Wedel. 52 Orte bundesweit greifen auf Straßenschilder aus der Elbstadt zurück. Chef der Staatskanzlei würdigt den Einfall für Sehbehinderte.
Über eine starke ideelle und finanzielle Unterstützung für sein Projekt für sehbehinderte Menschen kann sich Volker König freuen. Dirk Schrödter (CDU), Chef der Staatskanzlei des Landes Schleswig-Holstein, machte dem Erfinder der Straßenschilder für Sehbehinderte jetzt in Wedel seine Aufwartung. König erhält für das Projekt eine Zuwendung in Höhe von 23.000 Euro aus Kiel.
Die Finanzspritze kommt aus dem Fonds für Barrierefreiheit der Staatskanzlei. „Die Stadt Wedel sorgt mit den ertastbaren Schildern für mehr Barrierefreiheit im öffentlichen Raum. Das ist eine Initiative, die wir als Land gern unterstützen“, sagte Schrödter. Menschen mit körperlichen Einschränkungen können sich dank der Idee von König freier in der Stadt bewegen und besser am öffentlichen Leben teilnehmen. Das schaffe mehr Sichtbarkeit und sei großer Bedeutung für die Inklusion und Integration von sehbehinderten Menschen, so König weiter.
Bei der Gestaltung hat sich der experimentierfreudige Wedeler von Spielzeugbausteinen inspirieren lassen. Die Wegweiser sind blau, so groß wie zwei aneinandergelegte Bauklötze und die aufgebrachten Straßennamen sind für Blinde ertastbar. Die Schilder werden auf Augenhöhe um bereits bestehende Straßenschild-Masten montiert.
In Deutschland gibt es etwa 4,5 Millionen Menschen, die nur noch über ein Sehvermögen von weniger als 30 Prozent verfügen. Sie haben schon auf kurzer Distanz Probleme, Gesichter zu erkennen. Für sie sind die kleinen Straßennamensschilder ideal. Wedel sollte als erste Stadt Deutschlands flächendeckend zusätzliche Straßenschilder für Sehbehinderte bekommen – das war Königs Ziel. Mittlerweile wurde es erreicht. 375 Schilder gibt es in der Rolandstadt.
Die Idee kam König bei einem Spaziergang. „Ein sehbehinderter Freund berichtete mir, dass er die konventionellen Straßenschilder in 2,50 Meter Höhe mit seinem geringen Sehen nicht lesen kann. Er ist in unbekannter Umgebung am Mast eines Straßennamenschildes hochgeklettert, um aus kurzer Distanz Buchstabe für Buchstabe zu entziffern“, berichtet der findige Mann. Seine Schlussfolgerung: Es werden Schilder benötigt, die kleine Schriftzeichen haben und an die man mit der Nasenspitze, etwa mit einer Lupe oder einer Sehhilfe herantreten kann.
Bei dem Treffen an der Straße Lülanden in Wedel konnte Minister Schrödter gleich Hand anlegen bei der Anbringung eines Schildes. Ganz einfach mit einem Inbusschlüssel war es machbar. Zudem hatte er eine Brille mitgebracht, die das Sehen so weit eintrübt, dass es dem eines Sehbehinderten gleicht. Damit konnten sich die Teilnehmer des Treffens von der Sinnhaftigkeit überzeugen. Unter den Anwesenden waren etwa Marc Cybulski von der Stadtsparkasse als Spender der Aktion und der Sozialexperte aus der Ratsversammlung, Wolfgang Rüdiger.
„Ich danke Volker König sehr herzlich für seine innovative Idee. Sie ist so gut, dass inzwischen bundesweit weitere Städte und Gemeinden daran Interesse gezeigt haben und die Schilder hoffentlich viele Nachahmer finden. Leider verhindern viel zu oft Barrieren im Alltag Inklusion und Teilhabe. Diese Barrieren müssen wir beseitigen“, so Minister Schrödter.
Seit seiner Erblindung im Jahr 1968 befasst sich König mit der Entwicklung technischer Hilfen für behinderte Mitmenschen. Er engagiert sich zudem für deren gesellschaftliche Integration. Sein Wirken reicht von sozial-integrativen Lernprojekten mit Schulklassen zum Umgang mit Behinderten bis zu Orientierungshilfen im öffentlichen Verkehrsraum wie die Straßennamenschilder oder im Freizeit- und Hobbybereich wie dem „Planetenpfad“ am Elbufer.
2012 hatte er das Straßenschildprojekt erstmals öffentlich vorgestellt, mit zehn Schildern startete die Versuchsphase. König ist mittlerweile über die Grenzen Wedels hinaus bekannt geworden. Dazu haben auch Auftritte in TV-Shows mit Kai Pflaume und Jörg Pilawa beigetragen. In 52 Städten Deutschlands wird derzeit mit seiner Idee gearbeitet.
Für Bürgermeister Gernot Kaser ist die Erfindung von König deswegen auch eine besondere Werbemaßnahme für Wedel. Die Schilder seien eine kleine Hilfestellung mit großer Wirkung. Er lobte „die Beharrlichkeit, mit der er das Projekt schließlich bis zur flächendeckenden Umsetzung gebracht hat.“ Die Stadtverwaltung hatte das Langzeitvorhaben verkehrsrechtlich begleitet und die Installation der Schilder durch den städtischen Bauhof organisiert. Projektträger ist der Arbeiter-Samariter-Bund in Wedel, mit dem König seit 1983 Projektvereinbarungen abschließt. Spender sorgten für die Co-Finanzierung – und jetzt auch für die Mittel aus der Staatskasse in Kiel.
Die öffentliche Aufmerksamkeit sieht König mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Einerseits freue er sich über die wachsende Bekanntheit seiner Idee. Andererseits bedeuten die gewachsene Popularität, dass er mehr Zeit als ihm lieb ist etwa für die Beantwortung von Anfragen investieren muss.
Ein Patent auf die Idee hat König, der tatkräftig von seiner Frau Marie-Luise unterstützt wird, nicht angemeldet. „Ich möchte, dass die Idee einer möglichst großen Zahl an Menschen zur Verfügung gestellt wird und ihnen helfen kann.“