Keine Minderheitsregierung und ein glühendes Bekenntnis zur eigenen Koalition – nach der Sommerpause will Albigs Kabinett die Neuordnung der Kommunalfinanzen anpacken.
Kiel. Torsten Albig lacht viel im letzten Interview vor dem Sommerurlaub. In Polo-Shirt und Jeans sitzt der Regierungschef am Konferenztisch in seinem Arbeitszimmer, ab und zu den Blick auf die Förde genießend. Im politischen Blick zurück und nach vorn gibt sich der 50-Jährige gelassen. Auch Freitag, der 13. September jagt ihm keinen Schrecken ein. Dass dann mit dem Verfassungsgerichtsurteil zum Rechtsstatus des SSW die rot-grün-blaue Regierungsmehrheit kippen wird, ist für ihn extrem unwahrscheinlich. Wenn doch? Dann gäbe es so schnell wie möglich Neuwahlen, keinesfalls eine Minderheitsregierung.
Albig nimmt so jenen in der Koalition den Wind aus den Segeln, die wohl auch ohne Parlamentsmehrheit weitermachen wollten – auf die Unterstützung des einen oder anderen Piraten setzend. „Das hielte ich nicht für hilfreich, und in dem desolaten Zustand, in dem die Opposition ist, wären wir mit dem Klammerbeutel gepudert, würden wir mit Neuwahlen nur einen Tag länger warten, als es nötig wäre“, sagt Albig. Aber: Es sei ja ganz unwahrscheinlich, dass es so kommt.
Der Ministerpräsident ging in den Urlaub mit einem Gefühl, das nach eigenem Bekunden noch besser war als nach seiner Wahl vor einem Jahr. „Wenn Sie im Land unterwegs sind und die Menschen drehen sich um und sagen, „Das ist doch unser Ministerpräsident“, dann ist das ein schönes Gefühl.“ Die Rückmeldungen der Menschen seien sehr gut.
Was sagt Albig zu Auffassungen, der eigentliche Ministerpräsident sei SPD-Fraktionschef Ralf Stegner? Erst lacht er dröhnend, dann wird er gewohnt ironisch: „Ich nehme mit großem Amüsement zur Kenntnis, dass es Menschen gibt, die darüber verwundert sind, dass die regierungstragende Fraktion einen Vorsitzenden hat.“
Die Opposition meint, Stegner gebe in Wahrheit den Kurs vor. Auch im Koalitionslager gibt es Befürchtungen, Stegner könne sich zum heimlichen Regierungschef aufschwingen.
„Ich bin nicht zum König ernannt worden, sondern ich bin Ministerpräsident – und daneben gibt es noch einen Landtag, der sich übrigens Gesetzgeber nennt“, sagt Albig. „Ich rufe allen mit großer Freude zu: Mit Eka von Kalben (Grüne Fraktionschefin), Lars Harms (SSW) und Ralf Stegner arbeite ich ganz ausgezeichnet zusammen. Wir verstehen uns gut, und wir verfolgen dieselbe Politik für das Land, denn wir haben einen Koalitionsvertrag, der für mich und für die drei Fraktionen Leitschnur ist.“ Sein Ego leide nicht darunter, dass die Fraktionschefs dabei eine wichtige Rolle spielen.
Im Kabinett, in dem sich alle duzen, fühlt sich Albig ohnehin wohl. „Es ist mir nicht so schlecht gelungen, Menschen zusammenzuholen, die jedenfalls im ersten Jahr ganz ausgezeichnet zusammengearbeitet haben“, meint der Regierungschef. „Dieses Kabinett arbeitet vertraut miteinander. Das ist nicht der Regelfall.“
Dem Vorwurf, der Sparwillen sei erlahmt, widerspricht Albig: „Entschieden nein.“ Andernfalls würde sich der Stabilitätsrat sofort melden. „Und der hat uns bescheinigt, es ist ganz ordentlich, was unsere Finanzministerin da vorgelegt hat.“ Albig bekräftigt, das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts nicht unbedingt vor 2020 erreichen zu wollen, sondern in Bildung, soziale Gerechtigkeit und Infrastruktur zu investieren. „Wir werden nicht jeden Spielraum nutzen, um noch schneller zu konsolidieren – ich möchte gern mit diesem Land Politik machen und nicht gegen das Land.“ Allerdings: Die Investitionsquote bleibt bedenklich niedrig.
Nach der Sommerpause will die Koalition eine Herkulesaufgabe anpacken – die Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs. 1,2 Milliarden Euro sind im Topf. Bisher basiert die Verteilung auf einem Regelwerk der 70er Jahre. Um ein neues zu bauen, sind die Interessen von Städten, Gemeinden und Kreisen unter einen Hut zu bringen. „Das ist eine riesige Aufgabe“, betont Albig. „Am Ende hängt viel davon ab, ob es dem Innenminister und der Regierung insgesamt gelingt, die Grundlogik von Verlierern und Gewinnern aus dem System herauszubekommen, nach der ja sonst eigentlich alles läuft.“
Hier muss Minister Andreas Breitner – er weiß als langjähriger Bürgermeister von Rendsburg, wo überall der Schuh drückt – sein Meisterstück abliefern. „Es wird eine große Herausforderung sein, das so gut hinzubekommen, wie es Sozialministerin Kristin Alheit schon bei der Kita-Finanzierung mit den Kommunen hinbekommen hat – diese Aufgabe ist noch schwieriger“, sagt Albig dem Innenminister voraus.