Wedel. Der Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner ließ sich in Wedel zeigen, wo die Probleme liegen. Das habe ihm die Augen geöffnet.

Das Handwerk ist in der Krise: Neben der insgesamt schwierigen Zeit stellt vor allem der Personalmangel ein Problem dar. Auch in den Bäckereien herrscht Notstand – denn sie seien stark von hohen Strom- und Gaspreisen betroffen. Die Öfen und Kühlungsanlagen, die für das Backen der Brötchen, Brote und Kuchen benötigt werden, brauchen viel Energie. Doch das Energiesparen gestaltet sich in den Backbetrieben schwierig – sie brauchen die Geräte. Udo Hackradt, Inhaber der Bäckerei und Konditorei Hackradt in Wedel, machte bei einem Besuch der beiden SPD-Politiker Thomas Hölck und Ralf Stegner auf seine Probleme und mögliche Lösungen aufmerksam.

Lust und Liebe, sowie die Bereitschaft, früh aufzustehen – das seien laut Hackradt die Grundvoraussetzungen, um den Beruf des Bäckers auszuüben. Die erste Schicht in der Bäckerei beginnt um Mitternacht, denn die Bäcker starten mit ihren ersten Lieferungen gegen 4.30 Uhr. Nachwuchs für diesen Job zu finden, sei laut Hackradt eines der größten Probleme. „Ich habe schon seit zwei Jahren keine Bewerbung mehr bekommen.“ Trotz Stellenanzeigen beim Arbeitsamt, seufzt der Eigentümer. Dabei seien die Nachtschichten gut bezahlt, es gebe erhebliche Aufschläge für die frühen Arbeitszeiten.

Die Arbeitszeiten auf den Tag zu verschieben und die Brötchen für morgens vorzuproduzieren, sei keine Lösung. Denn darunter leide nicht nur die Qualität der Produkte. Es müsse auch in neue Kühlanlagen investiert werden und diese benötigen nicht nur viel Eigenkapital für die Anschaffung, sondern bedeuten auch einen größeren Stromverbrauch. Für Hackradt sei das momentan nicht leistbar.

Mit symbolischen Aktionen machten den Bäcker – hier die Bäckerei Hönig in Niendorf mit Bäcker Manfred Riebesehl – auf ihre schwierige Lage aufmerksam.
Mit symbolischen Aktionen machten den Bäcker – hier die Bäckerei Hönig in Niendorf mit Bäcker Manfred Riebesehl – auf ihre schwierige Lage aufmerksam. © Michael Rauhe / FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Schon Anfang September machten die Bäcker in ganz Norddeutschland Schlagzeilen. Um auf ihre Probleme durch die Energiekrise aufmerksam zu machen, ließen sie alle am 9. September das Licht in ihren Filialen aus und symbolisierten damit, dass die steigenden Kosten ein hohes Risiko für ihre Existenz darstelle. Ziel der Aktion „Uns geht das Licht aus - Heute das Licht und morgen der Ofen?“ war vor allem, die Politik auf die existenzbedrohende Preiserhöhung für Energie aufmerksam zu machen.

Grund war auch, dass das Bäckerhandwerk keine Zuschüsse aus dem Energiekostendämpfungsprogramm (EKDP) des Bundes bekam. „Es kann nicht angehen, dass die Herstellung von Wermutwein oder Tapeten förderfähig ist, Bäckereien aber ausgeschlossen sind. Hier muss dringend eine Nachbesserung erfolgen.“ hieß es in der Mitteilung der Bäckerei-Innung mit Sitz in Rellingen.

2000 Brötchen backt die Wedeler Bäckerei Hackradt am Tag. „Den größten Umsatz machen wir mit Abstand am Sonntag“, sagt Inhaber Hackradt. Die Wedeler seinen in dieser Hinsicht konventionell. Zudem beobacht der 59-Jährige, dass Männer oft mehr kaufen als Frauen. „Ich glaube, das liegt daran, dass sie nicht so gut einschätzen können, wie viel gegessen wird“, vermutet Udo Hackradt.

Um Lebensmittelverschwendung vorzubeugen, macht seine Bäckerei bei der App „To good to go“ (Zu gut, um weggeworfen zu werden) mit. Dabei können Kunden Produkte, die nach Ladenschluss nicht verkauft wurden, für einen günstigeren Preis abholen und vor dem Abfall retten. Zusätzlich spendet der Konditor auch regelmäßig an die Wedeler Tafel.

Corona habe dem Geschäft nicht geschadet – die Energiekrise schon

Das Kabinett der Bundesregierung hat nun die Energiepreisbremsen für das Jahr 2023 beschlossen. Die meisten Bäckereien fallen demnach unter die Gesetzgebung für mittlere bis große Unternehmen. Um zu dieser Art von Unternehmen zu gehören, muss ein Stromverbrauch von mehr als 30.000 Kilowattstunden im Jahr nachgewiesen werden. Durch die Deckelung werden 70 Prozent des Stromverbrauchs im Jahr 2023 auf 13 Cent pro Kilowattstunde begrenzt – zuzüglich Netztentgelte, Steuern, Abgaben und Umlagen.

Ebenfalls bekommen Industriekunden ab Januar 2023 von ihren Lieferanten 70 Prozent ihres Erdgasverbrauchs zu garantierten sieben Cent je Kilowattstunde. Beim Wärmeverbrauch wird der Preis auf 7,5 Cent je Kilowattstunde gedeckelt, ebenfalls für 70 Prozent ihres Verbrauchs.

„Corona war, anders als bei vielen anderen Branchen, eigentlich sogar ganz gut für das Geschäft“, sag Hackradt. Im Home-Office hätten sich offenbar wieder mehr Menschen morgens Brötchen zum Frühstück oder Kuchen für den Nachmittag gekauft. Dagegen schlage die Energiekrise nun voll auf die Bäcker durch. Ohne die Deckelung würden die Kosten für Strom in der Bäckerei in Wedel um 550 Prozent steigen. Und auch die Materialkosten sind gestiegen: 100 Prozent teurer ist das Mehl derzeit im Vergleich zum Vorjahr. Bei den Energiekosten, rechnet Hackradt vor, betrug der Anteil an den Produktionskosten im Jahr 2020 vier Prozent. Im kommenden Jahr rechne er dagegen mit einem Anteil von etwa acht Prozent.

Sozialdemokrat Thomas Hölck, der für den Kreis Pinneberg im schleswig-holsteinischen Landtag sitzt, verteidigte die neuen gesetzlichen Regelungen, die auch die Bäckereien etwas entlasten: „Wir sind froh, dass Möglichkeiten für die Bevölkerung und die Industrie geschaffen wurden. Die Bundesregierung verdient dafür ein Lob.“ Gerde bei der Zusammensetzung aus drei Parteien sei die Lösungsfindung und abschließende Gesetzgebung schwierig gewesen. SPD und Grüne hätten bei Kostendeckelung an einem Strang gezogen, die FDP sei anfangs kritisch gegenüber dem Eingreifen in den Markt gewesen.

Ralf Stegner, per Direktmandat aus Pinneberg in den Bundestag gewählt, zeigte sich vom Besuch in der Wedeler Bäckerei beeindruckt. Der direkte Austausch zeige, wie wichtig es sei, Politik nicht nur vom Schreibtisch aus zu gestalten. Solche Gespräche würden viele Probleme aufzeigen, die man auf den ersten Blick gar nicht sehe, die aber gelöst werden müssen.

Um auf die Krise zu reagieren, kommen für Udo Hackradt drastische Preiserhöhungen nicht in Frage. „Wir haben etwa 80 Prozent Stammkunden.“ sagt er. Und diese würden nicht jeden Preis zahlen können. Dabei würden ihm manche Kunden sogar von sich aus vorschlagen, die Preise zu erhöhen. Ja, sie würden den Bäcker geradezu ermuntern, die Kosten weiterzugeben. „Das sind zwar einige, aber andere Kunden würden einen deutlichen Anstieg der Preise sehr im Geldbeutel bemerken. Die wollen wir natürlich nicht verlieren.“ so Hackradt. Die Schmerzgrenze bei seinen Preisen wolle er jedenfalls möglichst nicht testen.