Beim Glücksspiel geht Schleswig-Holstein weiter einen Sonderweg. SPD-Fraktionschef Stegner fordert einen Stopp des Alleingangs.

Kiel. Die jüngste EU-Stellungnahme zum neuen Glücksspielstaatsvertrag von 15 Bundesländern sorgt weiter für Streit, auch in Schleswig-Holstein. Aus Sicht von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) liegt keine Billigung durch die EU vor. Das einzige Gesetz, das grünes Licht aus Brüssel bekommen habe, sei das Kieler. "Ich weiß sicher, dass unser Glücksspielgesetz das Go und die Genehmigung der Europäischen Union hat“, sagte der CDU-Politiker am Mittwoch in Kiel am Rande der Landtagssitzung. Erst wenn eine EU-Notifizierung des Staatsvertrages vorliege, werde er wie angekündigt bereit sein, mit den Fraktionen in Kiel über eine mögliche Änderung des Landesgesetzes zu sprechen, sagte Carstensen.

Die EU-Kommission trat unterdessen dem Eindruck entgegen, sie habe keine Bedenken mehr beim neuen Glücksspielstaatsvertrag von 15 deutschen Bundesländern. "Wir haben keinen Blankoscheck, kein restloses grünes Licht gegeben“, sagte der verantwortliche Binnenmarktkommissar Michel Barnier am Mittwoch auf Nachfrage in Brüssel. Obwohl die wichtigsten Punkte nun geklärt seien, gebe es in dem geplanten Vertrag noch Schwächen. "Wir werden mit den betroffenen (Bundes-)Ländern zusammenarbeiten“, kündigte der französische Kommissar an. Zu Details nahm er keine Stellung.

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Schleswig-Holstein geht mit einem eigenen Glücksspielgesetz einen Sonderweg unter den 16 Bundesländern. Es ist deutlich liberaler, begrenzt die Zahl der Glücksspielanbieter nicht und erlaubt auch Online-Pokern. Carstensen hat für den Fall, dass die EU den restriktiveren Staatsvertrag der 15 Bundesländer als vereinbar mit dem EU-Wettbewerbsrecht akzeptiert, erklärt, den Sonderweg Schleswig-Holsteins zu beenden – im Interesse eines bundesweit gemeinsamen Glücksspielgesetzes.

Ende 2011 hatten sich 15 der 16 Bundesländer nach langem Ringen auf eine moderate Liberalisierung des Glücksspielmarktes verständigt. Sie wollen das Lottomonopol des Staates erhalten, den Sportwettenmarkt aber begrenzt öffnen.

Am Dienstag war die EU-Stellungnahme in Deutschland – je nach politischer Couleur und wirtschaftlichen Interessen – als Billigung des neuen Staatsvertrags gewertet worden – oder eben auch nicht. Von Zustimmung sprachen die Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt, Kurt Beck (SPD) und Reiner Haseloff (CDU), sowie die staatlichen Lotto-Gesellschaften. Dagegen hat aus Sicht der privaten Anbieter Brüssel eine "abschließend positive Stellungnahme“ erneut verweigert.

Der Versuch von SPD, Grünen und SSW, das Thema über einen Dringlichkeitsantrag im Landtag zu debattieren, scheiterte am Mittwoch an CDU/FDP. Vor Bekanntwerden der Brüsseler Klarstellung meinte SPD-Fraktionschef Ralf Stegner, der Vertrag habe nunmehr grünes Licht. Ähnlich äußerte sich die Grünen-Finanzexpertin Monika Heinold. Die EU habe praktisch das Go zu einem Burgfrieden gegeben, den Staatsvertrag in Kraft zu setzen. Für Heinold ist der Zeitpunkt gekommen, dass Schleswig-Holstein seinen Alleingang beende. Sie warf CDU/FDP unsolidarisches Störfeuer vor.

"Eine Notifizierung ist bis heute nicht abgeschlossen“, erklärte dagegen CDU-Fraktionsvize Hans-Jörn Arp. Er betonte, die EU-Kommission habe in ihrem Schreiben zu dem Verfahren mit einem Vertragsverletzungsverfahren gedroht. Zur Begrenzung der Lizenzen für Sportwetten auf 20 oder zur Nichtzulassung von Online-Casinos und Online-Poker habe die EU noch eindeutig Klärungsbedarf angemeldet. (dpa)

(dapd/abendblatt.de)