Polizei vermutet die Leiche des seit zwei Jahren vermissten Türken, der Verbindungen zum Rockerklub haben soll, im Fundament der Halle.

Kiel. Einen Tag nach der Großrazzia gegen die Hells Angels hat die Polizei am Freitag in Altenholz bei Kiel intensiv nach einem seit zwei Jahren vermissten Türken gesucht. Die Ermittler gehen dem Verdacht nach, dass sich die Leiche des Mannes im Fundament einer Lagerhalle der Hells Angels befinden könnte. Als Hintergrund werden Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit Drogengeschäften vermutet. Bei der Suche in Altenholz sind Spezialgeräte im Einsatz. Die Lagerhalle war am Vortag von der Polizei komplett ausgeräumt worden.

Am Freitagvormittag unterstützten Helfer des Technischen Hilfswerks die Polizei in einem Gewerbegebiet in Altenholz. Ein Bagger, ein großer Bohrer und ein Trennschleifer wurden in der Halle eingesetzt, um den Boden abzutragen. Mit einem gewaltigen Aufgebot von 1200 Beamten hatte die Polizei am Donnerstag in Norddeutschland zu einem massiven Schlag gegen die Rockerkriminalität ausgeholt. Bordelle, Gaststätten und Wohnungen wurden bei der Großrazzia seit dem frühen Morgen vor allem in Schleswig-Holstein durchsucht, aber auch in Hamburg und Niedersachsen. 89 Objekte waren betroffen. Schwerpunkt des bisher größten Einsatzes im Norden gegen Rocker war der Großraum Kiel. Fünf führende Mitglieder der verbotenen Kieler Hells Angels wurden verhaftet. In Hannover wurde das Haus eines führenden Mitglieds der Hells Angels durchsucht.

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Die Vorwürfe gegen die Rocker: Menschenhandel (Prostitution), Korruption, Körperverletzung und Waffenhandel – auch mit Rechtsradikalen. Eine Polizeisprecherin bestätigte der dpa Medienberichte, wonach auch die Wohnung eines Kieler NPD-Ratsherrn durchsucht wurde. Hier geht es um den Verdacht, der Mann könnte von den Hells Angels eine Waffe gekauft haben. Insgesamt führt die Staatsanwaltschaft im Kampf gegen Rockerkriminalität fast 200 Ermittlungsverfahren gegen 69 Beschuldigte.

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In Kiel zeigte die Polizei auch am Freitag noch starke Präsenz, um für mögliche Zwischenfälle gewappnet zu sein. Außerdem gehen die Behörden dem Korruptionsverdacht gegen drei Beschäftigte des öffentlichen Dienstes nach. Ein Mitarbeiter der Stadt Kiel, einer des Gefängnisses und ein Polizist sollen den Hells Angels gegen Geld Informationen gegeben haben. Einzelheiten wollten die Behörden nicht nennen. Der Mitarbeiter der Stadt Kiel ist derzeit im Urlaub, wie Pressesprecher Tim Holborn sagte. Er soll am Dienstag Gelegenheit bekommen, Stellung zu beziehen. Die Stadt beantragte Akteneinsicht, um Näheres in dem Fall zu erfahren. Danach soll entschieden werden, ob dienstrechtliche Maßnahmen ergriffen werden.

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) begrüßte das konsequente Vorgehen im Norden gegen kriminelle Rocker. "Der Staat muss im Kampf gegen organisierte Kriminalität und der dort stattfindenden Bedrohung, Einschüchterung und Gewalt Grenzen aufzeigen und sich selbst als handlungsfähig im Kampf gegen das Verbrechen präsentieren", sagte der Bundesvorsitzende André Schulz. Aufklärung von Straftaten und Zerschlagung von Strukturen seien aber nur die eine Seite der Medaille. Kriminelle Rockergruppen müssten dort getroffen werden, wo es ihnen wirklich wehtue: "Man muss ihnen ihr kriminell erwirtschaftetes Vermögen entziehen". Zudem müssten die Vereine konsequent verboten werden. Auch wenn Mitglieder verbotener Rockerclubs nach ihrer Auflösung in andere Gruppen wechselten oder in einer Nachbarstadt eine neue gründeten, bleibe ein Sicherheitsgewinn, sagte Schulz.

"Kriminelle Rockergruppierungen wie die Hells Angels, Bandidos, Outlaws und Gremium MC, und nur um diese geht es, spielen eine bedeutende Rolle in typischen Deliktsfeldern der Organisierten Kriminalität", sagte der BDK-Bundesvorsitzende. "Besonders erschreckend, gerade nach den schrecklichen Taten der Zwickauer Todeszelle, ist, dass wir in die Erkenntnisse erlangt haben, dass die Übergänge von Rockern zu Rechtsextremisten und Neonazis teilweise fließend sind."

Die Razzia gegen norddeutsche Hells Angels sollte nach Überzeugung seines Rechtsanwaltes vor allem den Rocker-Chef Frank Hanebuth diskreditieren. "Man wollte ganz klar an ihn ran. Aber in Hannover hat man nichts gegen ihn in der Hand, deswegen ist man den Umweg über Kiel gegangen“, sagte Anwalt Götz von Fromberg am Freitag in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dapd. Die Annahme, dass Hanebuth etwas mit den Vorgängen in Schleswig-Holstein zu tun habe, sei aber "völliger Quatsch".

Es passe "aber wohl nicht in das Weltbild“, dass ein so mächtiges Hells-Angels-Mitglied "nicht straftätig ist", sagte Fromberg. Er kündigte an, die Akten genau zu prüfen. Hanebuth habe sich nichts vorzuwerfen. Deshalb sei die Aktion in dessen Privathaus, das von einer Spezialeinheit gestürmt worden war, auch völlig überzogen gewesen.

Mit Material von dpa und dapd