Wedel. In Wedel entsteht eine Art Riesen-Wasserkocher. Was der kann, und was das fürs alte Kohlekraftwerk nebenan bedeutet.

Eine Maschine, die aus eiskaltem Nordseewind Heizungswärme erzeugt, ein Apparat, der ähnlich wie ein riesengroßer Wasserkocher funktioniert – so etwas entsteht jetzt in Wedel im Schatten des Kohlekraftwerks. Eine sogenannte Wind-zu-Wärme-Anlage, im Unterschied zum hochbetagten Nachbarn mit den zwei Schornsteinen sehr klimafreundlich. Mit einem ersten symbolischen Spatenstich hat Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) gemeinsam mit dem technischen Geschäftsführer des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz, Frank Golletz, sowie den Wärme-Hamburg-Geschäftsführern Michael Beckereit das Projekt auf den Weg gebracht.

Diese Power-to-Heat-Anlage (P2H) soll nicht nur dazu beitragen, erneuerbare Energien effizient und wirtschaftlich sinnvoll zu nutzen. Durch ihren Einsatz können pro Jahr bis zu 100.000 Tonnen CO2 eingespart werden. Und im Wedeler Heizkraftwerk dürften bis zu dessen für 2025 geplanter Stilllegung etwa 50.000 Tonnen Kohle pro Jahr weniger verfeuert werden. Kerstan sagt, dass durch den Betrieb der neuen Anlage, auch die Lasten für Wedel und für die Anwohner reduziert würden.

Senator Kerstan: „Projekt kennt nur Gewinner“

„Somit kennt das Projekt nur Gewinner“, sagt der Senator. „Denn wir machen einen wichtigen Schritt in Richtung CO2-Reduzierung der Hamburger Fernwärme, können den Einsatz von Kohle im Heizkraftwerk Wedel während der Restlaufzeit herunterfahren, und wir reduzieren die Abregelung von Strom aus Windkraft.“ Heißt: Überschüssige Windenergie bleibt nicht ungenutzt. Daher sei die Inbetriebnahme der Anlage „ein weiterer Leuchtturm auf dem Weg zur Dekarbonisierung der Energiewirtschaft“, so Kerstan. Denn bis 2030 soll die Hamburger Fernwärme kohlefrei sein. Das sei auch möglich, sei sie doch prädestiniert zur Verwertung erneuerbarer Strommengen aus Wind und Sonne.

Die Wedeler P2H-Anlage wird künftig Windstrom in Fernwärme zum Heizen verwandeln. Und zwar immer dann, wenn vorübergehend zu viel Strom im Netz ist, Windparks also mehr Energie erzeugen, als gebraucht wird. So trägt die neue Anlage dazu bei, den von den Windkraftwerkanlagen auf See und an Land erzeugten Strom regional und effizient zu nutzen und dadurch die Wärmeerzeugung auf erneuerbare Energien umzustellen.

Fernwärme für 27.000 Hamburger Haushalte

Kraftwerk Wedel mit geplanter Power-to-Heat-Anlage (rechts, türkisfarben).
Kraftwerk Wedel mit geplanter Power-to-Heat-Anlage (rechts, türkisfarben). © Wärme Hamburg | Wärme Hamburg

Mit einer Leistung von 80 Megawatt (MW) können rund 27.000 Hamburger Haushalte mit Fernwärme versorgt werden, erklärt der technische Geschäftsführer der Wärme Hamburg, Michael Beckereit. Es sei kein großer Wert, dafür aber ein erster Schritt in eine grüne Energieversorgung. Auch er betont, die Anlage übernehme „eine wichtige Funktion bei der Reduzierung der im Heizkraftwerk Wedel verbrannten Kohlemenge und mittel- und langfristig beim Umbau unserer Wärmeerzeugung in Richtung CO2-freier Wärme“.

„Wir wollen die Voraussetzungen schaffen, dass im Jahresmittel 100 Prozent des Stromverbrauches in unserem Netzgebiet bis 2023 aus erneuerbaren Energien gedeckt werden kann“, sagt 50Hertz-Geschäftsführer Golletz. Während an windstarken Tagen die Windkraftanlagen an Ost- und Nordsee zeitweise angehalten werden müssen, um das Überlasten der Leitungen Richtung Süden zu verhindern, könne die Anlage in Wedel dieses Abregeln zukünftig reduzieren und stattdessen die Energie nutzen.

Zwischen Lagerhallen, der Kohlehalde, dem Heizöllager, der Gasturbinenanlage und dem Ammoniaklager wird demnächst auf dem südöstlichen Gebiet des Kraftwerkgeländes ein 54 Meter langes, 20 Meter breites und 16 Meter hohes Gebäude entstehen. Es beherbergt zwei große Elektrokessel, in denen „wie bei Ihrem elektrischen Wasserkessel“ Wasser erwärmt wird, das dann in das Hamburger Fernwärmenetz eingespeist werden soll, erklärt Golletz.

31,5 Millionen Euro Investitionskosten

Die Investitionskosten für die Anlage und deren Anbindung an das Stromübertragungsnetz in Höhe von 31,5 Millionen Euro übernimmt 50Hertz, bereits für den Stromnetzbetrieb in Hamburg sowie im Osten Deutschlands verantwortlich. Die Inbetriebnahme einer der größten Anlagen dieser Art in Deutschland ist für die Heizperiode 2022/23 geplant.

Nach der Power-to-Heat Anlage Karoline im Hamburger Karolinenviertel, die im November 2018 in Betrieb genommen wurde, ist Wedel die zweite Wind-zu-Wärme-Anlage der Wärme Hamburg und so „ein wichtiger Meilenstein auf unserem Weg zur Dekarbonisierung“, so Beckereit. Nach ersten ähnlichen Projektstarts in Mecklenburg-Vorpommern mit insgesamt einer Leistung von 60 MW wird die Anlage die leistungsstärkste dieser Art im Netzgebiet von 50Hertz.