Das Aus für eine stationäre Geburtshilfe auf Sylt scheint besiegelt. Das Gesundheitsministerium sieht momentan keine realistische Lösung. Doch Inselbewohner und Landespolitiker wollen das nicht akzeptieren. Die Bürgermeisterin trägt ihren Unmut ins Landeshaus.

Kiel/Westerland/Sylt. Das Fehlen einer stationären Geburtshilfe auf Sylt seit Jahresbeginn erhitzt weiter die Gemüter von Inselbewohnern und Politikern. Ein neues Modell zeichnet sich nach Darstellung des Gesundheitsministeriums in Kiel nicht ab. „So frustrierend es ist, sehe ich zurzeit keinen Lichtstreif am Horizont“, sagte Staatssekretärin Anette Langner am Donnerstag vor dem Sozialausschuss des Landtages. Keine der untersuchten Varianten ermögliche eine verantwortbare Lösung. Das Ministerium sei aber für neue Ideen offen. „Es gibt ein gutes Notfallsystem“, versicherte die Staatssekretärin.

Die Entbindungsstation in der Westerländer Nordseeklinik wurde am 31. Dezember geschlossen. Schwangere sollen zwei Wochen vor dem Geburtstermin auf das Festland wechseln. In Flensburg zum Beispiel steht ihnen in unmittelbarer Nähe des Diako-Krankenhauses ein Boarding-Haus zur Verfügung.

Vor dem Ausschuss machte Bürgermeisterin Petra Reiber ihrem Unmut Luft. Sie war mit etwa 20 Syltern ins Landeshaus gekommen. Mit dabei waren – fast passend zum Thema – auch drei kleine Kinder, die teils lautstark zwischen den Füßen der Besucher umherkrabbelten. Die Sylter nähmen es nicht hin, dass es auf der Insel keine Geburtshilfe mehr gibt, sagte Reiber. „Mein Eindruck ist, salopp gesagt, dass man hier die Flinte zu früh ins Korn wirft.“

Die Bürgermeisterin nannte das Fehlen einer Geburtshilfe einen Standortnachteil. Dies könne junge Familien davon abhalten, auf die Insel zu ziehen. Dort dürfen 2850 Wohnungen gebaut werden, um die große Wohnungsnot zu lindern. „Sie reden hier von demografischem Wandel – ich sage: Das ist der Einstieg zum demografischen Untergang auf Sylt“, sagte Reiber zum Fehlen einer Geburtshilfe. „Denn dann werden wir irgendwann nur noch Rentner und Zweitwohnungsbesitzer haben auf Sylt.“ Eine Geburtshilfe, die Mindestanforderungen erfüllt, sei besser als gar keine.

Das Zusammentreffen einer sehr geringen Geburtenzahl – 80 bis 100 im Jahr – mit Fachkräfte- und Qualitätsmängeln nannte die Staatssekretärin als Ursache dafür, dass bisher keine Lösung gefunden werden konnte. Die Situation sei natürlich eine Zumutung. Beim Thema Qualität gehe es nicht um die fachliche Qualifikation einzelner, sagte Langner. Zu erfüllen sind vorgegebene Mindestanforderungen an „prozessuale, strukturelle und organisatorische Voraussetzungen“. Da geht es zum Beispiel um die Frage, wie viele Ärzte verfügbar sind und wie lange ein Arzt braucht, um an Ort und Stelle zu sein. Binnen zwei Jahren hatte es in der Sylter Geburtshilfe zwei Todesfälle gegeben.

Wenn es um Geld ginge, wäre das Problem der Geburtshilfe-Station viel leichter zu lösen, sagte Langner. Aus Sicht des Ministeriums bräuchte eine hauptamtliche Station mindestens fünf Gynäkologen. Diese zu gewinnen, sei unrealistisch, und selbst wenn es gelänge, wäre dies wegen der niedrigen Geburtenzahl medizinisch nicht vertretbar: Bei geringen Fallzahlen mangele es an Möglichkeiten für routinierte Abläufe in der erforderlichen Qualität.

Die FDP-Abgeordnete Anita Klahn äußerte den Verdacht, der Betreiber Asklepios könnte seine Geburtshilfe im Norden aus wirtschaftlichen Gründen in Hamburg zentralisieren wollen. Andreas Tietze von den Grünen nannte die Privatisierung und Ökonomisierung im Gesundheitswesen den falschen Weg. Fraktionskollegin Marret Bohn forderte die Regierung auf, Asklepios nicht aus der Verantwortung zu entlassen.

„Ich habe kein Verständnis für die Resignation der Landesregierung“, sagte Katja Rathje-Hoffmann von der CDU nach den zweistündigen Ausschuss-Beratungen. Das Notfallkonzept sei begrüßenswert, ersetze aber keine funktionierende Geburtshilfe. Die Landesregierung muss nach CDU-Ansicht die Gespräche wieder aufnehmen und alle Beteiligten an einen Tisch holen.

Für die SPD-Fraktion kann eine qualitativ gute Geburtshilfe auf den Inseln nur gesichert werden, wenn alle Beteiligten aktiv an einer Gesamtlösung arbeiten. „Die Zweifel an dem Willen von Asklepios bleiben – und der Zorn darüber auch.“ Der Konzern habe nicht transparent und konkret vermittelt, warum erkannte, aber nicht benannte Qualitätsmängel nicht abgestellt werden können.