Kreis Pinneberg. Serie: Diesmal geht es um 2007, als auch Kyrill wütete und Pinneberg mit Wasserski ein bisschen cooler wurde.
Der Orkan Kyrill wütet im Januar. Bäume werden entwurzelt, Dächer abgedeckt. Die Bilanz: 600 Feuerwehrleute aus 33 Gemeinden rücken zu 142 Einsätzen aus. Eine ungesicherte Stahlbandrolle lässt einen Güterzug in Tornesch entgleisen. Es entsteht ein Millionenschaden, giftige Chloressigsäure tritt aus. Die meistbefahrene Zugstrecke Schleswig-Holsteins ist eine Woche für Aufräumarbeiten gesperrt. Elf der 21 Waggons waren aus den Schienen gesprungen, weil die Rolle sich während der Fahrt gelöst hatte und die Bodenplatte durchschlug. Die Beseitigung der Umweltschäden dauer mehr als ein Jahr.
Der Bund der Steuerzahler nennt den vermasselten Halstenbeker Sporthallen-Bau den „längsten Dauerbrenner in der öffentlichen Verschwendung in Deutschland“. Nach zwei Einstürzen der Dachkonstruktion („Knick-Ei“) – der erste Baubeginn war 1995 – und unzähligen Diskussionen über die weitere Vorgehensweise rollen nun die Bagger und zerstören das „Mahnmal für Pfusch am Bau“. Für weitere 5,6 Millionen Euro – mit dem Geld aus erfolgreichen Klagen – soll eine „normale“ Sporthalle entstehen.
Brücke in Quickborn erfüllt Erwartungen nicht
Vier Millionen Euro hat in Quickborn die Malchower-Brücke gekostet. Und sie wird weniger genutzt als erhofft. Schon im November hatte die Bürgerinitiative „Bürger für ein ungeteiltes Quickborn“ dies behauptet. Nun bestätigen das offizielle Zahlen: Täglich sind es 5400 Fahrzeuge. Mit dem Doppelten war kalkuliert worden. Dafür ist der Verkehr an den beiden verbliebenen Bahnübergängen an der Heidkampstraße und Harksheider Weg deutlich erhöht. Der Tenor eines Abendblatt-Kommentars: Autofahrer seien Gewohnheitstiere, es müsse mehr Werbung für den neuen Weg geben.
TV-Koch Tim Mälzer kehrt als Lehrer an seine alte Schule am Fahltskamp zurück und gibt eine Woche Ernährungstipps mit einem Kochprojekt in der Caféteria. „Setzt euch ruhig in die erste Reihe. Da kriegt man viel weniger Beachtung vom Lehrer als in der letzten Reihe! Ich muss es wissen, ich bin schließlich bekannt für meine herausragenden schulischen Leistungen an dieser Schule“, sagt der damals fast 36-Jährige, der sich für eine vollwertige Verpflegung an Schulen einsetzt.
„Hier sind Hauptschüler die Lehrer“, lautet eine Überschrift im Februar. Es geht um eine Rellinger Seniorengruppe. Schüler aus dem Schulzentrum Egenbüttel erklären den Älteren den Umgang mit Handys und kümmern sich rührend.
Neuer Trend: Ausbildung in Teilzeit
Nach sechsjähriger Pause und zwei Kindern nimmt eine Elmshorner Bäckereifachverkäuferin ihre Lehre wieder auf, um die noch fehlenden eineinhalb Jahre der Ausbildung zu beenden. Möglich macht dies eine Gesetzesänderung nebst Teilzeitmodell. Um 7 Uhr kommen die Kinder in die Kita, dann geht’s zur Arbeit oder einmal wöchentlich in die Berufsschule. Um 14.30 Uhr holt die 24-Jährige ihre Sprösslinge wieder ab. Danach wird oft noch gelernt. „Das klappt sehr gut.“
Das Urteil im Revisionsprozess im Fall des ermordeten Elmshorner Kindes Tim sorgt für Empörung. Der Stiefvater erhält elf Jahre wegen Totschlags. In einem ersten Urteil waren es noch 13 Jahre Gefängnis. Bei guter Führung könnte er 2013 schon freikommen. Diese „Milde“ für ein schlimmes Verbrechen an einem Kind schockiert viele. „Straftaten an Kindern sollten endlich härter bestraft werden“, sagt eine Großmutter. Es gehe um Abschreckung. Viele fordern auch, dass Mutter und Jugendamt in Verantwortung genommen werden. Die 200.000 belasteten Quadratmeter auf dem ehemaligen Raffinerie-Gelände des Exxon Mobil-Konzern in Wedel werden nun doch von der Firma saniert. Die Maßnahme läuft bis 2009 und kostet etwa 30 Millionen Euro.
Busfahrer sollen wirtschaftlicher fahren
„Wir wollen durch verminderten Kraftstoffverbrauch die Kosten senken und die Umwelt weniger belasten“, sagt der Sprecher der Pinneberger Verkehrsgesellschaft. 1300 Busfahrer sind im März bei einer Fortbildung zum Thema „Wirtschaftliches Fahren“ und üben auf einem zwölf Kilometer langen Rundkurs. Etwa 4000 Euro täglich werden eingespart. Ende des Monats schließt überraschend die Geburtshilfe-Station der Regio Kliniken in Elmshorn. Der Schritt sollte eigentlich erst im Juni vollzogen werden und löst große Proteste aus. Stationäre Geburten sind nun nur noch in Pinneberg möglich. In jener Stadt wird im April die kreisweit zweite Notfallpraxis eingerichtet, die auch an Wochenenden und Feiertagen Patienten behandelt.
2012 soll das Kraftwerk Wedel vom Netz gehen, doch es gibt Gedankenspiele, dass es schon 2016 eine Renaissance gibt: Vattenfall meint, ein Kohlekraftwerk ohne Kohlenstoffdioxid-Ausstoß bauen zu können. „Oxyfuel“ heißt das System, bei dem Kohle verbrannt wird. Aber nicht mit Luft, sondern mit reinem Sauerstoff und rückgeführtem Rauchgas. Das entstandene C02 ließe sich verflüssigen. Wedel ist bis heute am Netz.
Uetersener Gymnasiasten pflanzen 1000 Bäume
Bei der „wohl größtem Baumpflanzaktion des Landes“ setzen Uetersener Gymnasiasten die auf der Roten Liste stehende Flatterulme im Tal der Krückau bei Langeln ein. Gut 1000 Bäume finden ein neues Zuhause. Zuvor hatten die Schüler sich eineinhalb Jahre um die Jungpflanzen gekümmert. Im Mai ist VfL Pinneberg-Tanzlehrer Oliver Seefeldt wieder Teil von „Let’s Dance“ im TV. Kein Wunder: Mit Katja Ebstein übersteht er die erste Runde.
Pinneberg hat endlich wieder eine Bahnhofstoilette. Die Stadt mietet von der Bahn die sanitären Anlagen der einstigen Gaststätte. Der Bürgermeister spendiert sogar großzügig eine Rolle Klopapier zur Eröffnung. Der Prozess gegen den Mann der Ex-Leiterin des Elmshorner Hortes, der Kinder sexuell missbraucht hat, platzt im Juni. Auch die Ehefrau ist wegen Beihilfe angeklagt. Die Gutachterin sei befangen, weil sie Akteninhalte ausgeplaudert hatte.
Elmshorner Fußballer verlieren 1:11 gegen FC St. Pauli
2600 Zuschauer sind bei der 100-Jahr-Feier von Holsatia Elmshorn dabei. Die Bezirksliga-Fußballer messen sich mit dem Zweitliga-Aufsteiger FC St. Pauli und verlieren 1:11. Ehrenmitglied Jürgen Reimers sagt, er habe „vor 40 Jahren zuletzt so viele Zuschauer erlebt.“ 1967 war er Mittelstürmer, als die Elmshorner noch um die deutsche Amateurmeisterschaft gekämpft hatten.
Im Juli eröffnet die Wasserski-Anlage in Pinneberg. Ein fast zweijähriges Gerangel um den Bürgermeisterposten in Barmstedt, inklusive Wahlanfechtung, ist vorbei: Bei der Stichwahl setzt sich Amtsinhaber Nils Hammermann (parteilos) mit einer Zweidrittelmehrheit gegen den ebenfalls parteilosen Herausforderer Ralf Gercken durch. Die Elmshornerin Susanne Störmer ist fasziniert vom Untergang der Titanic 1912. Sie recherchiert jahrelang, reist unter anderem nach England und Neuseeland, um mit Verwandten des ersten Offiziers zu sprechen, der falsch reagiert haben soll, nachdem der Ruf „Eisberg voraus“ erschallt war. Sie stellt Thesen auf, die sich allerdings nicht beweisen lassen. Ein Beispiel: Der erste Offizier sei ertrunken und habe sich nicht erschossen. Der Kapitän war nicht beim Essen, sondern auf der Brücke. Aus rechtlichen Gründen sei dies aber verschwiegen worden.
Wedeler bekocht den Dalai Lama
Wenig schweigsam zeigt sich der Wedeler Koch Kai Picht, wenn es um die streng vegetarische Verpflegung geht, die dem Dalai Lama und seinen Begleitern beim knapp zweiwöchigen Besuch in Hamburg serviert wird. So gibt es zum Beispiel „Soja-Bratlinge, Hirse-Burger, Salat und zum Nachtisch Kokos-Milchreis mit frischen Früchten und Schwarzwälder Kirsch-Crumble – ohne Alkohol.“
Ein Drittel aller Autos fahren zu schnell in Tempo-30-Zonen. Das ergeben Messungen von Polizei und Kreisverwaltung im August. Erschreckend: Meistens sind es Anlieger, die die Strecken kennen und die Beschränkungen nicht akzeptieren. Vor Schulen sind es oft Eltern – mit eigenen Kindern im Auto. Seit 1935 hat Coca Cola auch in Elmshorn seine Getränke abgefüllt. Damit ist nun Schluss, weil alle bislang eigenständigen Franchise-Konzessionäre nach dem Lizenzende in der Aktiengesellschaft aufgehen. Abfüllung und Vertrieb des US-Konzerns nun: in Berlin.
Kreisverwaltung plant bürgerfreundliche Sprache
Worte in Amtsschreiben wie etwa „Kostenübernahmezusageerklärung“ oder „Grunddienstbarkeitsbewilligungserklärung“ sollen der Vergangenheit angehören. Manchmal seien Briefe für den Bürger nicht zu verstehen. Die Kreisverwaltung plant im September als erste Behörde des Landes eine neue, „bürgerfreundliche“ Sprachregelung. Die Netz GmbH (E.on) möchte die 240-Kilovolt-Stromtrasse durch eine mit mehr Wumms (380 KV) ersetzen – von Haseldorf bis nach Norderstedt. „Ist es nicht möglich, die Leitungen unter die Erde zu legen?“, fragt Klaus Kanarski aus der Stadtverwaltung Uetersen. „Wir prüfen das“, antwortet die E.on-Sprecherin. Das technisch aufwendige Vergraben wird bisher nur in Großstädten umgesetzt.
Zwei Teenager planen einen Bombenanschlag auf dem Rellinger Apfelfest. In einem Test im Juli hatte ihr selbstgebastelter Sprengsatz einen Zigarettenautomaten zerstört. Die 19-Jährigen hatten enge Freunde über ihr Vorhaben informiert, die Ermittler bekamen einen Tipp. Ein Sondereinsatzkommando nimmt die beiden bekannten Täter fünf Tage vor dem Apfelfest fest. Im Oktober eröffnen die Welau-Arcaden in Wedel mit 23 Läden, Praxen, Büros und 230 Parkplätzen. Derweil beginnt der Abriss der Ladenzeile an der Heinrich-Christiansen-Straße in Pinneberg. Für elf Millionen Euro entsteht bis November 2008 ein neues Einkaufszentrum.
Mehr Regenwasser soll versickern
Wedel wirbt für einen neuen Umgang mit Wasser. „Die Folgen des Klimawandels sind für jeden zu spüren. Seit ein paar Jahren häufen sich Starkregenereignisse“, heißt es im Artikel. Dabei gerate oft die Kanalisation an ihre Grenzen. Daher soll nun verstärkt auf Versickerungsanlagen und Systeme gesetzt werden, um das Regenwasser direkt wieder zurück in die Natur zu leiten. Auch in Bönningstedt, Moorrege und Hetlingen sind solche Systeme im Einsatz.
Einer der beiden Gründer der „Rote Gourmet Fraktion“ lebt in Holm. Die Gruppierung arbeitet als Caterer und sorgt für das Essen in der Punkrockszene. Zu den Kunden gehören Die Ärzte, Die Toten Hosen, Rammstein oder Fury In The Slaughterhouse. „Wer auf oder an der Bühne hart arbeitet, muss sich gut ernähren“, sagt Ole Plogstedt, der im Hotel Steigenberger gelernt hat, irgendwann sich aber der „Lohnsklaverei“ entziehen wollte und vor 14 Jahren das Unternehmen aufgebaut hat.
Pinneberger Knöllchenschreiberinnen werden beschimpft
Die Mitarbeiterinnen der Pinneberger Verkehrsüberwachung haben keinen leichten Stand bei Bürgern. Zweimal jährlich gibt es ein freiwilliges Seminar im Bereich Konflikttraining. Die Knöllchen verteilenden Damen werden regelmäßig als „dumme Kuh“ oder „Hure“ beschimpft. Statt des Namens steht unter Zeuge stets nur eine Zahlenkombination. Aus Sicherheitsgründen. Die jährlich eingenommenen 130.000 Euro aus Strafen reichen gerade zur Deckung der Personalkosten. Der Stadt gehe es nicht darum, Geld zu verdienen, „sondern den knappen Parkraum möglichst gerecht zu verteilen“, heißt es.
Derweil fassen Elmshorner Politiker den Grundsatzbeschluss zum Bau einer elf Millionen Euro teuren Hafenspange zur Entlastung der City. Viel am Feiern sind die Wedeler Jörg Drewke und Arno Bauer. Sie folgen Scooter – Deutschlands erfolgreichster Techno-Gruppe – seit Anfang 2000 zu Konzerten, sind insgesamt schon bei 60 Gigs in ganz Europa dabei gewesen. „Vor zwei Jahren haben wir zwölf Konzerte miterlebt. Alle zwei Tage eines. Zum Schluss krochen wir nur noch auf den Brustwarzen, aber es war gigantisch“, erzählen die beiden Fans, die sich die Haare wie Frontmann H.P. Baxxter platinblond gefärbt haben. Acht Konzerte in 14 Tagen bei 4000 Reisekilometern sind das nächste Projekt. Die Hardcore-Fans träumen davon, bei einem Videodreh mitmachen zu dürfen.
In Klein Nordende experimentiert ein 15 Jahre alter Schüler mit hochexplosiven Stoffen. Er hat sich im Internet mit Gleichgesinnten ausgetauscht. Die Polizei durchsucht das Haus. Die Gemeinde wird abgeriegelt. Der Kampfmittelräumdienst erklärt, dass ein Transport der Sprengstoffe nach Kiel zu riskant sei. Deshalb wird kontrolliert auf einem Feld gesprengt – fünf Detonationen später ist der Spuk vorbei. Die nichtsahnenden Eltern des Sprengstoff-Kindes müssen vermutlich die Kosten für den kostspieligen Einsatz übernehmen.