Der Kieler Innenminister Andreas Breitner will den kommunalen Finanzausgleich reformieren: Wie werden 1,4 Milliarden Euro gerecht verteilt?
Kiel. Am kommenden Freitag ist es wieder so weit: In ganz Schleswig-Holstein werden sich Bürgermeister und Kommunalpolitiker über eine Tabelle beugen. Der Absender, das Innenministerium, war bislang nicht unbedingt als Quell elektrisierender Nachrichten bekannt. Aber mit der FAG-Reform ist das anders, denn es geht um rund 1,4 Milliarden Euro, die das Land in diesem Jahr auf die Kreise und Kommunen verteilt. Wie das geschieht, wer also wie viel Geld bekommt, regelt das Finanzausgleichsgesetz (FAG). Und diesen Geldverteilmechanismus will Innenminister Andreas Breitner (SPD) ändern. Am Freitag wird er seinen dritten Versuch präsentieren.
Versuch Nummer eins und zwei sind damit Makulatur. Im September hatte Breitner die erste Tabelle vorgelegt, gestützt auf ein 120-seitiges Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung (NIW) und garniert mit der mutigen Ansage: „Wer das Gutachten kritisiert, muss nachweisen, dass es Systemfehler enthält.“
Dieser Nachweis gelang dann relativ mühelos. Die Gutachter hatten eine falsche statistische Grundlage verwendet. Ergebnis war, dass die kleinen Gemeinden im Vergleich zum geltenden FAG erheblich besser abschnitten als erwartet und plötzlich mehr Geld bekommen sollten. In Großhansdorf (Kreis Stormarn) freute man sich beispielsweise über ein Plus von 71.473Euro. In dem Ort leben viele Wohlhabende. Die Gemeinde ist nahezu schuldenfrei, seit Jahren sichern vor allem die hohen Einnahmen aus der Einkommenssteuer die Finanzen. Mehr Geld für die Reichen? Das konnte nicht Breitners Ziel gewesen sein. Der Finanzausgleich soll ja dafür sorgen, dass die Lebensbedingungen überall im Land einigermaßen gleich sind. Daher müssen mit ihm die finanzschwachen Kommunen gestärkt werden.
Im November legte der Minister einen korrigierten Gesetzentwurf mit der Tabelle Nummer zwei vor. Ergebnis: Die Gemeinden bekamen mehr Geld, allerdings nicht so viel wie bei der ersten Variante. Die Kreise verloren insgesamt 72 Millionen Euro. Klare Gewinner waren die vier kreisfreien Städte Flensburg, Neumünster, Kiel und Lübeck. Sie konnten sich über ein Plus von 38,6 Millionen Euro freuen. Und was geschah in Großhansdorf? Das Plus von 71.473 Euro war futsch, stattdessen gab es nun ein Minus von 540 Euro.
Aber auch das war noch nicht der Weisheit letzter Schluss. Die Kreise protestierten, viele Gemeinden ebenfalls. Breitner warb in ganz Schleswig-Holstein für seine Reform. Ohne Erfolg. Das Ziel, im Dezember einen vom Kabinett gebilligten Gesetzentwurf vorzulegen, verfehlte er. Zu Weihnachten meldete sich Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) zu Wort. Er klang etwas genervt. „Es muss uns gelingen, den Nachweis der Transparenz zu erbringen“, sagte er den „Kieler Nachrichten“. „Da hat mein Innenminister noch viel zu tun. Ich kann nicht ein in den Augen der Kommunen intransparentes altes System durch ein intransparentes neues System ersetzen – nur um den größeren Städten mehr Geld zu geben.“
Mit „Ausführungsanweisungen“ hält man das Gesetz notdürftig am Leben, mittlerweile liegt die 43. Anweisung vor. Selbst Experten haben Mühe, die Wirkweise dieses Monstrums zu erklären. Claus Asmussen, Senatsmitglied des Landesrechnungshofs und dort seit vielen Jahren für Kommunalfinanzen zuständig, sagt: „Wenn Sie an einer Stellschraube drehen, haben Sie möglicherweise an einer ganz anderen Stelle Folgen, mit denen Sie nicht gerechnet haben.“
Jörg Bülow, Geschäftsführer des Gemeindetags in Schleswig-Holstein, hat für dieses Phänomen ein Beispiel parat. Darin geht es um die KdU-Umlage: um die Kosten für die Unterkunft von Hartz-IV-Empfängern. Diese Umlage zahlt derzeit jede Gemeinde an den jeweiligen Kreis. „Das Innenministerium will die KdU-Umlage abschaffen. Die Kreise sollen die Kosten allein tragen und erhalten dafür einen Ausgleich über das FAG“, sagt Bülow. „Diese Neuregelung führt absurderweise dazu, dass die kreisfreien Städte, die mit dieser ganzen Transaktion gar nichts zu tun haben, fünf Millionen Euro mehr bekommen.“
Ob diese offenbar unkalkulierbaren FAG-Mechanismen überhaupt in den Griff zu bekommen sind, wird sich zeigen. Die schärfsten Gegner der Reform, die Kreise, haben sich schon mal positioniert. Rolf-Oliver Schwemer, Landrat des Kreises Rendsburg-Eckernförde, hat ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Ergebnis: Die Reform gegen das Verfassungsrecht verstoße gegen das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen. Schwemers Gutachten ist eine kaum verhüllte Klagedrohung.
Thomas Giebeler, der Sprecher des Innenministeriums, hält dagegen: „Wir werden einen Entwurf vorlegen, von dem wir überzeugt sind, dass er verfassungsgemäß ist.“ Beim FAG habe es eine Gesetzgebungsarbeit „fast wie aus dem Schulbuch“ gegeben. „Der Minister hat 50 Kommunalbesuche gemacht, es ist so intensiv beraten und diskutiert worden wie bei kaum einem anderen Gesetz“, sagt der Sprecher. Am Freitag wird Andreas Breitner den dritten Entwurf, die dritte „Glücksformel“, präsentieren. Auch in Großhansdorf wird man sich dann wieder über die Tabelle beugen. Nummer eins brachte Gewinn. Nummer zwei einen kleinen Verlust. Was bringt Nummer drei?