Bei einem Umzug eskalierte ein Streit. Nach über dreißig Jahren Ehe erwürgte der schwer depressive Mann seine Frau. Er muss nun in Haft.
Kiel. Wegen Totschlags an seiner Ehefrau hat das Kieler Landgericht einen 62 Jahre alten Mann zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Die 8. Große Strafkammer sah es am Donnerstag als erwiesen an, dass der Angeklagte im April 2011 seine Frau nach über 30 Jahren Ehe aus Wut im Streit erwürgte. Zwar sei der Angeklagte bei der Tat stark affektiv belastet gewesen, sagte der Vorsitzende Richter Jörg Brommann. Doch habe er dabei den Tod seiner Frau für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen. Das Gericht ging aber angesichts der Tatumstände von Totschlag in minderschwerem Fall aus. Die Schuldfähigkeit des Angeklagten sei zudem durch eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung erheblich gemindert gewesen.
Nach Feststellungen des Gerichts war die Beziehung des Ehepaares schon seit vielen Jahren von Streit gekennzeichnet. Der zuvor tatkräftige und anerkannte Mann musste Ende 1997 wegen einer schweren Depression vorzeitig in Rente gehen. Sein Wesen veränderte sich, er wurde antriebsarm und zurückhaltend. Sie führte damals noch erfolgreich Boutiquen, war sehr selbstbewusst. Doch sie habe auch zu dominantem Verhalten geneigt und sei unfähig zu Empathie gewesen, stellte Brommann in der Urteilsbegründung fest. Immer wieder habe sie ihn herabgewürdigt, beleidigt und gekränkt. Den langsamen Niedergang ihrer Geschäfte lastete sie ihm an.
„Alle haben sich gefragt, wieso sie so lange zusammenblieben und sich nicht trennten, um ihr Heil allein zu suchen“, sagte der Richter. Doch der Mann habe ein ausgeprägtes Beziehungsbedürfnis gehabt bei geringem Selbstwertgefühl. „Er klammerte sich an sie und liebte sie bis zum Schluss. Sie zu verlieren, war für ihn eine Horrorvorstellung“, sagte der Vorsitzende. „Er verharrte in der Beziehung, so wie sie auch.“
Zur Tat kam es, als die Frau schließlich 2011 Insolvenz anmelden musste und einen Umzug gegen seinen Willen veranlasste, erklärte der Richter. Als sie ihm im Streit verkündete, sie wolle fortgehen, habe der Angeklagte versucht, sie zu beruhigen. Doch der Streit eskalierte, sie griff nach Feststellung des Gerichts sogar zu einem Messer. Das entwand er ihr. Beide packten sich dann gegenseitig am Hals. Sie schlug dabei gegen eine Tür und sank bewusstlos zu Boden. Er würgte weiter, bis sie tot war. Nach der Tat deckte der Angeklagte seine Frau zu, betrank sich und legte sich zu Bett. Zuvor hatte der Angeklagte noch vergeblich versucht, sich umzubringen. Ein Nachbar, der beim Umzug helfen wollte, fand ihn und die Tote.
Der zurückhaltend und bieder wirkende Angeklagte nahm das Urteil äußerlich völlig unbewegt auf. Er wirkte wie erstarrt. Während des Verfahrens hatte er mehrfach Gefühlsausbrüche gezeigt. Der Staatsanwalt hatte vier Jahre und sechs Monate Haft gefordert, der Verteidiger auf eine Bewährungsstrafe plädiert. Die lehnte das Gericht mit dem Hinweis ab, dass der Angeklagte die Konsequenzen der Tat tragen müsse: „Für ein Tötungsdelikt muss eine angemessene Strafe gefunden werden“, sagte der Richter.