Wedel. Arbeitskreis poliert Stolpersteine. Stadtarchiv stellt neue Informationen über den Nationalsozialismus in Wedel online.

Es ist so lange her. Scheint manchmal so weit weg. Gerade angesichts der immer weiter um sich greifenden rechtspopulistischen und rechtsextremen Strömungen in Deutschland und Europa dürfen wir die Gräuel des Nationalsozialismus jedoch nicht vergessen. Am heutigen Holocaust-Gedenktag lädt der Wedeler Arbeitskreis gegen Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit deshalb ein, der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken – pandemiebedingt allerdings anders als in den vorigen Jahren. Gerade Ältere sollten zu Hause bleiben, bittet Irmgard Jasker vom Arbeitskreis.

Wer möchte, kann aber auch zur Gedenkaktion zu den fünf Stolpersteinen und der KZ-Gedenkstele in Wedel kommen. Mit Abstand und FFP2-Maske. Geplant ist, die Stolpersteine zu polieren und eine Rose abzulegen. Statt Vorträgen über die Opfer werden Zettel mit Zusammenfassungen der Lebensläufe verteilt – die Irmgard Jasker ebenso wie ein Exemplar der neu erschienenen Broschüre über Gedenkstätten und Erinnerungsorte zur Geschichte des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein gern denjenigen nach Hause bringt, die lieber dort gedenken (bitte melden unter Telefon 04103/33 86 oder per E-Mail an irmgard@jaskers.de).

Anna Haentjens hat ein Gedicht neu vertont

Musikalisch wird die Aktion von der Elmshorner Künstlerin Anna Haentjens begleitet. Sie hat Konstantin Simonovs Gedicht „Wart auf mich“ neu vertont. Mit dunkler Altstimme im Stile einer Zarah Leander intoniert sie die berührenden Zeilen eines Soldaten an der Front, der Familie und Freunde bittet, ihn nicht aufzugeben. Eine Aufnahme des Liedes kann per E-Mail zugeschickt werden.

„Es könnte kein passenderes Gedicht geben“, sagt Irmgard Jasker. Sie erinnere sich noch gut an diese schwere Zeit: „Ich bin während des Kriegs geboren, meine Familie war in Dänemark interniert. 1948 konnten wir nach Deutschland zurückkehren, wir kamen zuerst in einer Art Flüchtlingslager unter. Es gab kaum Männer, und die Frauen warteten. Auf eine Nachricht, darauf, dass ihr Mann, Vater, Sohn oder Bruder zurückkehrte. Viele taten es nicht. Und die, die zurückkamen, waren meist schwer verletzt oder traumatisiert.“

Was passierte in der Wedeler KZ-Außenstelle?

Die Zahl der Getöteten klinge abstrakt, sagt sie. Genauso abstrakt wie die „Mordmaschinerie“ in den Konzentrationslagern Auschwitz-Birkenau, deren Befreiung am 27. Januar 1945 durch die Rote Armee der Anlass für den heutigen internationalen Holocaust-Gedenktag ist. Doch der „Judenmord am Fließband“ sei nicht abstrakt und namenlos – er sei konkret und persönlich. Und konkreter Opfer wird heute in Wedel gedacht. Um 15 Uhr am Stolperstein im Breiter Weg 103 der 1944 ermordeten Gertrud Kroll. Um 15.30 Uhr Betty Elkeles in der Gärtnerstraße 17. Um 15.50 Uhr Franz Hinrich Borcherts in der Rolandstraße 13a, um 16.10 Uhr Helene Johannsens im Schlosskamp 31 und um 16.30 Uhr Karl Timms in der Bahnhofstraße. Um 17 Uhr schließlich sollen am KZ-Gedenkstein an der Rissener Straße unterhalb des Lidl-Parkplatzes Lichter entzündet werden. Fotos von dieser Aktion werden auf der Homepage lichter-gegen-dunkelheit.de hochgeladen.

Wer mehr über die nationalsozialistische Vergangenheit Wedels erfahren möchte, kann das auf der Homepage des Stadtarchivs tun: Pünktlich zum Holocaust-Gedenktag wurden hier ausführliche Informationen bereitgestellt. Zum Beispiel über die Wedeler Außenstelle des KZ Neuengamme, in dem Hunderte von Menschen ständig interniert waren und mindestens 32 ums Leben kamen. Oder über das Thema Zwangsarbeit: 740 Namen ausländischer Arbeiter und Gefangener listet das Stadtarchiv auf. Wer sie waren, woher sie stammten und wo in Wedel sie ihre Arbeit verrichten mussten – all das ist auf der Seite des Stadtarchivs jetzt nachzulesen.