Wedel. Wedels Bürgermeister hat plötzlich zwei Überraschungsmitbewerber. Wer sie sind und was die Parteien wollen.
Lange dauert es nicht mehr, bis am 6. März nächsten Jahres der neue Bürgermeister von Wedel gewählt wird. Aber die längste Zeit gab es nur einen einzigen Bewerber für das Amt. Das hat sich nun geändert. In den vergangenen Tagen kamen zwei neue Kandidaten aus ihrer Deckung: Gernot Kaser und Christian Stolle, beide parteilos.
Als Kandidat stand zuvor nur der amtierende Bürgermeister Niels Schmidt fest. Der Diplom-Verwaltungswirt will noch einmal antreten und bewirbt sich damit um eine vierte Amtszeit. Das hatte er schon Anfang August öffentlich gemacht und geschrieben: „Ich glaube, dass ich mit meiner langjährigen Erfahrung, mit meinem Wissen und weil ich mit Leib und Seele Wedeler bin, in der schwierigen nächsten Zeit weiterhelfen kann.“ Schmidts Stärke: 18 Jahre Erfahrung als Wedeler Bürgermeister. Der 61-Jährige ist inzwischen der dienstälteste hauptamtliche Verwaltungschef im Kreis Pinneberg.
Gebürtiger Österreicher Gernot Kaser lebt seit 2006 in Wedel
Ab jetzt hat Schmidt zwei Konkurrenten: Gernot Kaser lebt seit 2006 in Wedel. Der 59-Jährige ist Inhaber und Geschäftsführer von PersonDo, wo er Führungskräfte und Unternehmen zusammenbringt. Außerdem bietet er über seine Firma Jobnautic Berufsberatung für Schüler und Berufstätige an. Der gebürtige Österreicher ist Diplom-Ingenieur der Medizintechnik und hat in den unterschiedlichsten Führungspositionen gearbeitet.
Dort hatte er nach eigener Aussage mit Verwaltung, Marketing und Vertrieb zu tun. Den Berufshintergrund merkt man Kasers Programm an. Seine Schwerpunkte sind Stadtentwicklung, das Controlling kommunaler Projekte, die Modernisierung von Schulen und mehr Bürgerservice. Kasers Motto dafür steht auch schon fest: „Frischer Wind und klare Kante für Wedel“. Eine Ableitung des Stadtslogans.
Kaser dachte schon 2016 über eine Kandidatur nach
Er habe schon vor sechs Jahren mit dem Gedanken gespielt, als Bürgermeister zu kandidieren, sagt Kaser im Gespräch. Und durch seinen Eintritt in die FDP vor gut zwei Jahren habe er erheblichen Einblick ins Rathaus und die laufenden Projekte erhalten. Kaser will, dass diese Projekte fertiggestellt werden – dafür soll das Finanzmanagement optimiert werden.
„Kosten müssen vorhersehbar werden“, sagt der Kandidat. Auch die Verschuldung der Stadt wolle er durch ein „stringentes Verfahren“ angehen. Doch nicht nur Stringenz, auch Transparenz zählt für ihn. Er habe rausgehört, dass sich der Bürger mehr Informationen wünschten – deshalb brauche es eine sinnvolle Digitalisierung auch in den Kommunen.
Für die Digitalisierung erhofft sich Kaser eine Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Wedel. Und: „Jetzt gilt es, den Businesspark mit Leben zu füllen.“ Nachdem er selbst häufig im Ausland tätig war, möchte er dafür international Netzwerke spannen. Außerdem müssten die Schulen auf den Prüfstand, so Kaser. Damit meint er vor allem den digitalen Innenausbau und die Prüfung der Gebäude- und Betriebskosten.
Christian Stolle kommt beruflich hoch hinaus
Sein Mitbewerber Christian Stolle ist Industriekletterer und gelernter Installationstechniker. Er hat sich 2007 mit seinem Unternehmen in Wedel selbstständig gemacht. Auch Stolle wünscht sich eine größere Teilhabe am politischen Prozess für die Bürger der Rolandstadt. Er will die Stadt nachhaltiger und zugleich zukunftsfähig machen. Kernpunkte seines Programmes bilden die Stärkung der Bahnhofstraße als „neue Stadtmitte“ und die Unterstützung von Kleinunternehmern. Viel mehr ist über ihn noch nicht bekannt: Es hat sich für die Redaktion als nahezu unmöglich erwiesen, mit ihm ein Telefongespräch zu verabreden und dann zum verabredeten Zeitpunkt auch zu führen.
Soweit die unabhängigen Kandidaten. Von den Wedeler Parteien war in Sachen Bürgermeisterwahl bislang wenig zu hören. Kein Kandidat hat sich aus ihren Reihen gemeldet. Das Abendblatt hat mit den Parteivorsitzenden gesprochen und nachgefragt. Ergebnis: Tatsächlich beabsichtigt keine Partei, einen Kandidaten aufstellen.
Bürgermeisterwahl in Wedel: Was die Parteien planen
„Aus unseren Reihen ist da nichts zu erwarten, meiner Kenntnis nach“, sagt Nina Schilling, die Wedeler FDP-Vorsitzende. Man habe zwar Bewerbungen erhalten, aber davon sei nichts an das Rathaus gegangen. Auch der Vorsitzende der Linken, Detlef Murphy, bestätigt, dass seine Partei keinen Bewerber ins Spiel bringe.
Bei der SPD fiel die Entscheidung kurzfristig. „Wir haben gemeinsam entschieden, keinen Kandidaten aufzustellen“, heißt es von Claudia Wittburg, die bei der Wahl 2016 selbst schon einmal für das Bürgermeisteramt kandidierte. Die Bewerbung der parteilosen Kandidaten begrüßt sie: „Ich freue mich für die Bürger, wenn es Auswahl gibt.“
Auch bei der CDU hat man niemanden finden können. „Wir haben die aktive Suche leider einstellen müssen“, sagt die Vorsitzende der Christdemokraten, Vivien Claussen. „Ich fürchte, dass wir keinen Kandidaten aufstellen.“ Sie hofft, dass vielleicht noch eine Frau antritt, spätestens jedenfalls zur nächsten Wahl in sechs Jahren.
Entscheidung bei den Grünen fiel vor wenigen Tagen
Bei den Grünen wiederum fiel die Entscheidung erst vor wenigen Tagen. „Wir haben lange geschaut“, erklärt die Parteivorsitzende Petra Kärgel. „Es sind tolle Leute dabei gewesen, aber wir haben uns dagegen entschieden.“ Sie verweist auf die schwierigen Bedingungen aufgrund der Corona-Pandemie – und auf den Kraftakt der zurückliegenden Bundestagswahl.
Zur Kandidatenkür bei der Wedeler Sozialen Initiative meint der Vorsitzende René Penz: „Wir haben das bei der WSI noch nicht abschließend diskutiert.“ Er gehe aber davon aus, dass kein Kandidat aufgestellt werde. Ob man stattdessen einen der parteilosen Bewerber unterstützen wolle, müsse man dann sehen.
Denn theoretisch könnten sich auch noch weitere Kandidaten ohne Parteibindung melden. Die Bewerbungsfrist für die Wahl zum Bürgermeister läuft noch bis zum 10. Januar. Bis dahin müssen die Parteilosen mindestens 155 Unterstützerunterschriften bei den Wedeler Bürgerinnen und Bürgern gesammelt haben, um tatsächlich zur Wahl zugelassen werden.