Wedel/Berlin. Christiane Hoffmann erklärt die Politik der Koalition. Wie die Frau aus dem Kreis Pinneberg dazu kam.
Von Wedel in die weite Welt der Politik: Seit Jahresanfang gibt es mit Christiane Hoffmann eine neue erste stellvertretende Regierungssprecherin in Berlin. Und ihre Wurzeln liegen im Kreis Pinneberg, in der Rolandstadt Wedel. Eine Zeit, die sie durchaus geprägt hat: „Meine stärkste Kindheitserinnerung ist die Sturmflut von 1976. Strom und Schule fielen tagelang aus, und wir halfen unseren Freunden, die näher an der Elbe wohnten, beim Befüllen der Sandsäcke und hinterher beim Trockenlegen ihrer Keller“, erinnert sich Hoffmann. Das Erlebte hat sie nachhaltig beeinflusst. „Ich sammelte damals alle Zeitungsartikel, die ich zu dem Thema finden konnte, und klebte sie in ein eigenes Buch ein“, sagt Hoffmann. Vielleicht war dies „der erste Schritt in Richtung Journalismus“.
Bevor Christiane Hoffmann den Schritt in die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung wagte, war sie mehr als 25 Jahre Journalistin. Angefangen zu schreiben hat sie 1973 in der Grundschule am Moorweg. „Ich habe als Kind schon gern geschrieben und dann während des Studiums angefangen, journalistisch zu arbeiten“, sagt die heute 54-Jährige. 1986 absolvierte Hoffmann ihr Abitur am Johann-Rist-Gymnasium. Danach ging es für viele Jahre ins Ausland, die Verbindung zu Wedel blieb aber immer bestehen: „Wenn ich dann meinen Heimatort Wedel beschreiben sollte, habe ich natürlich von der Schiffsbegrüßungsanlage und vom Roland erzählt. Ging es um berühmte Wedeler, erwähnte ich Ernst Barlach und Johann Rist, die international allerdings nicht so bekannt sind.“
Komplett anders verhalte sich dies mit einem anderen Wedeler: Kreml-Flieger Matthias Rust, der am 28. Mai 1987 kurzerhand mit seiner Cessna auf einer Brücke unweit des Roten Platzes in Moskau landete. „An ihn erinnert man sich bis heute weit über Deutschlands Grenzen hinaus: Wedel, die Stadt von Rist und Rust“, sagt Hoffmann.
Die ursprüngliche Heimat ihrer Familie ist Schlesien, von dort ist ihr Vater Walter im Winter 1945 vor der Roten Armee geflohen, und zwar nach Wedel. Hoffmann selbst ist den 550 Kilometer langen Weg im Januar 2020 allein gelaufen – zu Fuß. Darüber hat sie das Buch „Alles, was wir nicht erinnern: Zu Fuß auf dem Fluchtweg meines Vaters“ geschrieben, das jetzt erschienen ist.
Neben ihrem Job als erste stellvertretende Regierungssprecherin ist sie erste stellvertretende Leiterin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung. „Seit ich 2010 nach Berlin kam, habe ich als Journalistin die Arbeit der Regierung analysiert und kritisiert. Jetzt haben mich im Dezember Robert Habeck und Annalena Baerbock gefragt, ob ich für die Partei Bündnis 90/Die Grünen erste stellvertretende Regierungssprecherin werden möchte.“ Sie nahm das arbeits- und zeitintensive Job-Angebot an: „Ich werde künftig die Arbeit der Bundesregierung erklären und kommunikativ begleiten. Es ist wichtig, dass diese Regierung Deutschland gut regiert und gut funktioniert. Und dafür spielt auch die Kommunikation eine wichtige Rolle.“ Wenn sie dazu nun in aktiver Rolle einen kleinen Teil beitragen könne, „mache ich das sehr gern.“ Hoffmann ist politisch ungebunden, gehört keiner Partei an. Ein wenig Kombinationsgabe hilft allerdings, um zu erkennen, welcher politischen Gruppierung gegenüber die größte Sympathie besteht.
Die Kanzlerpartei SPD hat sich für Steffen Hebestreit entschieden, die Grünen wählten Hoffmann aus, die FDP nahm Wolfgang Büchner als zweiten Stellvertreter. Derzeit wird Hoffmann gründlich eingearbeitet und ist bis zu zwölf Stunden täglich im Büro – oder in Terminen. Früh morgens werden die Berichte der Presse gesichtet, dann gibt es diverse Schaltkonferenzen mit den Grünen und im Bundespresseamt, in denen die aktuelle Lage beraten wird.
„Meine Aufgabe ist es, die Bundesregierung nach außen zu vertreten. Dafür nehme ich auch an internen Sitzungen teil, um eine ausreichend tiefe und detaillierte Erkenntnis darüber zu erhalten, weshalb die Bundesregierung in bestimmten Situationen dieses oder jenes entscheidet oder welche Gesetzesvorhaben geplant sind“, sagt die Exil-Wedelerin, deren beiden Kinder gerade ausgezogen sind und ihr Studium in Angriff nehmen. Zudem organisiert sie die Pressearbeit mit ihren zahlreichen täglichen Anfragen aus der Medienbranche an die Bundesregierung. Montags, mittwochs und freitags stehen zudem die planmäßigen Bundespressekonferenzen in ihrem Kalender.
Nach Wedel reist Hoffmann, die mit dem ehemaligen Schweizer Botschafter in Berlin, Tim Guldimann, verheiratet ist, nach wie vor gern und regelmäßig. „Meine Mutter Christa-Marianne wohnt in der Moorwegsiedlung“, erzählt sie. Alle „ein bis zwei“ Monate bemüht sie sich, in die Rolandstadt zu kommen. Ihr Bruder Karsten wohnt ebenfalls in Wedel, ihre Schwester Marianne in Moorrege.
Viele Freunde und Bekannte sind ebenfalls in der Region zu Hause. Beim Gedanken an die Heimat gerät sie fast ein wenig ins Schwärmen: „Ich bin gern am Elbhochufer, auf dem Auweidenweg oder am Fährhaus. Immer, wenn ich in Wedel bin, jogge ich im Klövensteen, am Wildgehege entlang zum Schnaakenmoor. Ich liebe das sehr. Auf dem Deich gehe ich auch laufen. Es gibt einfach sehr viele Orte aus meiner Kindheit. Auch Fährmannssand. Ich erkundige mich regelmäßig, was so in der Lokalpolitik läuft. Ich habe eine große Verbundenheit zu dieser Stadt“, erzählt Hoffmann, die auch regelmäßig in politischen Talkshows im Fernsehen zu Gast war.
In der Hauptstadt joggt sie auch, aktuell dreimal wöchentlich acht Kilometer. „Das brauche ich einfach, wenn ich das nicht machen kann, werde ich ungenießbar“, sagt Hoffmann und lacht. Neben der Familie gibt es ein weiteres Ausgleichshobby der Wahl-Berlinerin: Wochenendausflüge nach Brandenburg, gelegentlich auch auf dem Pferd.
Christiane Hoffmann war mehr als acht Jahre Auslandskorrespondentin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ). Von 1996 bis 2004 war sie in Moskau und Teheran beruflich aktiv. Sie spricht Russisch und eine grundsätzliche Alltagsverständigung auf Farsi funktioniert auch. Die 1967 in Rissen geborene Hoffmann studierte mit einem Stipendium Slawistik, Geschichte, Journalistik in Freiburg, Leningrad (heute St. Petersburg) und Hamburg. Bei einem Praktikum bei der „FAZ“ lernte sie auch Hebestreit kennen – nun gibt es eine zufällige berufliche Wiedervereinigung. Nach der Rückkehr aus dem Ausland führte der berufliche Weg Hoffmann zur „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, ehe sie von 2013 bis 2018 als stellvertretende Leiterin im Hauptstadtbüro des „Spiegel“ in Berlin arbeitete. Zuletzt war sie Autorin für das Magazin.
Welche politischen Themen interessieren sie persönlich? Hoffmann: „Ich habe mich immer besonders für Außenpolitik interessiert.“ Angesichts des Russland-Ukraine-Kriegs verfolge sie gespannt die Entwicklungen. Sicher sei es von Vorteil, die Sprache zu sprechen und die russische Mentalität kennen gelernt zu haben. Im Moment beschäftige sie aber auch alles, was mit dem Großprojekt der Ampelkoalition zu tun hat: die sozial-ökologische Transformation. Dennoch lag ihr journalistischer Fokus lange auf dem Ausland. Sie hat mit Leidenschaft Reportagen aus Ländern geschrieben, deren Kultur und Gesellschaften „nicht so leicht zu erklären waren“ oder bisweilen auch mit „negativen Vorurteilen“ zu kämpfen hatten. Vielleicht war diese Erfahrung nie wichtiger als heute.