Die schleswig-holsteinischen Piraten wollten mit Programmarbeit am Wochenende inhaltliche Schwächen aufarbeiten.

Henstedt-Ulzburg. Ein Jahr vor der Bundestagswahl wollen die Nord-Piraten wieder zurückfinden zum Erfolgskurs. Bei manchen Parteien wisse man schon vorher, was kommt – „stellt euch breiter auf“, riet in seinem Grußwort zur Eröffnung des Landesparteitags der Bürgervorsteher von Henstedt-Ulzburg (Kreis Segeberg), Carsten Schäfer, der schleswig-holsteinischen Piratenpartei.

Genau dazu kamen am Wochenende etwa 100 der fast 1100 Parteimitglieder ins Bürgerhaus – im Hinterkopf die jüngsten bundesweiten Umfragewerte von nur noch vier Prozent für die Piraten. Der Durchmarsch durch die Landesparlamente von Berlin, dem Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen hin zum Bundestag 2013 ist damit unsicher. In Schleswig-Holstein wollen die Piraten im nächsten Frühjahr ihre Kandidaten für die Bundestagswahl bestimmen.

Zuvor gilt es, das programmatische Profil zu schärfen. Erste Bausteine für ein Grundsatzprogramm des Landesverbandes wurden bei dem zweitägigen Treffen beschlossen; das Bundesprogramm soll zudem gelten. Insgesamt 43 Programmanträge standen zur Debatte – zu vielen politischen Themen, von der Umwelt, über Bildung und Verkehr bis zur Landwirtschaft. Aber auch ein (angenommener) Antrag „Jeder Mensch hat das Recht auf die eigene Macke“ war dabei, den das behinderte Lübecker Parteimitglied Jörg Stefan Witt einbrachte. Er will dazu beitragen, dass Behinderungen als normal empfunden werden.

Zahlreiche Arbeitsgemeinschaften stellten sich vor und baten um Mitarbeit von Parteimitgliedern. Immer wieder wurde die aggressive Kommunikation in der Partei als Übel benannt, das vor allem Frauen in der von Männern dominierten Partei abschrecke. „Der Umgangston ist, um das mal deutlich zu sagen, zum Kotzen“, sagte ein Frau vor dem Parteitag.

Diese Kritik wurde am Sonntag noch einmal deutlich verschärft, als der politische Geschäftsführer der Bundes-Piraten, Johannes Ponader, das Wort ergriff. Statt salbungsvoller Worte bot er eine ungeschminkte, drastische Zustandsbeschreibung der Bundespartei. „Lasst die sprachliche Gewalt!“, rief er. „Wir können uns zerfetzen.“ Shitstorms (Beschimpfungen im Internet) müssten unterbunden werden, Ponader sah Verführungen und Gefahren der Macht. Viele hätten nach den bisherigen Landtagswahlerfolgen geglaubt, der Einzug in den Bundestag 2013 sei schon sicher. Wichtiger als dieser sei ihm, dass die Werte Beteiligung, Vielfalt Toleranz und Sachlichkeit bei den Piraten gelebt werden.

Die verbale Kaltdusche fand überwiegend Zustimmung, auch via Twitter. „Sie war angemessen“, meinte ein Parteimitglied beim Mittagessen. Dabei lobte Ponader die schleswig-holsteinischen Piraten und deren konstruktive Politik im Vergleich zur Bundespartei.

Die Landtagsfraktion mit ihren sechs Abgeordneten hat ihre Rolle zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung noch nicht so richtig gefunden. „Wir wollen keine Fundamental-Opposition betreiben, sondern konstruktiv mitarbeiten“, bekräftigte der Parlamentarische Geschäftsführer Torge Schmidt. Mal wird mit der Regierung, mal mit der Opposition gestimmt. Doch in den ersten Monaten überlagerten Aktionen um mehr Transparenz die inhaltliche Parlamentsarbeit. Fotoversuche, ein unerlaubter Mitschnitt, das demonstrative Mitbringen von Schreibmaschinen (wegen des teilweisen Laptop-Verbots im Landtag) sorgten für Unmut bei den anderen Parteien.

Nach Ansicht des Abgeordneten Sven Krumbeck wollen manche Parlamentarier den Piraten die Außenseiterrolle zuschanzen, die vorher die abgewählten Linke hatte: „Die Linke raus aus der Kiste, die Piraten rein.“ Der Piraten-Abgeordnete Uli König räumte ein, dass seine Partei anfangs im Parlament stark contra gegeben habe. Fraktionschef Patrick Beyer meinte, etwas Donnergrollen habe sein müssen, um von den anderen Parteien ernst genommen zu werden. Künftig soll die inhaltliche Arbeit besser wahrgenommen werden. Breyer kündigte für die nächsten Wochen „zwei, drei Knaller“ an.