Im Aufenthaltsrecht soll nach Schleswig-Holsteins Justizminster Schmalfuß eine dauerhafte Regelung für integrierte Ausländer geschaffen werden.

Kiel. Nach den Erfahrungen mit dem Härtefall des 14-jährigen Tigran S. aus Armenien setzt sich Schleswig-Holsteins Justizminister Emil Schmalfuß (parteilos) für einen Bleiberechts-Anspruch von gut integrierten Ausländern in Deutschland ein. Im Aufenthaltsgesetz müsse eine dauerhafte Regelung für Menschen geschaffen werden, „die diejenigen begünstigt, die sich langjährig hier aufhalten und sich integriert haben“, begründete der der FDP nahestehende Minister am Montag in Kiel seinen Vorstoß, der mit dem Koalitionspartner CDU nicht abgesprochen ist. Nach den Vorstellungen von Schmalfuß soll Schleswig-Holstein noch vor der Landtagswahl im Mai 2012 über den Bundesrat eine entsprechende Gesetzesinitiative auf den Weg bringen.

Kurz vor der bereits angeordneten Ausweisung hatte Schmalfuß den 14-jährigen Tigran, der mit seiner Familie seit vielen Jahren in Stockelsdorf bei Lübeck lebt und sehr gut integriert ist, als Härtefall eingestuft und ihm so einen weiteren Aufenthalt in Deutschland ermöglicht. Bis zu seinem 18. Lebensjahr dürfen er und auch seine Eltern und seine kleine Schwester in Deutschland bleiben. Danach entscheiden die Behörden neu.

Der neue Paragraf 25a des Aufenthaltsgesetzes, auf den sich Schmalfuß bei seiner Entscheidung berufen hatte, sei ein erster Schritt, er begünstige aber vorrangig nur Jugendliche und Heranwachsende, kritisierte der Minister. Notwendig sei ein Aufenthaltstitel für voll integrierte Ausländer. „Schluss mit der Kettenduldung! Wer sich integriert hat, dessen persönlicher Einsatz muss auch durch eine Bleibeperspektive belohnt werden“, forderte Schmalfuß. Im Kern gehe es darum, eine faktisch vollzogene Integration aufenthaltsrechtlich zu würdigen.

Als Voraussetzungen nannte der Minister sechs Kriterien: Hinreichende deutsche Sprachkenntnisse, einen langjährigen Aufenthalt in Deutschland, die Sicherung des Lebensunterhalts „durch aktive Teilnahme am Arbeitsmarkt“, das Bekenntnis zur Demokratie, Teilhabe am sozialen Leben durch bürgerschaftliche Aktivitäten sowie Unterstützung der schulischen Integration der Kinder und Jugendlichen durch die Eltern.

In Schleswig-Holstein leben zurzeit etwa 1800 geduldete Ausländer. Wie viele davon voll integriert seien und von der angestrebten Gesetzesänderung profitieren würden, lasse sich schwer einschätzen, sagte der Vorsitzende der Härtefallkommission des Justizministeriums, Norbert Scharbach. Es könne aber nicht sein, dass zum Beispiel ein seit zehn Jahren in Schleswig-Holstein lebender Iraker, der seit neun Jahren seinen Lebensunterhalt mit einem Restaurant selbst verdiene und sich nichts habe zuschulden kommen lassen, ausgewiesen werde. Härtefall-Einzelentscheidungen seien auf Dauer keine Lösung, vielmehr müssten Betroffene einen gesetzlichen Anspruch zum Bleiben erlangen können.

Hintergrund des Vorstoßes von Schmalfuß ist auch der bisherige Umgang mit sogenannten Altfällen. Unverschuldet langjährig Geduldete sollten einen legalen Aufenthaltsstatus erlangen können. Eine 2007 eingeführte Altfallregelung lief 2009 aus; die Innenminister einigten sich danach auf eine neue Regelung, die eine Aufenthaltsverlängerung unter erleichterten Bedingungen ermöglichen sollte. Diese Regelung läuft Ende dieses Jahres aus. Nach den Vorstellungen von Schmalfuß sollte die von ihm angestrebte Gesetzesänderung nicht nur für Altfälle gelten, sondern stichtagsungebunden sein.

SPD, Grüne und die Linke hatten nach dem Fall Tigran erneut ein verbessertes Bleiberecht für integrationswillige Migranten gefordert. Dagegen mahnte die CDU als Lehre aus dem Fall an, dass Asylverfahren zügig gestaltet werden.