Haseldorf. Trotz guter Ernte ist Wilfried Plüschau unzufrieden. Bald lohne es sich gar nicht mehr, in Deutschland Obst anzubauen, sagt er.
Wilfried Plüschau, einst Geschäftsführer der Marktgemeinschaft Altes Land (MAL) und Seniorchef des Obsthofes Plüschau in Haselau, erwartet eine ähnlich gute Apfelernte wie im vergangenen Jahr – aber das war auch schon die gute Nachricht bei der offiziellen Eröffnung der 22. Holsteiner Apfeltage in der Beruflichen Schule Elmshorn.
Europaweit erwartet Plüschau eine Apfelernte von zwölf Millionen Tonnen. „Einige Äpfel haben durch die Hitze Sonnenbrand und können nicht verkauft werden.“ Doch es sind die steigenden Energiepreise und die Erhöhung des Mindestlohns, die ihm Sorgen bereiten.
Obstanbau: Äpfel sind meist geerntetes Baumobst
„Viele Höfe werden die steigenden Kosten für den Anbau und den Verkauf von heimischem Obst bald nicht mehr stemmen können“, sagt er. Ein mittelgroßer Betrieb müsste 100.000 Euro pro Jahr mehr einnehmen, um die Kostensteigerung auszugleichen. Plüschau bezweifelt, dass dies den meisten gelingen werde.
Dabei wurden 2021 rund eine Million Tonnen Äpfel in der Region geerntet. Im Vergleich lag die Apfelernte damit um 4,6 Prozent höher als im langjährigen Durchschnitt. Der Apfel ist auch weiterhin das mit großem Abstand am meisten geerntete Baumobst in Deutschland. Laut der Obst-Erzeugerorganisation MAL mit Sitz in Jork wird im aktuellen Jahr auf einer Gesamtfläche von circa 2600 Hektar Kernobst angebaut. Die Tonnage beläuft sich auf 100.000 Tonnen. In Schleswig-Holstein werden auf circa 700 Hektar Kern- und Steinobst angebaut. Zahlen für den Kreis Pinneberg gibt es nicht.
Himbeeren werden in Marokko und im Senegal gepflückt
In dem familiengeführten Betrieb von Wilfried Plüschau in der idyllischen Haseldorfer Marsch werden auf knapp 36 Hektar verschiedene Apfelsorten angebaut. Hinzu kommen sechs Hektar Kirschen, drei Hektar Erdbeeren, zwei Hektar Zwetschgen. Das Geschäft mit den Himbeeren haben Plüschaus aufgegeben.
„Alles, was von Hand gepflückt werden muss, lohnt sich nicht mehr“, sagt der Obstbauer. Die Mindestlöhne seien dafür zu hoch. Andere Beerenbauern seien dazu übergegangen, Himbeeren in sogenannten Long canes (lange Ruten) zu ziehen und mit Lkw nach Marokko und in den Senegal zu fahren. Dort würden die Himbeeren dann geerntet.
„Die Arbeiter dort bekommen sieben Euro – am Tag“, sagt Plüschau. Entsprechend günstig können die Früchte im Handel angeboten werden. Dort würden sie dann als in Deutschland hergestellt etikettiert. Da ließe sich schwer mithalten. „Wir haben sonst von einem Obstbauern aus dem Alten Land Himbeeren zugekauft, aber der hat seine 14 Hektar gerodet, weil er dabei draufgezahlt hat.“
Obstanbau: Plüschau mit düsterer Prognose für Obsthöfe
Die Landwirtschaft werde von allen Seiten nur gegängelt. „Wir machen scheinbar alles verkehrt“, sagt Wilfried Plüschau, der sich mehr Anerkennung für seine Branche wünscht. „Kein Wunder, dass die kommenden Generationen die Familienhöfe nicht mehr weiterführen wollen.“ In den nächsten vier bis fünf Jahren würden ein Drittel derer, die Obstanbau betreiben, aufgeben, so die Prognose des Landwirtes.
Gravierend seien auch die strengen EU-Vorgaben, zum Beispiel bei Pflanzenschutzmittel. Gleichzeitig dürften aber Früchte aus Nicht-EU-Ländern eingeführt und auf dem deutschen Markt verkauft werden, die schwer belastet wären.
„Jeder kann rein liefern, was er will. Da wird nichts reguliert“, ärgert sich Plüschau. Und das oft zu viel niedrigeren Preisen. Während jedes Auto, das importiert werde, der TÜV-Norm hierzulande entsprechen müsse, gebe es bei der Einfuhr von Obst keine Richtwerte für Rückstandswerte auf Früchten. „Diese Politik macht die deutsche Landwirtschaft kaputt.“
Konsumenten bestimmen am Ende, was in die Regale kommt
Plüschau versucht die Gewinnspanne zu maximieren, indem er den Zwischenhandel ausschließt und auf Direktverkauf setzt. Er beliefert zweimal täglich frisch die örtlichen Lebensmittelhändler Edeka und Rewe, statt einen Großhändler. „Wir pflücken die Erdbeeren um 5 Uhr, damit sie um 8 Uhr in den Supermarkt-Regalen sind und liefern am Nachmittag erneut frische Ware.“ Kirschen würden in Schalen geliefert, damit nicht jeder die empfindliche Ware anfassen muss. Das verkürze die ansonsten kosten- und energieaufwendige Lieferkette.
Damit liege es auch am Konsumenten, ob die Obstbauern eine Zukunft haben. Mit ihrer Kaufwahl bestimmen sie ausschlaggebend, ob es auch künftig noch regionale Produkte in den Regalen geben wird. Allerdings wurden in Deutschland in der vergangenen Saison zwölf Prozent weniger Tafeläpfel verkauft, so Plüschau. „Viele Menschen müssen sparen, auch bei Lebensmitteln.“
Reichlich für Äpfel aus der Region geworben wird auch während der 22. Holsteiner Apfeltage, organisiert von der IHG Uetersen und vielen weiteren Mitstreitern. Von Mitte September bis Emde Oktober dreht sich auf Hof-Festen, Umzügen und Märkten im Kreis alles um das gesunde und so verlockende Kernobst.
Die Idee zu den Holsteiner Apfeltagen hatte Helmut Plüschau aus Wedel. 1998 richtete er das erste Holmer Apfelfest aus, die Wiege der Apfeltage. Von Anfang an war auch die Berufliche Schule Elmshorn dabei. Die Azubis kreierten Apfelbrötchen, Apfelbrot, Marzipanapfel und Kuchen. Als 2013 der Kreisbauernverband erklärte, dass mit den 15. Holsteiner Apfeltagen ihr Engagement ende, übernahm die IHG Uetersen die Organisation. Das Programm für die 22. Holsteiner Apfeltage lesen Sie in den nächsten Tagen.