Wedel. Anlaufstelle für Geflüchtete im Wedeler Krankenhaus kostet 500.000 Euro pro Monat. Polizeieinsatz nach Streit.

Ein altes Krankenhaus, 220 Geflüchtete, eilig aufgebaute Infrastruktur: Nachdem die Notunterkunft in Wedel inzwischen als erste Anlaufstelle für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine gilt, hat der Kreis Pinneberg erstmals die Kosten dafür offengelegt. Nach Angaben der Verwaltung gehe der Kreis zunächst in Vorleistung, und zwar allein mit Mietkosten in Höhe von 80.000 Euro pro Monat. Insgesamt zahlt der Kreis für den Betrieb der Notunterkunft sogar 500.000 Euro im Monat, sagt Kreissprecherin Silke Linne auf Abendblatt-Anfrage.

Flüchtlingsunterkunft im ehemaligen Wedeler Krankenhaus

Seit mittlerweile einem Monat finden vor dem Krieg in der Ukraine Geflüchtete im alten Wedeler Krankenhaus eine zentrale Anlaufstelle, um in sicherer Umgebung Unterstützung zu erfahren. Dass Menschen in Not zwingend geholfen werden muss, dürfte allgemeiner gesellschaftlicher Konsens sein. Doch die Übernahme der Kosten ist bislang nicht geklärt. Wie und ob sich Land oder Bund beteiligen, ist noch offen. „Darum geht der Kreis zunächst in Vorleistung“, so Linne. „Wir gehen allerdings davon aus, den überwiegenden Teil durch das Land erstattet zu bekommen.“

Zum Betrieb dieser Notunterkunft gehören nicht nur die Betreuung, sondern auch weitere Dienstleistungen wie Verpflegung, Reinigung, Entsorgung, Sicherheitsdienste und andere, zählt Linne auf. Zusammen etwa eine halbe Million Euro monatlich. Die Kreispolitik wird sich in ihrer Sitzung am 27. April mit den Finanzierungsfragen befassen. Klassische Personalkosten entstehen dem Kreis laut Linne für den Betrieb nicht. Das ehrenamtliche Engagement der Helfer sei weiterhin sehr groß.

„In der Notunterkunft sind in den vergangenen Wochen rund 100 Helfer tätig gewesen, die über die Strukturen des Katastrophenschutzes dort den Aufbau und die Anlaufphase unterstützt haben. Aktuell sind noch einige Kräfte des DRK und der DLRG vor Ort“, sagt Linne über die Personalstruktur. Ehrenamtliche Kräfte werden von ihren Arbeitgebern freigestellt. Den Verdienstausfall übernimmt in solchen Fällen die anfordernde Katastrophenschutzbehörde.

Flüchtlingsunterkunft soll nur Übergangsstation sein

Der Betrieb der Wedeler Notunterkunft sei darauf ausgelegt, in hauptamtliche Hände überzugehen. Die Hilfskräfte des Katastrophenschutzes unterstützten größtenteils lediglich bei der Aufbauphase. Solch ein Vorgang sei nicht unüblich.

Das Deutsche Rote Kreuz Pinneberg setzt überwiegend auf hauptamtliche Strukturen. Linne: „Um einen Rund-um-die-Uhr-Betrieb ausschließlich ohne Ehrenamtliche abdecken zu können, sollen in den nächsten Tagen noch weitere Mitarbeiter eingestellt werden.“

Für die Essensversorgung der Hilfesuchenden ist mittlerweile ein externer Caterer zuständig, nachdem das DRK als Hilfsorganisation in den ersten Wochen noch diese Aufgabe übernommen hatte. Über welchen Zeitraum die Geflüchteten dort bleiben, kommt auf die Lage in den Kommunen des Kreises an. „Grundsätzlich sollten die Geflüchteten fünf bis maximal sieben Tage in der Notunterkunft bleiben“, sagt Linne.

Flüchtlingsunterkunft in Wedel entstand in wenigen Tagen

Das seit Mitte 2020 leerstehende Krankenhaus war mit Hilfe des DRK-Kreisverbandes Pinneberg Mitte März innerhalb weniger Tage umorganisiert worden. „Sofern in den Kommunen sofort Wohnraum verfügbar ist, ist die Unterbringung in der Notunterkunft gar nicht erforderlich“, so Linne. Aktuell haben sich etwa 2500 Personen über ein Kontaktformular registriert und halten sich im Kreis Pinneberg auf. „Etwa 500 Personen haben bereits eine Aufenthaltserlaubnis durch die Ausländerbehörde erhalten“, sagt sie.

Zwei Mitarbeiter eines Sicherheitsunternehmens stehen deeskalierend in der Notunterkunft. Niemand wisse schließlich, was das Erlebte mit der Psyche anstellt. In der vergangenen Woche kam es zu einem Polizei-Einsatz, nachdem sich eine Familie vehement über Art und Menge des Essens beschwert hatte. Bei einer Überstellung einiger Geflüchteter in eine neue Unterkunft soll es zudem zu mehreren Vorfällen gekommen sein. Nach einer erfolglosen Umsiedlung würden sich diese Personen nicht mehr in der Notunterkunft befinden.

Flüchtlingsunterkunft: Polizeieinsatz nach Streit

Das bestätigt Hartwig Ridder, Leiter der Polizeistation Wedel. Es habe sich um eine Großfamilie gehandelt, deren Überstellung zunächst nicht geklappt habe, die Beamten hätten deeskalierend eingreifen müssen. Einen weiteren Polizeieinsatz habe es bei Ankunft der ersten Flüchtlinge in der Nacht gegeben, als 30 bis 40 Personen mit der Unterbringung nicht einverstanden waren und zu Fuß die B 431 in Richtung Hamburg entlang liefen.

Der Polizeichef spricht von „Einzelfällen“, die aufgrund der Traumatisierung der Geflüchteten und der räumlichen Enge in der Unterkunft zu erwarten waren. Die Beamten seien zudem „aus eigenem Antrieb“ häufig vor Ort, um so etwas wie Vertrauen zu den untergebrachten Menschen aufzubauen, um sich als Freund und Helfer zu präsentieren. „Wir wollen deutlich machen, dass die Polizei in Deutschland anders als vielleicht im Herkunftsland nicht negativ besetzt ist“, sagt Ridder. Er sieht die Notunterkunft aus Polizeisicht nicht grundsätzlich als problematisch an.