Klein Nordende. Bei den Lieth Allstars Cheerleaders sind auch Jungs und Männer willkommen. Das ist ihr Job. Und der ist nicht so einfach.

Gertenschlanke blonde Mädchen in knappen Uniformen wackeln mit dem Po, tanzen am Spielfeldrand mit ihren Pompons, salopp auch Puschel genannt, in den Händen: Das sind die Vorurteile über Cheerleading, befeuert durch eine Unzahl an Highschool-Hollywoodfilmen und -TV-Serien. Doch Cheerleading ist ein harter, ernstzunehmender Sport.

Cheerleading, ursprünglich ein reiner Männersport, bewegt sich langsam zu seinen Wurzeln zurück. Einer der wohl prominentesten Cheerleader der Vergangenheit ist George W. Bush, der ehemalige Präsident der Vereinigten Staaten. Zu einem reinen Männersport wird es wohl nicht mehr. Aber es finden immer mehr Jungs und Männer wieder Gefallen an dem Action-Sport. Immer mehr sogenannte Coed Teams, also gemischte Teams, gründen sich. Auch acht jungen Männern in Klein Nordende gefällt die Mischung aus Turnen, Tanz und Krafttraining besonders gut. Sie betreiben bei den Lieth Allstars Cheerleader diesen Sport ohne dabei aus der Reihe zu tanzen.

Nico Becker ist seit einem Jahr dabei – und hellauf begeistert

„Das ist die beste Sportart, die ich je gemacht habe“, erklärt Nico Becker. Der 27-jährige ist seit einem Jahr dabei. Eine Arbeitskollegin hat ihn auf den Verein aufmerksam gemacht. Nach bereits einer Trainingsstunde „hat es mich direkt gepackt und ich war direkt Teil des Teams“.

Über Videos, die ihm Mädchen aus seiner Klasse zeigten, ist Immanuel Wegener zum ersten Mal zum Cheerleading gekommen. Den ehemalige Fußballspieler reizte die neue Herausforderung. Vorurteile oder stereotypische Aussagen bei Eltern, Partnern oder im Freundeskreis gab es wenige und wenn doch „wurden die Klischees einfach wegdiskutiert“, und jetzt finden es viele seiner Freunde „cool“, meint der 18-jährige Elmshorner. So wenige Jungs unter so vielen Mädchen und Frauen zu sein ist für beide „absolut kein Problem“ sagen sie lächelnd.

In der Familie von Louis Tyler Jakobasch gehört der Sport zum Alltag, erklärt der 12-jährige Schüler: Seine Schwester trainiert „seit Ewigkeiten“ und auch die Mutter ist mittlerweile im Breitensportteam aktiv dabei, so der Teenager. Vorher war er im Kinderturnen und -tanz aktiv, sodass das penible Erlernen der verschiedenen Positionen für ihn nie schwierig war. Als sogenannter Flyer hat er bis vor kurzem bei Pyramiden und Stunts den oberen Part belegt, wurde in die Luft gehoben oder geworfen. „Doch dazu bin ich jetzt zu schwer“, erklärt Louis.

Verschiedene Sportarten sind eine gute Vorbereitung für das Cheerleading. Ob Dehnfähigkeit, Muskelkraft oder Ausdauer – wer vorher leidenschaftlich Sport gemacht hat, ist im Vorteil. Dass man bei diesem Sport starke Männer gebrauchen kann, liegt in der Natur des Cheerleadings. Der Mann muss Frauen stemmen, werfen und fangen können. Das gilt besonders für die wichtigen Hebefiguren, allen voran die Pyramide, für die sich eine Mannschaft zu drei Stockwerken türmt. Aber auch für waghalsige Stunts in schwindelerregender Höhe.

Luftakrobatik und Landungen führen zu einem hohen Verletzungsrisiko

Es ist ein ganz schön fordernder Teamsport und gilt als „gefährlichster Sport für Frauen überhaupt“, erklärt Trainerin Daniela Hentschke-Jelliti. Neben Gehirnerschütterungen ist der Sport berüchtigt für Verstauchungen, Knochenbrüche und Gelenkverletzungen.

Es sind die Luftakrobatik und die Landung, die zu einem hohen Verletzungsrisiko führen. Der Sport sei nur möglich, „wenn man sich tausendprozentig vertraut“, betont die 36-Jährige. Und gerade das Grundvertrauen in jedes einzelne Teammitglied, in das fehlerfreie Funktionieren der kompletten Truppe ist hier essenziell. Es führt zu einem sehr starken Mannschaftszusammenhalt, der in anderen Sportarten kaum in dieser Form wieder zu finden ist, betonen die jungen Männer immer wieder.

117 Mitglieder stellt die Sparte aktuell. Das jüngste Mitglied ist drei Jahre alt, 56 Jahre zählt das älteste. Für zwei der drei Leistungsteams der Peewees (drei bis zehn Jahre), der Juniors (zehn bis 15 Jahre) und Seniors (ab 16 Jahren) gib es mittlerweile einen Aufnahmestopp. Im Leistungsteam der Seniors und den drei Breitensportteams sind neue Sportler hingegen herzlich willkommen.

Während in den Breitensportteams versucht wird, turnerische sowie tänzerische Früherziehung spielerisch beizubringen, geht es in der Peewee-Leistungsgruppe bereits um einen gewissen Ehrgeiz, bei dem der Spaß natürlich dennoch nie zu kurz kommen soll. In der Juniors- und Seniors-Gruppe steht die Leistung an erster Stelle.

Die Lieth Allstars freuen sich über ihre Erfolge

„Das Interesse der ersten Jungs und Mädchen war von Anfang an riesig“ erklärt Vorsitzende Daniela Hentschke-Jelliti rückblickend. Im Oktober 2020 gründete sie bei der Spielvereinigung Lieth die Cheerleading-Abteilung.

Bereits im Januar 2021 betraten die Lieth Allstars offiziell die Bühne. Zehn Monate nach ihrer Gründung konnten die Allstars erstmal an einem Turnier im brandenburgischen Großbeeren teilnehmen. Und zwei Monate später – Anfang Dezember 2021 – nahmen sie erstmals an einer Meisterschaft teil und glänzten dabei mit zwei Titelgewinnen und zwei Vizemeisterschaften.

Weitere gute Punktwertungen und Platzierungen folgten bei der Regionalmeisterschaft Nord in Hamburg und in Riesa bei den nationalen Titelkämpfen. „Ich bin so stolz über unsere Auftritte, unsere Erfolge und auch auf unseren großartigen Teamzusammenhalt“, bilanziert Daniela Hentschke-Jelliti.