Die Bundesrichter wiesen eine Klage gegen die Schuldenbremse aus Kiel ab, weil sie mit dem Landtag den falschen Absender hatte.

Kiel/Karlsruhe. Die Klage Schleswig-Holsteins gegen die sogenannte Schuldenbremse im Grundgesetz ist vom Bundesverfassungsgericht verworfen worden. Der Antrag sei unzulässigerweise vom Landtag gestellt worden; antragsbefugt sei jedoch allein die Landesregierung, hieß es zur Begründung des am Freitag bekanntgegebenen Beschlusses. Das Verschuldungsverbot war 2009 ins Grundgesetz aufgenommen worden. Demnach müssen die Länder ab dem Jahr 2020 ohne neue Kredite auskommen (2 BvG 1/10).

Der Landtag in Kiel hatte argumentiert, das Verbot der Neuverschuldung greife in die Haushaltsautonomie des Landes ein. Damit würde das Prinzip der im Grundgesetz garantierten Eigenstaatlichkeit der Bundesländer verletzt. Mit diesen Fragen beschäftigten sich die Karlsruher Richter jedoch gar nicht erst. Sie verwiesen darauf, dass nach dem Gesetz über das Bundesverfassungsgericht bei Streitigkeiten zwischen Bund und Ländern nur die jeweiligen Regierungen Anträge stellen können. Notfalls müsse der Landtag die Regierung dazu zwingen. Das Parlament in Kiel hatte im Mai 2010 als erstes Bundesland eine eigene Schuldenbremse in der Landesverfassung verankert. Dafür stimmten nicht nur die Koalitionsfraktionen CDU und FDP, sondern auch die oppositionellen SPD, Grüne und SSW. Nur die Linke war dagegen.

„Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner heutigen Entscheidung klargestellt, dass die Landtage als Haushaltsgesetzgeber kein eigenes Klagerecht in dieser Frage haben“, kommentierte Landtagspräsident Torsten Geerdts (CDU). Das Parlament hatte Ende Januar 2010 die Klage eingereicht, um klären zu lassen, inwieweit der Bund in die Finanzhoheit der Länder eingreifen darf. „Es ging uns darum feststellen zu lassen, dass Schuldenbremsen in die Verfassungen der Länder gehören“, äußerte Geerdts. „Und es ging uns darum, uns selbst prozessual wehren zu können, wenn eine andere Ebene des Staats in die ureigensten Rechte der Länderparlamente eingreift.“

Während der Landtag also grundsätzlich an die Problematik heranging, schloss sich die CDU/FDP-Landesregierung aus pragmatischen Gründen nicht der Klage an: Wäre diese erfolgreich gewesen, hätte das Land womöglich als einziges mit einer wirksamen Schuldenbremse dagestanden. Die Landesregierung habe den Landtag im Regen stehen lassen, indem sie nicht der Klage beitrat, kommentierte Grünen-Fraktionschef Robert Habeck. „Es ist unverständlich, dass die CDU-FDP-Regierung dem breiten Konsens des Landtages nicht gefolgt ist.“

SPD-Fraktionschef Ralf Stegner nannte die Karlsruher Entscheidung bedauerlich. Das Verfassungsgericht habe eingeräumt, dass in eng begrenzten Ausnahmefällen Länderparlamente klageberechtigt sind. „Nach unserer Meinung ist das Haushaltsrecht, das „Königsrecht“ des Parlaments.“ Wichtig sei, dass die Schuldenbremse nun in der Landesverfassung verankert ist, betonte dagegen FDP-Finanzexpertin Katharina Loedige. Die CDU gab keinen Kommentar ab. „Damit stellt sich die Klage gegen die Schuldenbremse endgültig als Posse heraus“, meinte Uli Schippels von der Linken zur Entscheidung in Karlsruhe.

Mit einem angehäuften Schuldenberg von 27 Milliarden Euro gehört der Norden zu den Ländern mit den engsten haushaltspolitischen Spielräumen. Von 2020 an darf es laut Landesverfassung grundsätzlich keine neuen Schulden mehr machen. Ausnahmen sind bei Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen möglich. Bis 2020 muss mit einem drastischen Sparkurs ein strukturelles Defizit abgebaut werden, das bis auf 1,25 Milliarden Euro geklettert war. Nur bei Einhaltung dieser Maßnahmen gibt es die mit dem Bund und den anderen Ländern vereinbarten Konsolidierungshilfen von jährlich 80 Millionen Euro.

Bundestag und Bundesrat hatten vor dem Hintergrund der gigantischen deutschen Staatsverschuldung 2009 die sogenannte Schuldenbremse im Grundgesetz beschlossen. Danach dürfen Bund und Länder ihre Haushaltsdefizite grundsätzlich nicht mehr durch die Aufnahme von Krediten ausgleichen. Es wurden aber Übergangsfristen festgelegt, um die zum Teil hohe Neuverschuldung stufenweise abzubauen.