In Schleswig-Holstein sind zahlreiche Grundschulen auf dem Land von der Schließung bedroht. Denn in den Dörfern sinken die Schülerzahlen. Dort wächst der Unmut gegen die Bildungspolitik.

Schafstedt/Kiel. An drei Grundschulen in Schleswig-Holstein bleiben die Türen nach den Sommerferien geschlossen. Für immer. Betroffen sind Schafstedt (Kreis Dithmarschen), Morsum auf Sylt und Petersdorf auf Fehmarn. In Morsum wurde bereits Anfang des Jahres das Aus verkündet, in Schafstedt hatten Schüler, Eltern und andere Interessenvertreter bis zum Schluss gehofft, dass es weitergeht.

Irgendwie. Konzepte wurden erarbeitet, nachgebessert. Gespräche mit Offiziellen gesucht, Hoffnungen gemacht. Doch am Ende hat nichts genützt. Drei Tage vor Ferienbeginn hieß es: Auch die Grundschule in Schafstedt schließt.

Sandra Neukamm vom Netzwerk der Dorfschulen in Schleswig-Holstein ist immer noch erbost, wenn sie vom Fall Schafstedt erzählt. Das pädagogische Konzept sei gut gewesen und auf Bitten des Ministeriums sogar kurzfristig nachgebessert worden, sagt sie. Der Schulträger – also die Gemeinde – hätte finanziell erheblich zum Erhalt des Standortes beitragen wollen.

„Exemplarischer Fall“

Genutzt hat es alles nichts. „Schafstedt ist ein dramatischer, aber leider exemplarischer Vorfall für die Vorgehensweise wie die Bildungslandschaft in Schleswig-Holstein mit der Axt umstrukturiert wird“, heißt es in einem offenen Brief des Netzwerkes, der unter anderem an Bildungsministerin Waltraud Wende (parteilos) adressiert ist.

Wendes Sprecher, Thomas Schunck, hält dagegen, er könne die Emotionen der Eltern verstehen, die sich stark engagiert hätten. „Es muss aber auch bedacht werden, dass es immer und über lange Zeit den Dialog gab und die Eltern über die Entwicklungen immer informiert waren.“ Das Ministerium sei zu dem Schluss gekommen, dass das Konzept nicht tragfähig gewesen sei und die Schulleitung den Standort daher schließen dürfe.

Seine Eigenständigkeit hatte Schafstedt wie auch die Schulen in Petersdorf und Morsum schon vor einiger Zeit verloren; sie waren Außenstellen anderer Grundschulen. Der Grund: Die Mindestgröße für diese Schulform beträgt in Schleswig-Holstein 80 Schüler. Im Schuljahr 2013/14 gab es laut Ministerium insgesamt 71 Grundschulaußenstellen. Vor zehn Jahren gab es kaum eine.

48 Grundschulen gefährdet

48 Grundschulen rückten im abgelaufenen Schuljahr gefährlich nah an die Schwelle, ebenfalls die Eigenständigkeit zu verlieren, sie beschulten nur zwischen 80 und 100 Kindern. „Vor dem Hintergrund der Bevölkerungsentwicklung werden in den nächsten Jahren absehbar einige dieser Schulen unter die Mindestgröße sinken“, sagt Schunck.

Generell wolle das Ministerium im ländlichen Raum ein leistungsfähiges und gut erreichbares Angebot an Grundschulen erhalten, versicherte Schunck. Allerdings müssten verschiedene Aspekte miteinander abgewogen werden. Will heißen: Auf der einen Seite sollen den Kindern keine langen Fahrwege zugemutet werden, auf der anderen muss aber auch gewährleistet sein, dass die Schüler genügend Unterricht bekommen.

Rein rechnerisch richtet sich der (begrenzte) Bestand an Lehrerplanstellen an der Schülerzahl und einer Lerngruppengröße von 22 Schülern aus. Wenn an einer Zwergenschule zwei Lehrer unterrichten und einer ausfällt, ist es schwierig mit dem Unterricht.

Gemeinden wollen Schulen im Dorf lassen

Bei den Gemeinden ist der Wille da, ihre Schule im Dorf zu lassen. Es gebe bereits viel weniger Grundschulen als vor Jahren, „das, was wir jetzt haben, sollte erhalten bleiben“, sagt der Geschäftsführer des schleswig-holsteinischen Gemeindetages, Jörg Bülow. Gerade für die Kleinsten könnten Zwergenschulen durchaus sinnvoll sein. Auch wirtschaftlich rechne sich eine kleine Schule in einigen Fällen durchaus. Zudem sei die Dorfschule vielerorts ein „kultureller Kristallisationspunkt“, sagt Bülow. Hier treffen sich Menschen, tauschen sich aus, die Schulräume werden für Veranstaltungen und Vorträge genutzt.

Eine offizielle Schwelle, welche Schülerzahl eine Außenstelle mindestens haben muss, gibt es nicht. Allerdings sei es bei weniger als 40, 44 Schülern schwieriger, ein funktionierendes pädagogisches Konzept zu erstellen, sagt Schunck. Auch wenn dies in einigen Fällen funktionieren könne. Im abgelaufenen Schuljahr gab es zwölf Außenstellen im Land, in denen 40 oder weniger Kinder beschult wurden. Nicht alle müssen ihre Pforten nun schließen. „Als ein wesentlicher Gelingensfaktor hierfür ist das gute Zusammenwirken aller Beteiligten vor Ort zu nennen“, sagt der Ministeriumssprecher.

Die Gründe, warum eine Schule geschlossen werden muss, sind vielfältig, eine Patentlösung für den Erhalt gibt es nicht. Manche Kommunen können es sich nicht leisten, pädagogische Assistenten zu bezahlen, die Lehrer entlasten. Anderswo fürchtet ein Schulleiter eventuell die Mehrarbeit, die durch die Außenstellen hinzukommt. Manchmal zögern Eltern, ihre Kinder an einer Schule mit sinkenden Schülerzahlen anzumelden. Dann wird es schwierig für einen Standort. Das sieht auch Neukamm so. „Wir behaupten nicht, man kann jede Schule erhalten“, sagt sie. Aber es solle wenigstens versucht werden.