Kiels Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) spricht im Abendblatt über die wichtigsten Verkehrsprojekte und Knatsch in der Koalition.
Kiel. Die Koalition in Schleswig-Holstein hat große Fragezeichen hinter Verkehrsprojekte wie die A 20 gesetzt. Im Gespräch mit dem Abendblatt bekennt sich Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) zur Ostseeautobahn, der festen Querung des Fehmarnbelts und den Bau der S-Bahn-Linie 4 von Hamburg nach Bad Oldesloe.
Hamburger Abendblatt: Herr Meyer, der Start der Dänen-Ampel in Schleswig-Holstein war mehr als holprig. Würden Sie den Job des Wirtschaftsministers noch einmal übernehmen?
Reinhard Meyer: Selbstverständlich. Schleswig-Holstein ist ein interessanter Wirtschaftsstandort, aus dem man mehr machen kann. Und überhaupt: Ich habe den Start der neuen Regierung nicht als holprig empfunden. Es hatallenfalls hier und da ein bisschengeruckelt. Das ist normal, wenn eine neue Regierung startet.
Die Grünen haben durchgesetzt, dass die A 20 vorerst nur bis zur A 7 gebaut wird. Erst nach der Wahl 2017 soll entschieden werden, ob die A 20 bis zur Elbe fortgeführt wird. Wie erklären Sie das Hamburg und Niedersachsen?
Meyer: Ich finde den Ansatz sehr realistisch. Wir bauen die A 20 Stück für Stück in den nächsten fünf Jahren bis zur A 7. Darüber hinaus werden alle Abschnitte bis hin zur Elbquerung bei Glückstadt weiter geplant. Im September werden wir mit dem Bund darüber reden, ob es eine tragfähige Lösung für die Finanzierung der Elbquerung gibt und wann sie umgesetzt werden könnte. Das wird erst nach 2017 sein.
Wann könnte die A 20 fertig sein?
Meyer: Das hängt auch davon ab, wann der Bund die Baumittel bereitstellt. Die A 20 ist aber ein Projekt, das noch weit über 2020 hinaus brauchen wird, um fertiggestellt zu werden. Eine genauere Prognose wage ich nicht.
Eine Elbquerung östlich Hamburgs im Zuge der A 21 wäre preiswerter und ließe sich schneller realisieren. In Hamburg gibt es viele Anhänger einer solchen stadtnahen Ost-Variante.
Meyer: Ich weiß. Manchmal aber unterscheiden sich die Interessen Hamburgs von denen Schleswig-Holsteins. Ichhabe darüber bereits mit Wirtschaftssenator Frank Horch gesprochen. Wir waren uns einig, dass die A 20 und damit die Elbquerung westlich Hamburgs derzeit Priorität hat.
Ein Fragezeichen steht auch hinter der festen Querung des Fehmarnbelts. Laut Koalitionsvertrag soll der Bund die Kosten des Projekts neu berechnen und gegebenenfalls mit Dänemark über einen Ausstieg verhandeln. Kommt die Querung?
Meyer: Ich gehe davon aus, dass die Fehmarnbelt-Querung kommt. Wir werden mit dem Bund aber noch über zwei Dinge reden müssen. Erstens über die Sundbrücke zwischen Fehmarn und dem Festland, die nur zwei Fahrspuren und einen Schienenstrang hat. So ein Nadelöhr zwischen Hamburg und Kopenhagen müssen wir verhindern. Zweitens über die Bahntrasse zwischen Hamburg und Puttgarden. Wir brauchen ein zweites Gleis für den Güterverkehr und wissen, dass eine Streckenführung durch die Urlaubsorte an der Lübecker Bucht kaum durchsetzbar ist.
Die Koalition hat sich auf Druck der Grünen für den Bau einer Stadt-Regionalbahn in Kiel ausgesprochen. Was wird aus der S 4?
Meyer: Die S 4 wird kommen. Sie ist ein wichtiges gemeinsames Projekt beider Länder und steht, was die Wirtschaftlichkeit und die Bedeutung angeht, auf unserer Wunschliste ganz oben. Bei der Stadt-Regionalbahn werden wir im September mit Kiel und den Umlandkreisen darüber reden, ob und in welcher Höhe sie sich am Projekt beteiligen wollen. Danach sehen wir weiter.
+++ Info: S-Bahn 4 +++
Die Bundesmittel aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz fließen bisher zu 70 Prozent in den Straßenbau, zu 30 Prozent in den Schienenverkehr. SPD, Grüne und SSW haben beschlossen, die Förderquoten umzudrehen. Für welche Straßenprojekte fehlt jetzt das Geld?
Meyer: Wir reden in erster Linie über die Landesstraßen. Neubauten sind kaum möglich. Wir konzentrieren uns deshalb auf den Erhalt der Straßen. Ob das Geld dafür reicht, wird sich zeigen.
Zündstoff bietet der Koalitionsvertrag nicht nur in der Verkehrspolitik. Die Regierungsparteien wollen das Sonntags-Shopping in den Urlaubsorten einschränken, Sie halten die bestehendeBäderregelung für gut. Wer setzt sich durch?
Meyer: Es gibt sehr unterschiedliche Vorstellungen. Wir werden in den nächsten Wochen in einen vernünftigen Dialog mit allen Betroffenen eintreten. Die geltende Bäderregelung läuft Ende 2013 aus. Ich habe meine Position deutlich gemacht. Ich halte die bestehende Regelung für gut.
Die Regierungsparteien würden den Flughafen Lübeck am liebsten abwickeln. Hat der Airport eine Zukunft?
Meyer: Es ist keine einfache Situation. Die Hansestadt sucht europaweit nach einem Investor.
Hamburg liegt vor der Tür. Lübeck-Blankensee könnte die dritte Start- und Landebahn für Fuhlsbüttel sein.
Meyer: Das stimmt. Ich habe darüber mit Senator Horch gesprochen. Auch über die Idee der IHK Lübeck, dass Hamburg seine Flächen für einen Ersatzflughafen in Kaltenkirchen anders nutzt und sich im Gegenzug an Blankensee beteiligt. Ich musste aber feststellen, dass der Flughafen Hamburg Kooperationsmöglichkeiten eher reserviert gegenübersteht.
Haben Sie auch über Hamburgs Pläne gesprochen, zeitgleich mit der Windmesse in Husum eine eigene auszurichten?
Meyer: Wir waren uns einig, dass wir sehr kurzfristig ein Gespräch zwischen den beiden Messegesellschaften brauchen. Das wird noch im August stattfinden. Beide Messen müssen überlegen, wie sie gemeinsam das norddeutsche Windprofil stärken können. Der Streit gefällt weder Herrn Horch noch mir.
Herr Meyer, Sie interpretieren den Koalitionsvertrag anders als einige seiner Autoren. Geht das auf Dauer gut oder müssen nicht einzelne Passagen des Vertrags nachverhandelt werden?
Meyer: Ich glaube, man muss nicht nachverhandeln. Es reicht, wenn wir in der Koalition über manche Stellen noch einmal sprechen, damit wir das, was wir uns vorgenommen haben, auch gemeinsam umsetzen können.