1992 flüchtete Bubakar Maigah aus Niger und beantragte Asyl in Deutschland. Seit 18 Jahren lebt der Westafrikaner in Langeln im Kreis Pinneberg. Seit 18 Jahren will er wieder nach Hause, darf aber nicht aus Deutschland ausreisen, weil er keine Papiere besitzt.
Langeln Wenn Bubakar Maigah lacht, dann erkennt man, dass sein rechter Schneidezahn ein wenig größer ist, als der linke. Bubakar Maigah lacht oft in letzter Zeit. Daher zeigt er häufig den leicht vorstehenden Zahn. Beide Schneidezähne sieht man, wenn Bubakar Maigah von Gertrud und Hans Detlef Reichow spricht. „Sie haben mich eingeladen“, sagt der Westafrikaner. „Ich war bei Gertrud und Hans zu Hause. Und wir haben zusammen gegessen.“ Dann bittet Bubakar Maigah die Besucher in sein vier mal fünf Meter kleines Zimmer. Noch vor wenigen Wochen gab es darin nicht mehr als ein Metallbett mit einer Wolldecke darauf und ein Regal für einen Fernseher.
Zum ersten Mal seit vielen Jahren kann er einem Gast einen Platz in seinen winzigen vier Wänden anbieten
Heute ist das Zimmer mit einem Wohnzimmerschrank, mit Stühlen, Esstisch, Regalen und Teppichen eingerichtet. Das Bett ist frisch bezogen. In den Schrankschubladen liegen gefaltete Hemden. Hinter Glas stapeln sich Konservendosen, Nudel- und Reispakete, pürierte Tomaten, ein Glas Erdnussbutter, eine Sektflasche und ein Sechserpack Zitronenlimonade.
„Die Sachen haben mir viele nette Leute gebracht“, sagt Bubakar Maigah. „Gertrud und Hans haben den Schrank gebracht und aufgebaut.“ Dann nimmt Bubakar Maigah ein blaues Staubtuch und wischt über einen Stuhl. „Setz’ dich“, sagt er – und der rechte Schneidezahn lugt zwischen seinen Lippen hervor. Zum ersten Mal seit Jahren kann er einem Gast einen Platz in seinen winzigen vier Wänden anbieten.
Anfang August hatte das Abendblatt erstmals über den Vergessenen von Langeln berichtet: Bubakar Maigah stammt aus dem westafrikanischen Staat Niger. 1992 flüchtete der heute 63 Jahre alte Mann aus seiner Heimat nach Deutschland, beantragte Asyl beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg und wurde dem Kreis Pinneberg zugeteilt. Das Bundesamt lehnte 1995 des Asylantrag ab. Seit dem ist Bubakar Maigah ausreisepflichtig. Seit dem will er zurück in den Niger. Weil er ohne Papiere nach Deutschland kam, kann er nicht ausreisen. Die nigrische Botschaft verweigert dem Mann die Papiere. Seit 1995 ist Bubakar Maigah in Deutschland geduldet. Seit 1995 muss er regelmäßig bei der Ausländerbehörde des Kreises Pinneberg vorsprechen und erhält dann eine Duldung – mal für vier Wochen, mal für acht Wochen. Arbeiten darf Bubakar Maigah nicht. Sein Status verurteilt ihn zur Untätigkeit in Deutschland.
Der Status erlaubt es ihm auch nicht, den Kreis Pinneberg zu verlassen. Tut er es dennoch und wird - wie es schon vorgekommen ist – von der Polizei in Hamburg aufgegriffen, verstößt er gegen die Duldungsauflagen.
Seit 1995 bewegt sich Bubakar Maigah als Fall durch einen Behördendschungel, der nach Schema F funktioniert. Der Mensch Bubakar Maigah wurde bei all den fehlenden Papieren, Anträgen, Anzeigen, Vorführungen in Botschaften vergessen. Vergessen in Langeln.
Das Ehepaar Reichow aus Uetersen will das ändern. Er habe den Abendblatt-Artikel über Bubakar Maigah an einem Sonntag gelesen, sagt Hans Detlef Reichow. „Dass ein Mensch in Deutschland so behandelt wird, das hat uns vom Hocker gerissen. Wir haben uns ins Auto gesetzt und sind nach Langeln gefahren“, sagt der 72-Jährige. „Wir haben die Namensschilder abgesucht.“ Dann sei Bubakar Maigah an die Tür gekommen. „Wir haben uns vorgestellt und dann haben wir uns umarmt“, erinnert sich Hans Detlef Reichow. Seit dem besuchen die Reichows Bubakar Maigah regelmäßig. „Er ist ein kluger Mann. Es macht uns Spaß, uns mit ihm zu unterhalten und zu diskutieren.“
Die Reichows laden Maigah ebenso regelmäßig zu sich nach Uetersen ein. „Bubakar Maigah nimmt so langsam einen festen Platz in unserer Familie ein.“ Maigah ist inzwischen einverstanden, dass sich ein Rechtsanwalt und seine Belange kümmert. Ludger Fischer, Leiter des Diakonievereins Migration in Pinneberg, will die anwaltliche Hilfe organisieren. Vorrangiges Ziel sei es, dem Mann aus Niger ein menschenwürdiges Leben in Deutschland zu ermöglichen. Geprüft werden müsse, ob Maigah eine humanitäre Aufenthaltsgenehmigung erhalten und ob er einen Staatenlosenpass beantragen könne. „Und es geht darum, Bubakar Maigah das Vertrauen in die Menschen zurückzugeben und ihn in unsere Gesellschaft zu integrieren“, sagt Hans Detlef Reichow. Es sei eine Tragödie, dass Bubakar Maigah so lange keine menschliche Wärme erfahren habe.
Inzwischen hat sich durch das Engagement der Reichows nicht nur die soziale Situation von Bubakar Maigah verbessert, auch finanziell sieht es nicht mehr ganz so düster aus. Bisher erhielt Maigah monatlich 147,31 Euro vom Sozialamt. Von diesem Betrag musste er sein Leben finanzieren. Die Ausländerbehörde des Kreises Pinneberg hatte Maigah – obwohl er regelmäßig schriftlich die nigrische Botschaft um die Ausstellung eines nigrischen Passes bittet – fehlende Mitwirkung beim Nachweis seiner Staatsangehörigkeit bescheinigt.
Damit hatte das Sozialamt Barmstedt eine Kürzung des ihm zustehenden Betrages in Höhe von 354 Euro monatlich gerechtfertigt. Zudem behielt der Kreis Pinneberg laut Sozialamt monatlich 40 Euro ein. Mark Trampe, Sprecher des Kreises, spricht dagegen von lediglich zehn Euro monatlich, die vom Kreis einbehalten wurden. „Es handelt sich dabei um eine Forderung für die Passersatz-Beschaffung in Höhe von knapp 400 Euro. Die Forderung ist durch Herrn Maigah beglichen.“ Bubakar Maigah hat bezahlt, einen Passersatz hat er nicht.
Von Oktober an bekommt Bubakar Maigah 354 Euro monatlich bar ausgezahlt. Das Kieler Innenministerium hatte am 2. August erlassen, die Vorschrift des Paragrafen 1a des Asylbewerberleistungsgesetz, der Kürzungen der Leistungen vorsieht, nicht anzuwenden und damit das Existenzminimum für Flüchtlinge nicht zu unterschreiten. Das Geld für Bus- und Bahnfahrten spart Bubakar Maigah künftig übrigens. Eine Abendblatt-Leserin hat ihm eine HVV-Jahreskarte geschenkt.