Gut ein Drittel von Schleswig-Holsteins Gymnasiasten kommt problemlos mit dem Schulalltag klar. Zwei Drittel gaben in einer Umfrage dagegen an, unter gesundheitlichen Folgen zu leisten. Viele Schüler fühlen sich in gleich mehreren Fächern überfordert.

Kiel. Etwa zwei Drittel aller Gymnasiasten in Schleswig-Holstein klagen über negative Auswirkungen des Schulalltags auf ihr Wohlbefinden. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Donnerstag vorgestellte Umfrage des Landeselternbeirats und der Landesschülervertretung der Gymnasien unter 2442 Schülern an 16 Schulen im Land. Dabei gaben nur 33,6 Prozent der befragten G9-Schüler an, keine Beschwerden zu haben. Bei den G8-Schülern waren es sogar nur 27,5 Prozent.

Am häufigsten wurden in beiden Schularten Kopfschmerzen genannt. Darunter leiden 44,9 Prozent der G8- und 42,5 Prozent der G9-Schüler. Danach folgten Schlafbeschwerden mit einem Anteil von 38,3 Prozent (G8) und 29,6 Prozent (G9). Über leichte psychische Probleme klagten jeweils rund neun Prozent. Etwa je sieben Prozent berichteten von Essstörungen.

Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Waltraud Wende (parteilos) sagte dazu: „Schule muss mehr auch sozialer Lebensraum sein.“ Permanenter Leistungsdruck und Wettbewerb machten krank. Wenn eine Gesellschaft und ihre Institutionen in erster Linie vom Leistungs- und Wettbewerbsgedanken geprägt seien, laufe etwas schief.

Der Vorsitzende des Landeselternbeirats der Gymnasien, Thomas Hillemann, forderte eine Anpassung des Lernstoffs in noch mehr Fächern als bislang auf die verkürzte Schulzeit beim Turbo-Abitur. „Man kann ganze Stoffinhalte herausnehmen.“ Als Beispiel nannte er das römische Zahlensystem. Die Anforderungen für die einzelnen Fächer seien im Norden erst sehr spät oder würden derzeit erst noch überarbeitet. „G8 ist unprofessionell eingeführt worden.“

Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass sich die G8-Schüler in größerem Maße in vielen Fächern überfordert fühlen als Schüler, die erst nach 13 Schuljahren das Abitur machen. Mehr als 34 Prozent der G8-Schüler fühlten sich in mindestens sechs Schulfächern überfordert. Zum Vergleich: Unter den G9-Schülern betraf dies nur gut 21 Prozent der Befragten.

Durchschnittlich mehr Zeit verbringen die Turbo-Abiturienten mit Hausaufgaben. Hillemann kam trotzdem zu dem Ergebnis: „Es gibt keine gravierenden Unterschiede zwischen G8 und G9.“ Das Turbo-Abitur sei „besser als sein Ruf und mittlerweile an den Gymnasien angekommen“. Dass G8 die „Quelle alles Bösen ist,lässt sich mit dieser Umfrage verneinen“.

Laut dem Landesschülersprecher der Gymnasien, Lukas Johnsen, ist entscheidend, wie eine Schule den Unterricht ausgestaltet. Bei G8 gebe es zwar eine qualitative Mehrbelastung durch mehr Unterrichtsstunden. Dafür sparten G8-Schüler ein Jahr Schulzeit. Vize-Landesschülersprecher Niklas Heesch betonte, „die Mehrbelastungen in der Oberstufe sind gleich Null“. Größer seien die Belastungen durch den Wegfall eines Schuljahres aber in den Schuljahren vor der Oberstufe.

Laut Bildungsministerin Wende räumt die Umfrage mit Vorurteilen auf. „Schleswig-Holsteins G8-Schüler sind mit ihrem Schulalltag genauso zufrieden oder unzufrieden wie die G9er mit ihrem“, sagte sie. Das Freizeitverhalten der Schüler leide unter der Verkürzung der Schulzeit um ein Jahr weit weniger als oft behauptet. Mit einem Anteil von 60,9 Prozent sind die Turbo-Abiturienten der Studie zufolge häufiger in Sportvereinen aktiv als die G9-Schüler (54,8 Prozent).

Nach Ansicht des bildungspolitischen Sprechers der SPD, Martin Habersaat, werde es nun „allmählich Zeit, die Jagd auf das vermeintliche G8-Gespenst zu beenden“. Die Untersuchung belege, dass der Weg zum Abitur anstrengend sei, egal ob man acht oder neun Jahre am Gymnasium verbringe.