Uetersen. Im Uetersener Langes Tannen musste wegen der zerstörten Scheune umgedacht werden. Den Auftakt macht Künstlerin Annette Streyl.
„Es muss weitergehen, und so hat sich viel verändert bei uns“, sagt Museumsleiterin Ute Harms. Denn nach dem Brand der Museumsscheune des Museums Langes Tannen in Uetersen in der Nacht zum 11. Oktober des vergangenen Jahres dient jetzt das benachbarte Herrenhaus als Ausstellungshaus für die wechselnden Schauen. Es ist quasi zu einer Galerie geworden – und erlebt nun seine Premiere in neuer Funktion.
Jetzt hängen und stehen in den dortigen Schauräumen und an den frisch gestrichenen grauen Wänden die Werke der Hamburger Künstlerin Annette Streyl. Es sind mehr als 50 Arbeiten, über zwei Stockwerke verteilt. Sie sind vom 26. März bis zum 29. Mai zu sehen. Darunter Arbeiten aus ihrem Werkblock „Museum für Arme“ und „Idols“ sowie Steinskulpturen und Naturdarstellungen.
Wo zuvor üblicherweise die Wohnkultur einer bürgerlichen Familie über die Epochen und im regionalen Zusammenhang rekonstruiert wurden, steht nun also zeitgenössische Kunst. Das davor ausgestellte historische Mobiliar, Silber, Porzellan und Bilder der Familie Lange lagern sicher verpackt in Kisten und säurefreien Kartons. Ihren Dornröschenschlaf sollen die Dinge beenden, wenn die Scheune wieder als Ausstellungsgebäude zur Verfügung steht.
Unter dem Motto „Fineart“ präsentiert das Museum dort nun mit Annette Streyl in der ersten Ausstellung eine Künstlerin, deren Skulpturen und Objekte in eine reizvolle Beziehung zu der historischen Architektur des Hauses treten, erklärt Harms. Eine Punktlandung, denn seit Mitte der 90er-Jahre setzt sich Streyl in ihrer künstlerischen Arbeit mit den Themen Architektur und Raum auseinander. Insbesondere die Bedeutungsebenen und -strukturen von Architektur thematisiert sie in ihren Rauminstallationen und Sandsteinskulpturen. Die machtvolle Bildwirkung und -sprache der Architektur wird in Streyls Werk sichtbar und nachvollziehbar.
Streyl greift dabei neben Naturthemen für viele ihrer Arbeiten auf einen kunstgeschichtlichen Motivfundus, vor allem die Porträtkunst des 15. und 16. Jahrhunderts zurück. Etwa die von Hans Holbein dem Jüngeren oder Jan Vermeer. Ob bei plastischen Arbeiten aus Stein und Keramik oder den reliefartigen Darstellungen aus günstigen Baumarkt-Sperrholzplatten und Wellpappe aus dem Altpapiercontainer – immer ist für sie neben der Reduktion und Vereinfachung die Materialbeschaffenheit zentrales Gestaltungs- und Ausdrucksmittel.
Die gelernte Steinbildhauerin hat in den vergangenen Jahren ein beachtliches und vielfach ausgestelltes Werk geschaffen. Ihre Arbeiten kreisen um die Erfahrungswelt des Alltäglichen, um die von Menschen erschaffene und gestaltete Umwelt. Sie ist eine Spurensucherin, die die Architektur und die sie schmückenden Bildwerke liest und entzaubert.
Annette Streyl wurde 1968 in Münster geboren. 1988 bis 1989 studierte sie an der Kunstakademie in Münster. 1989 bis 1992 machte sie eine Ausbildung zur Steinmetzbildhauerin und studierte von 1993 bis 1996 an der Muthesius-Hochschule in Kiel bei Jan Koblasa. Anschließend nahm sie ein Studium an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg bei Franz Erhard Walther auf, welches sie 1999 als Meisterschülerin abschloss.
Seit dem Jahr 2000 stellte sie ihre Arbeiten in Galerien und Museen in verschiedenen deutschen Städten aber auch in Frankreich, den USA, Schweiz, Japan, Ungarn, Niederlande, Österreich, Dänemark, Norwegen und Belgien aus. Nachdem sie 2000 einen Lehrauftrag an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg annahm, arbeitete sie unter anderem mit Förderungen und Stipendien in diversen Projekten und Lehraufträgen in Norddeutschland, aber auch in Italien (2008) und Los Angeles (2017). Annette Streyl lebt und arbeitet derzeit in Hamburg.