Kreis Pinneberg. Auf dem Tidenkieker geht es auch zur geschützten Elbinsel Pagensand. Es gibt seltene (und kostenlose) Blicke in den Naturraum Elbe.

Ein Seeadler hockt auf der Steinmole – bis er sich majestätisch erhebt. Der Greifvogel war beinahe ausgerottet, seine Bestände durch Pestizide und die Verfolgung durch den Menschen stark dezimiert. Seit 1997 kommen die Greifvögel wieder in der Haseldorfer Marsch vor – wegen der Bemühungen von Naturschützern.

„Den beeindruckenden Lebensraum Unterelbe nimmt man am besten vom Wasser aus wahr“, sagt Edelgard Heim, Leiterin der Integrierten Station Unterelbe im Elbmarschenhaus in Haseldorf. Mit dem Flachbodenschiff, dem Tidenkieker, geht es einmal rund um die Elbinsel Pagensand. Los geht es im Hafen Kollmar. Die Fahrt ist kostenlos, da das Land Schleswig-Holstein die Miete für den Tidenkieker übernimmt.

„Wir werden nicht auf Pagensand anlanden, weil durch die Stürme im Februar zu massiven Abbrüchen geführt haben“, sagt Edelgard Heim. Doch es gibt auch Erfreuliches von der Elbinsel zwischen der Pinnau- und der Krückaumündung zu berichten. „Dort hat sich ein Biber angesiedelt“, sagt Heim. Pagensand gehört zur Gemeinde Seestermühe. Ein kleiner Teil im Norden liegt in der Gemeinde Kollmar (Kreis Steinburg) und ein noch kleinerer Teil der Südspitze in Niedersachsen.

Auch die streng geschützten Weißstörche sind an der Tideelbe zu Hause. Diverse Entenarten sind reich vertreten. Weißwangengänse überwintern hier und bleiben immer länger. Ein Austernfischer stakt durch den Schlamm. Zwei Brandgänse mit mehr als 20 Küken schwimmen vorbei. „Sie bilden Kindergärten mit Jungvögeln unterschiedlicher Gelege“, erklärt Heim. Seltene Kiebitze zeigen sich am Ufer. Eine Kegelrobbe döst auf der Sandbank.

Entlang der Unterelbe reihen sich Naturschutzgebiete aneinander. Sie werden unter der Bezeichnung „Natura 2000“-Gebiete geführt und bieten wichtige Lebensräume für Tiere und Pflanzen. Nach der Meldung der Gebiete an die EU muss jeder Mitgliedstaat sogenannte Managementpläne erstellen. Diese regeln Schutz und Nutzung der Gebiete. Sie beziehen auch die Naherholung, nachhaltige Nutzung und Umweltbildung ein.

Der Managementplan für das Elbästuar – Ästuare sind Mündungsbereiche großer Flüsse ins Meer – hat den offiziellen Namen „Integrierter Bewirtschaftungsplan“, kurz IBP, und wurde länderübergreifend zwischen Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein erarbeitet. Im Jahr 2022 feiert der IBP sein zehnjähriges Bestehen – und jedes Bundesland auf seine Art. Geplant sind Empfänge und Exkursionen.

„Zehn Jahre sind Grund genug, ein Resümee zu ziehen. Wir haben 70 Prozent der Ziele entweder bereits umgesetzt oder sie werden aktuell bearbeitet“, sagt Heim, die für viele Maßnahmen verantwortlich ist. Zu den bekannten Schützlingen gehören die Schachblumenwiesen in Hetlingen genauso wie der seltene Schierlings-Wasserfenchel.

Der Doldenblütler hat es wegen seiner Rolle im Gerichtsprozess um die Elbvertiefung zu Bekanntheit gebracht. „Schierlings-Wasserfenchel kommt weltweit nur entlang der Tideelbe vor“, sagt Heim. Während in Hamburg beim letzten Monitoring tausende Exemplare gezählt wurden, war es auf schleswig-holsteinischem Gebiet genau eine Pflanze. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Vermutlich verhindert die hohe Fließgeschwindigkeit der Elbe, dass sich die vom Aussterben bedrohten Pflanzen am Ufer halten.

Dennoch lassen die Naturschützer in ihren Bemühungen nicht nach. „Wir haben im vergangenen Jahr 2000 Exemplare gepflanzt. In diesem Jahr sollen noch einmal 1000 dazu kommen.“ Mit Hilfe der Stiftung Lebensraum Elbe werden Samen gesammelt und vermehrt. Die gezogenen Pflanzen werden dann an möglichst seichten Stellen ausgebracht. Eine kostenlose Exkursion zum Schierlings-Wasserfenchel, den Heim humorvoll den „Panda der Elbe“ nennt, soll es am Sonntag, 26. Juni, geben (siehe Infotext).

Ein weiterer Endemit, also eine Art, die es weltweit nur hier gibt, ist die Wiebel-Schmiele. Etwas unscheinbar und dennoch einzigartig ist das Süßwassergras nicht so ein Sensibelchen wie der Schierlings-Fenchel und wächst auch an befestigten Ufern zwischen Steinen wie am Fähranleger Kollmar. Heim lässt einen Stängel rumgeben. Die Blätter sind anders als bei Rasen-Schmielen nicht schneidend.

Mit den angrenzenden Naturschutzgebieten Eschschallen im Seestermüher Vorland und der Haseldorfer Binnenelbe mit Elbvorland gehört das Naturschutzgebiet Pagensand zu einem als Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung eingestuften Naturraum. Die Pagensander Nebenelbe gehört zu den wichtigsten Rückzugsgebieten für Fische.

Nur ein Verein darf hier angeln – seither gab es 300 Neuanmeldungen

Der Tidenkieker am Anleger in Kollmar. Einige Fahrten starten auch in Haseldorf.
Der Tidenkieker am Anleger in Kollmar. Einige Fahrten starten auch in Haseldorf. © Anne Dewitz | Anne Dewitz

„Früher wurde hier sehr viel illegal geangelt und es kam zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen Anglern und Naturschützern“, sagt Heim. Nun wurde eine Vereinbarung mit einem regionalen Anglerverein getroffen, denen das Angeln an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten erlaubt ist und die als einzige Angelscheine rausgeben dürfen. „Sie sorgen dafür, dass Schwarzangler fern bleiben. Der Verein hat seither 300 Neuanmeldungen“, sagt Heim. Das sei für alle eine Win-Win-Situation. „Nur für das Problem mit den vielen frei laufenden Hunden haben wir keine Lösung“, sagt sie. Viele Hundebesitzer zeigten sich uneinsichtig, würden ihre Tiere in den Schutzgebieten nicht anleinen.

Zum Naturschutz gehört auch, invasive Arten zurückzudrängen. „Auf Pagensand werden jedes Jahr etwa 30 Marderhunde geschossen“, sagt Heim. Sie plündern die Gelege. An der Südspitze Pagensands zeigt sich ein anderer hartnäckiger Eindringling, der Staudenknöterich. Er verdrängt in starkem Maße andere Arten. „Wir können nichts dagegen tun und lassen ihn stehen“, sagt Heim. Denn sobald Teile in der Elbe landen, würde er sich noch weiter ausbreiten.

Auf Haseldorfer Uferseite ragen die Strommasten gen Himmel. „Sie wurden aus einem Hubschrauber heraus mit Vogelmarkern versehen, um die Tiere davor zu schützen, in die Hochspannungsleitung zu fliegen“, sagt Heim. Mit dem neuen Bundesprogramm „Blaues Band Deutschland“ soll die Pagensand als ökologischer Trittstein im Biotopverbund der Bundeswasserstraße Elbe naturnah entwickelt werden. Auf der Insel sollen Feuchtbiotope und tidebeeinflusste Lebensräume entstehen und das Gebiet stärker an die natürliche Dynamik der Elbe angebunden werden.

Darüber hinaus werden Uferstrukturen der Kleingewässer verbessert sowie strukturreiche Ufer- und Sumpfzonen geschaffen. Durch Anpflanzung von Gehölzen und Sukzession sollen sich kleinflächig Auwaldstrukturen entwickeln. In der Uferzone und im ufernahen Marschland sollen standorttypische Tideröhrichte entwickelt werden sowie Prielstrukturen und zeitweilig wasserführende Kleingewässern entstehen. Das Projekt wird durch die Stiftung Lebensraum Elbe in Kooperation mit der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) umgesetzt.

Die nächsten Termine

Die Integrierte Station Unterelbe (ISU) in Haseldorf, auch Elbmarschenhaus genannt, wurde 2006 eröffnet. Im Haus vertreten sind das Land Schleswig-Holstein, der Nabu, Tourismus-Vereine sowie die örtliche Jägerschaft. Die Station kümmert sich in Zusammenarbeit mit den Kreisen um Schutzgebiete entlang der Elbe. Eine Ausstellung informiert über die Arbeit.

Am Sonntag, 26. Juni, gibt es eine kostenlose Tour zum seltenen Schierlings-Wasserfenchel in Blüte. Treffpunkt ist der Hafen in Haseldorf um 14. Von dort geht zu einem gut einsehbaren Bestand. Dauer: etwa 1 Stunde, keine Anmeldung nötig.

Die nächsten Fahrtermine mit dem Tidenkieker ab Haseldorf sind Freitag, 1. Juli, 16.30 bis 19:30 Uhr, Freitag, 15. Juli, 16 bis 19 Uhr und Sonntag, 31. Juli, 16:30 bis 19:30 Uhr.

Weitere Termine unter www.elbmarschenhaus.de. Die Buchungen können beim Tourismus in Marsch und Geest im Elbmarschenhaus getätigt werden: info@elbmarschenhaus.de

Telefon: 04129/955 49 10