Haseldorf. Grüne Basis ändert Meinung zum LNG-Terminal in Brunsbüttel und fordert ihre Vertreter in der Landesregierung zum Umdenken auf.

Die Grünen-Basis sorgt für Wirbel in der Kieler Jamaika-Koalition – und Auslöser ist ein Großprojekt an der Unterelbe. Auf einem per Videokonferenz abgehaltenen Landesparteitag am vergangenen Sonnabend hat sich die Partei klar gegen den Bau des LNG-Terminals in Brunsbüttel ausgesprochen, der verbunden mit einer geplanten XXL-Gastrasse durch die Haseldorfer Marsch Frackinggas aus den USA ins europaweite Versorgungsnetz liefern soll (wir berichteten). Brisanz birgt der Parteitagsbeschluss, weil die Grünen dem Bau des Terminals im Koalitionsvertrag zugestimmt haben. Der schleswig-holsteinische Protest gegen das Großprojekt hatte einst in der Haseldorfer Marsch begonnen, losgetreten von der dortigen Arge Umweltschutz.

Zu den wortgewaltigsten Sprechern innerhalb der Grünen gegen das Projekt eines Konsortiums um den niederländischen Fernleitungsnetzbetreibers Gasunie zählt Petra Kärgel, Vorsitzende der Wedeler Grünen. „Wir haben 2017 dem Bau des Terminals zugestimmt, doch in der Zwischenzeit hat es eine ganze Reihe von Untersuchungen zu dem Thema gegeben. Ergebnis: Frackinggas ist einer der größten Klimakiller“, erklärt die Diplom-Biologin. Aus ihrer Sicht ist verflüssigtes Gas auch keine Brückentechnologie auf dem Weg in ein Zeitalter der regenerativen Energien. „Wir haben für so einen Mist keine Zeit“, sagt sie mit Blick auf den sich beschleunigenden Klimawandel. Der Ausbau von Energie aus Wind, Sonne und Wasserkraft müsse beschleunigt werden.

Eingriff in die Haseldorfer Marsch befürchtet

Hinzu kommt für sie ein massiver Eingriff in die biologische Vielfalt der Haseldorfer Marsch durch die Bauarbeiten und den Betrieb der XXL-Trasse. „Wir sind doch auch die Partei des Arten- und Naturschutzes“, sagt Petra Kärgel. Ihre Schlussfolgerung: „Wir Grünen müssen Farbe bekennen!“ Mit deutlicher Mehrheit wurde der vom Dithmarscher Kreisverband eingebrachte Antrag kontra Terminal und Gasleitung angenommen. Die Parteispitze in Kiel solle sich in Gesprächen mit den Koalitionspartnern im Sinne des Beschlusses positionieren.

Petra Kärgel berichtet, dass sich vor allem Vertreter der Basis gegen das LNG-Vorhaben ausgesprochen haben, während Berufspolitiker dafür plädierten. Einer aus den Reihen der Letztgenannten ist Bernd Voß, Sprecher der Landtagsfraktion für Klima, Energie, Landwirtschaft und ländliche Räume. In einem deutlich unterlegenen Gegenantrag spricht er sich faktisch für den Terminal aus, will jedoch möglichst schnell Gas aus erneuerbaren Energien als Brückentechnologie zum Einsatz kommen lassen. Gas wird für ihn auf lange Zeit unverzichtbar bleiben. „Ich habe da eine differenzierte Einschätzung“, so Voß. Mit deutlicher Mehrheit angenommen wurde ferner ein noch über die Dithmarscher Positionen hinausgehender Antrag aus Lübeck, der auf die Streichung von 50 Millionen Euro Subventionen für den Brunsbüttler Terminal aus dem Haushalt hinausläuft.

Und die Auswirkungen auf Jamaika? „Der Koalitionsvertrag steht“, sagt Voß. Allerdings rede man in der Koalition immer über alle Politikfelder. „Ich sehe das unaufgeregt“, so der Spitzen-Grüne. Weniger gelassen regiert der FDP-Wirtschaftsminister auf das Grüne Ansinnen. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur hat es Bernd Buchholz kategorisch abgelehnt, eine neue Debatte über den LNG-Terminal zu führen.

Arge Umweltschutz begrüßt Entscheidung der Grünen

Als Erste in Schleswig-Holstein hatten die die Mitglieder der Arge Umweltschutz Haseldorfer Marsch im Frühjahr 2019 auf den aus ihrer Sicht nicht nur klimapolitischen Sündenfall hingewiesen. Sie prangerten vor allem die Zerstörung von gewachsenen Landschafts- und Entwässerungsstrukturen in den Marschen durch den Bau der Trasse an. Ein Bündnis mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und Food Water Europe entstand, die auf Bundesebene gegen das LNG-Projekt mobilmachen. Die zehn Bürgermeister des von der Trasse betroffenen Amtes Geest und Marsch Südholstein haben sich dem Arge-Protest angeschlossen. Mit einer Videokonferenz in der vorvergangenen Woche hatten die Umweltschützer ihre Anliegen noch einmal öffentlichkeitswirksam präsentiert.

„Wir begrüßen die Entscheidung des Grünen Landesparteitages sehr“, sagt Boris Steuer, stellvertretender Vorsitzender der Arge Umweltschutz Haseldorfer Marsch. „Jetzt hoffen wir, dass sich der Rest der Landesregierung den guten Argumenten gegen den LNG-Terminal in Brunsbüttel und der Gastrasse durch die Haseldorfer Marsch anschließt.“

Das Projekt

LNG ist die Abkürzung der englischen Bezeichnung für Flüssiggas: „Liquefied Natural Gas“. Die Planungen der Terminals in Brunsbüttel sowie in Stade und Wilhelmshaven begannen als Reaktion auf Kritik des US-Präsidenten Donald Trump an dem Pipelineprojekt Nord Stream 2. Die Gastrasse von Brunsbüttel nach Hetlingen wird etwa 55 Kilometer lang sein. Das Rohr mit einem Durchmesser von 80 Zentimetern soll in einer Tiefe von mindestens einem Meter verlegt werde. Der Arbeitsstreifen soll 35 Meter betragen. Nach der Fertigstellung darf die Trasse auf zehn Meter Breite nicht überbaut werden.