Haselau. Seit Jahren verbringen die Vögel die Sommer bei Familie Thomsen im Kreis Pinneberg. Jetzt sind sie wieder da. Wie alles begann.
Roberts Ankunft wurde schon erwartet und kam dann doch unverhofft. Familie Thomsen saß gerade beim Kaffee in ihrem Bauernhaus in Haselau zusammen und sprach darüber, noch einige Vorkehrungen für die Rückkehr ihrer Störche treffen zu wollen. Rolf Thomsen wollte das Nest auf dem selbst errichteten Mast herrichten, ein wenig altes Material von dem mehrere Hundert Kilogramm schweren Nest abtragen und die Webcam anbringen.
Und ein paar Löcher in den Boden bohren, damit der Regen abfließen. Denn Nässe kann Jungvögeln schwer zu schaffen machen. Die Alttiere halten zwar schützend die Flügel über ihren Nachwuchs, doch wenn das Nest durchweicht, verenden viele Junge kurz nach dem Schlüpfen. Doch gerade als er seinen Plan in die Tat umsetzen wollte, landete Robert und bezog das angestammte Nest. Das war am Freitag vergangener Woche. Zwei Tage später flog auch seine Storchengattin Rosalie ein.
Das Weibchen ist dieses Jahr früh dran
Für das Weibchen war die Ankunft recht früh. „Normalerweise kommt Rosalie erst zwei Wochen nach Robert“, sagt Gabriele Thomsen. Die ersten Tage bessert das Männchen eigentlich eifrig die Schäden am Nest aus. Später sind beide mit Nestbau beschäftigt, tragen Gras und Holzstückchen im Schnabel in den Horst. So blieb auch Robert diesmal wenig Zeit, das Nest herzurichten.
Ihre frühe Ankunftszeit lässt vermuten, dass sie in Portugal oder Spanien überwintert haben. Störche, die ihr Winterquartier in Afrika haben, kommen später. Die letzten Störche treffen Ende April in Norddeutschland ein. Dann beginnen sie sofort zu brüten.
„Robert hat sich nach dem langen Flug erst einmal einen Fisch bei uns auf der Terrasse abgeholt“, sagt Gabriele Thomsen. Normalerweise hält er Abstand und sucht sein Futter selbst. Nur wenn der Hunger besonders groß ist, sucht er die Nähe zu den Menschen. „Wir füttern nur in Ausnahmesituationen den einen oder anderen Fisch zu, wenn das Futterangebot gering ausfällt oder der Storch nach seiner langen Reise entkräftet ist“, sagt Gabriele Thomsen.
Mit einem Telegrafenmast fing alles an
Und wie ist sie auf den Storch gekommen? „Ich mag Vögel und wollte sie mit Nisthilfen in unseren Garten locken“, sagt sie. Ihr Mann, Tischlermeister von Beruf, machte sich ans Werk, und baute Vogelkästen in verschiedenen Größen. Irgendwann wurde er gefragt, ob er Verwendung für einen Telegrafenmasten hat. Sofort kam ihm die Idee, ein Storchennest zu bauen. Den elf Meter hohen Mast stellte er direkt neben einem Teich auf und befestigte oben einen Korb. Und dort ließen sich 2015 Robert und Rosalie nieder - und kamen seitdem jedes Jahr wieder.
2016 bekam das Storchenpaar zum ersten Mal Nachwuchs, zunächst legten sie zwei Eier. Im Jahr darauf waren es schon drei und dann jedes Jahr vier. „Rosalie legt dann alle zwei Tage ein Ei“, sagt Gabriele Thomsen. Beide Partner bebrüten das Nest. Nach 32 bis 33 Tagen schlüpfen die Küken. Dann müssen die Jungvögel etwa zwei Monate lang gefüttert werden. Nicht alle Küken überleben. Viele Wiesen, auf denen Störche Futter suchen, gibt es leider nicht mehr. Schuld daran sind Monokulturen. Störche fressen gern Mäuse und Regenwürmer, bevorzugen Grünland mit kurzem Bewuchs.
2018 warfen Storchs ein Küken aus dem Nest
Einmal, das war 2018, warfen sie ein Junges aus dem Nest. Dank einer Webcam am Nest bemerkten Rolf und Gabriele Thomsen das aber rechtzeitig. Sie nahmen das Küken in ihre Obhut und päppelten es auf.
Findelstorch Lucky hatte wirklich Glück. Die erste Zeit übernachtete er im Hühnerstall - sicher vor dem Fuchs – und wurde mit Fisch gefüttert. Später baute Rolf Thomsen ihm sogar einen Horst. „Aus Angst, dass sie nicht all ihre Küken durchfüttern konnten, warfen sie das Schwächste aus dem Nest“, sagt Gabriele Thomsen. Eine Methode, die brutal erscheint, aber das Überleben der anderen sichert. Jungstörche, die von den Eltern verstoßen werden, sind allein nicht überlebensfähig.
Vater versöhnte sich mit verstoßenem Nachwuchs
Während seine Mutter ihn ignorierte, hatte Vater Robert seinen verstoßenen Nachwuchs allerdings weiter im Blick und beobachtete das Geschehen aus der Ferne. „Später zeigte er Lucky auf der Wiese, wie er Futter findet“, sagt Thomsen. Als es dann wieder ins Winterquartier ging, nahm Robert Lucky auf den langen Flug in warme Gefilde mit.
Zahlreiche Gefahren machen dem Weißstorch das Leben schwer. So werden die Tiere immer wieder durch Windkraftanlagen schwer verletzt oder getötet. Auch Stromleitungen werden für die Vögel immer wieder zur tödlichen Falle. Auch in den Überwinterungsgebieten und vor allem entlang der Zugrouten lauern Gefahren: In manchen Gegenden wird Jagd auf Adebar gemacht, und die Tiere landen im Kochtopf.
Trotz aller Widrigkeiten haben es Robert und Rosalie auch in diesem Jahr wieder heil nach Haselau geschafft. Nun hoffen Thomsens wieder auf Storchennachwuchs. Wenn es Robert im Nest mit den Jungen dann zu eng wird, kann er auf das zweite Nest ausweichen, das Rolf Thomsen einst für Lucky gebaut hat. Davon hat er im letzten Jahr gelegentlich Gebrauch gemacht.
In Hamburg landete der erste vom Nabu Hamburg mit einem Sender ausgestattete Weißstorch am 16. Februar auf dem Altengammer Hauptdeich. Vogelfreunde können den Flug der besenderten Störche tagesaktuell im Internet mitverfolgen, auf der Website des Nabu unter www.nabu-hamburg.de/stoerche. Einen Blick in das Nest und das Brutgeschehen bei den beliebten Internetstörche Erna und Fiete ist unter www.nabu-hamburg.de/storchenwebcam möglich.