Kreis Pinneberg. Führungswechsel: Was Vivien Nielsen über Billig-Konkurrenz, Digitalisierung und Dauerwelle für Männer sagt.
31 Jahre jung, Pferdenärrin und Inhaberin zweier Salons – das ist sie, die neue Obermeisterin der Friseur-Innung der Kreishandwerkerschaft Westholstein für die Kreise Pinneberg und Steinburg: Vivien Nielsen aus Wedel. Seit August dieses Jahres hat sie den Posten inne. Damit löste sie ihre Mutter, Karina Essig-Nielsen ab, die zuvor zehn Jahre an der Spitze des Friseurhandwerks stand. Stellvertretend an Vivien Nielsens Seite ist der 37 Jahre alte Tim Grabe-Mehringer-Kähler, ebenfalls Friseurmeister. Nielsens Ziele? Zum einen Digitalisierung. Vor allem aber möchte sie sich für mehr Wertschätzung der Friseure und Friseurinnen einsetzen.
Nielsen stammt aus einer Handwerkerfamilie
„Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“ – dieses Sprichwort trifft auf Vivien Nielsen definitiv zu. Aufgewachsen in einer Handwerkerfamilie. Der Vater und der Bruder Maurer, die Mutter aber Friseurmeisterin. Da stand es für Vivien Nielsen außer Frage, in die Fußstapfen der Mutter zu treten. Und was haben die Eltern zum Berufswunsch ihrer Tochter gesagt? „Meine Eltern waren anfangs sogar enttäuscht, als ich gesagt habe, dass ich Friseurin werden möchte“, sagt Nielsen und lacht. „Wieso studierst du nicht? Du könntest auch eine tolle Tierärztin abgeben, haben sie gesagt“.
Doch Nielsen verfolgte ihre eigenen Pläne, wozu die Wünsche ihrer Eltern erfüllen, wenn sie eigene habe. In Duisburg lernte sie für zwei Jahre an einer Friseurschule, konnte die Ausbildung aufgrund ihres guten Abiturs sogar verkürzen. Darauf folgten der Betriebswirt und der Meisterkursus, bis sie sich im Jahr 2014 selbstständig machte und in Wedel an der Bahnhofstraße ihren eigenen Friseurladen mit dem Namen „HaarSchnitt“ eröffnete.
„Frischer Wind“ für die Friseurinnung
Und jetzt ist sie Obermeisterin. Gewissermaßen das Sprachrohr aller Friseurinnen und Friseure in der Region. Dabei ist ihr die Innung durchaus vertraut. Nicht nur, weil die Mutter ihre Vorgängerin ist, sondern auch, da Nielsen dort vorher im Prüfungsausschuss tätig war. Der Wechsel zur Innungsobermeisterin des Friseurhandwerks kam, da ihre Mutter nicht erneut kandidierte und die restlichen Mitglieder die 31-Jährige vorschlugen. „Oh Gott, dachte ich zuerst, ich bin doch eigentlich noch zu jung für den Posten“, sagt Nielsen.
Mittlerweile sei sie sehr glücklich über das Amt und findet, dass sie durch ihr junges Alter sogar „frischen Wind“ mitbringe. Generell liebt Nielsen an ihrem Job und ihrer Position als Obermeisterin das Zusammenspiel aus Wirtschaft, Handwerk und Kreativität.
Für Neuerungen möchte Nielsen vor allem im Bereich Digitalisierung sorgen. Sie möchte digitale Berichtshefte einführen und mehr Präsenz im Social Media-Bereich zeigen. „Man muss sich einfach dem aktuellen Zeitalter anpassen. In der Smartphone-Generation blättert man selten noch analog“, sagt die Wedelerin. Ihre beiden Friseursalons sind außer auf eigenen Webseiten auch auf Instagram und Facebook zu finden. Die Kanäle bespielt sie regelmäßig mit Neuigkeiten oder Fotos von frischen Haarschnitten aus dem Salon.
Friseure wurden hart von der Pandemie getroffen
Viele Neukunden schauten sich vorher die Fotos von Frisuren an, bevor sie sich einen Termin machten, quasi als Absicherung oder Inspiration. Das sei heutzutage gang und gäbe, so Nielsen. Termine können die Kunden ebenfalls online vereinbaren. Insbesondere Männer nutzen das Onlineprogramm gern, um sich für einen Haarschnitt anzumelden. 70 Prozent der Kunden, die online einen Termin buchen, seien Männer. Die Frauen riefen lieber noch an.
Noch nicht allzu lange ist es her, da handelten die Menschen quasi mit Friseurterminen, die sie ergattern konnten. Da hatten die Salons nach monatelanger Zwangspause gerade wieder geöffnet. Das Friseurhandwerk ist hart von der Corona-Pandemie getroffen. Doch die Pandemie bringe auch Vorteile für Friseure und Friseurinnen. Etwa was die Wertschätzung betreffe, verrät Nielsen.
Kunden sind seit dem Corona-Lockdown dankbarer
„Dadurch, dass die Leute monatelang nicht zum Friseur gehen konnten, wissen sie jetzt, wie viel Bedeutung Haaren eigentlich beigemessen wird, und verhalten sich dankbarer. Da sich dieser Beruf eher im niedrigen bis mittleren Lohnsegment befindet, leben wir irgendwie von der Anerkennung der Kunden“. Von verschnittenen Haaren und gelben statt blonden Ansätzen - Nielsen und ihr Team haben so einiges Haar retten müssen. Nicht grundlos zähle der Friseurberuf zum Handwerk, sagt Nielsen.
Und genau dieses Handwerk sieht Nielsen durch sogenannte Billig-Friseure gefährdet. „Die sorgen für ein schlechtes Image fürs gesamte Berufsbild, und dabei müssen wir ja sowieso schon um die Wertschätzung kämpfen“, sagt sie. Gutes Handwerk koste eben. Dafür werde man dann auch mit einem hochwertig aussehenden Haarschnitt belohnt. „Wir verstehen uns als Haarverschönerer und nicht Haarzerstörer und sind daher bei den Kunden vor allem beratend tätig und setzen nur Wünsche um, die auch mit der Haarstruktur und Optik der Kunden vereinbar sind“. Das unterscheide einen guten Salon von einem „Billig-Laden“, erklärt Nielsen.
Frisurentrend: Dauerwelle für den Mann
Aber was sind denn eigentlich die aktuellen (Haar-)Wünsche der Kundinnen und Kunden? Bei den Damen sei schon seit Längerem Balayage im Trend. Das ist der Fachbegriff für einen natürlich aussehenden Strähneneffekt. Die Herren, insbesondere die jüngeren, fragten häufig nach einer Dauerwelle für den Oberkopf und kurzen Seiten. Ansonsten wachse das Interesse an nachhaltigen Pflegeprodukten mit natürlichen Inhaltsstoffen.
Nielsens Appell an alle Friseure und Friseurinnen: „Einfach weitermachen und das tun, was man liebt“. Dabei geht sie mit gutem Beispiel voran. Mittlerweile besitzt sie einen zweiten Friseursalon in Hamburg-Osdorf, hat ein Team von rund 20 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen unter sich. Ihren Friseursalon in Wedel hat sie kürzlich von 120 auf 360 Quadratmeter vergrößert. Mit einen großen Kosmetikunternehmen hat sie einen weltweit bekannten Partner an ihrer Seite. Vivien Nielsen hat ihren Beruf zur Berufung gemacht – und das ziemlich erfolgreich. Und wenn sie nicht gerade im Büro oder im Salon ist, sitzt sie auf ihrem Pferd und reitet aus.
Die Kreishandwerkerschaft Westholstein gibt es seit dem 1. Januar 2007. Sie entstand aus dem Zusammenschluss der Handwerkerschaften Pinneberg und Steinburg und schließt seitdem alle Innungen zusammen, die in den beiden Kreisen ihren Sitz haben. Insgesamt zählt der Verband 16 Innungen und rund 900 Mitgliedsbetriebe. Zu der Friseur-Innung gehören im gesamten Gebiet 34 Betriebe.