Bundespräsident Gauck und Sigmar Gabriel kamen zum hundertjährigen Geburtstag des Altkanzlers nach Lübeck. Auch seine Familie und internationale Prominenz war dabei.

Lübeck. Mit einem Festakt haben am Mittwoch in Lübeck Politiker aus dem In- und Ausland an den 100. Geburtstag von Willy Brandt (1913-1992) erinnert. Auch mehr als 20 Jahre nach seinem Tod sei Brandt noch immer gegenwärtig, sagte Bundespräsident Joachim Gauck. Er verkörpere Werte wie Freiheitsliebe und Streben nach Frieden und Gerechtigkeit und habe mehr als 20 Jahre nach Kriegsende dem Ausland das Vertrauen in Deutschland zurückgegeben, sagte Gauck vor rund 1500 Gästen in der Musik- und Kongresshalle.

Brandt habe immer furchtlos, geschickt und pragmatisch nach Wegen gesucht, wo andere nur Mauern gesehen hätten, sagte Gauck. Deshalb sei es der gerechte Dank der Geschichte gewesen, dass Brandt den Fall der Mauer noch miterlebt habe. „Der Wunsch, es möge zusammenwachsen, was zusammengehört, war die große Sehnsucht seines Politikerlebens“, sagte der Bundespräsident.

Sein österreichischer Amtskollege Heinz Fischer würdigte Brandt als Politiker, der kaum jemanden kalt gelassen habe. „Er hatte gute Freunde, begeisterte Anhänger und erbitterte Gegner. Aber die Geschichte hat zu seinen Gunsten entschieden. Heute weiß man, das Willy Brandt ein Glück für Deutschland und Europa war“, sagte Fischer. Zum Abschied überreichte der Kuratoriumsvorsitzende der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung, Wolfgang Thierse, ihm eine Fotografie des Fotografen Konrad Rufus Müller. Sie zeigt Brandt und den österreichischen Bundeskanzler Bruno Kreisky (1911-1990). Die beiden Männer hatten sich im skandinavischen Exil kennengelernt, daraus hatte sich eine lebenslange Freundschaft entwickelt.

Zuvor hatte Thierse seine ganz persönlichen Erinnerungen an Willy Brandt geschildert. „Als er mich, den Vorsitzende der Ost-SPD, beim Vereinigungsparteitag der SPD 1990 in Berlin mit Tränen in den Augen umarmte – das war für mich der Höhepunkt meines politischen Lebens“, sagte Thierse. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) würdigte den Friedensnobelpreisträger und ehemaligen Bundeskanzler als einen der charismatischsten und einflussreichsten Politiker der deutschen Nachkriegsgeschichte. „Er war ein Politiker mit großem Verantwortungsbewusstsein und mit großen Weitblick“, sagte Albig. Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe nannte ihn einen Jahrhundertpolitiker. „Die Stadt Lübeck kann stolz darauf sein, dass er aus ihren Mauern stammt“, sagte er.

Unter den Gästen des Festaktes waren unter anderem der Kinder und Enkel Brandts, seine Witwe Brigitte Seebacher, SPD-Chef Sigmar Gabriel, der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Frank-Walter Steinmeier, der Vorsitzende der Nord-SPD Ralf Stegner und die ehemaligen Ministerpräsidenten Björn Engholm und Kurt Beck. Abgesagt hatten dagegen politische Weggefährten wie Hans-Dietrich Genscher und Egon Bahr. Auch der frühere norwegische Außen- und Verteidigungsminister Thorvald Stoltenberg ließ sich wegen Krankheit entschuldigen. An seiner Stelle überbrachte der ehemalige Verteidigungsminister Jonas Gahr Støre die Grüße der Norwegisch-Deutschen Willy-Brandt Stiftung. „Wir Norweger feiern Brandt in diesem Jahr gleich zwei Mal. Neben seinem hundertsten Geburtstag haben wir im April den 80. Jahrestag seiner Ankunft in Norwegen gefeiert“ sagte er. Brandt hatte von 1933 bis 1940 im norwegischen Exil verbracht.

Willy Brandt wurde am 18. Dezember 1913 als Herbert Frahm in Lübeck geboren. Er wurde 1969 zum ersten sozialdemokratischen Bundeskanzler nach 1945 gewählt. Für seine Friedens- und Entspannungspolitik erhielt er 1971 den Friedensnobelpreis, 1972 wurde ihm die Ehrenbürgerwürde der Hansestadt Lübeck verliehen. Brandt starb 1992 in Unkel bei Bonn.