät sehr unterhaltsam und oft amüsant. Gegen Ende nimmt der Krimi einen ziemlich brutalen Verlauf. Aspekte wie Plutonium-Schmuggel und Frauenhandel tauchen in der immer böser werdenden Geschichte auf. Auf einem abgelegenen Gehöft kommt es zur Schießerei in Wildwest-Manier.
In dem ganzen, auch erotisch nuancenreich flirrenden Umfeld kann Hauke Peters nicht aus seiner Bullen-Haut: Häufig gibt der einstige Hamburger Polizist der Landpflanze Lona, die nur einmal bis nach Dänemark gekommen ist, verhaltene Wegweisungen zur Klärung des Falls.
Ein ansehnliches Darstellerensemble
Die Produktion der Aspekt Telefilm im Auftrag der ARD-Tochter Degeto und des Norddeutschen Rundfunks (NDR) wäre aber nur halb so gelungen, wenn man ihr ansehnliches Darstellerensemble nicht so stimmig besetzt hätte. Allen voran Schönemann (39) – eigens für ihn wurde seine Rolle entwickelt. Gewieft bringt der geborene Rostocker („Mörder auf Amrum“, 2009 ebenfalls nach dem Buch von Schmidt gedreht) dann auch sein Talent als maulfaules Nordlicht ins Spiel. Im echten Alltag soll sich der Schauspieler Texte schlecht merken können – und schon allein deshalb im Fernsehen gern mal mit nicht zu Ende gesprochenen Sätzen glänzen, wie Autor Schmidt in einem ARD-Interview verriet.