Elmshorn. Schwimmerin gewinnt gleich am ersten Wettkampftag auf Madeira Gold und Silber. Es sind die ersten großen Wettkämpfe für die 37-Jährige

Es war wirklich keine Tiefstapelei oder falsche Bescheidenheit. Tanja Scholz meinte es vor ihrer Abreise zu den paralympischen Schwimmweltmeisterschaften in Funchal auf der portugiesischen Atlantikinsel Madeira wirklich so: „Mein Ziel ist es, meine Nervosität in den Griff zu bekommen, um jede Sekunde im Wasser genießen zu können.“

Vor zwei Jahren zieht sich Scholz bei einem Reitunfall eine Querschnittslähmung zu

Und genießen, das kann die 37 Jahre alte Elmshornerin, die seit einem Reitunfall vor zwei Jahren querschnittsgelähmt ist, gleich vom ersten Wettkampftag an – und das auf höchst spektakuläre Weise. Innerhalb von nicht einmal einer halben Stunde hat die Athletin, die für den PSV Union Neumünster startet, gleich zweimal Edelmetall eingefahren und darf sich nun Welt- und Vizeweltmeisterin nennen.

Gegen ihr Lampenfieber vor dem Finalrennen über 100 Meter Freistil hatte die dreifache Mutter eigentlich das Bestmögliche unternommen. Im Vorlauf war sie mit 1:21,28 Minuten Meisterschafts­rekord geschwommen. Im Kopf war also schon einmal eigentlich die Botschaft angekommen, dass die als Jugendliche bereits erfolgreiche Leistungsschwimmerin nun auch in Funchal – bei ihrer ersten größeren Meisterschaft überhaupt – voll konkurrenzfähig sein würde.

Auch mit dem Startschuss will die Nervosität noch nicht verschwinden

Aber denkste. Mit dem Startschuss zu ihrem Goldrennen kamen wieder die Zweifel. „Es ging da schon sofort los, ich dachte, ich weiß gar nicht mehr, wie ich schwimme, weil ich so aufgeregt gewesen bin“, bekannte die 37-Jährige im Videointerview mit der ARD-Sportschau aus ihrem Hotelzimmer heraus. „Als ich gestartet bin, waren die Brasilianerinnen ja zuerst etwas weg, weil sie sich mit den Füßen ein wenig abstoßen können; aber als ich dann neben ihnen war, da sagte ich mir: Tanja, schwimm einfach weiter. Schwimm! Zieh durch und komm an.“

Sie strahlt glücklich und gelöst: Die aus Elmshorn stammende paralympische Schwimmerin Tanja Scholz (37, l.) mit der Bronzemedaillengewinnerin ihres Finalrennens, der Brasilianerin Patricia Pereira dos Santos.
Sie strahlt glücklich und gelöst: Die aus Elmshorn stammende paralympische Schwimmerin Tanja Scholz (37, l.) mit der Bronzemedaillengewinnerin ihres Finalrennens, der Brasilianerin Patricia Pereira dos Santos. © IMAGO | Ralf Kuckuck

Und wie sie zog. In erneuter Meisterschaftsbestzeit – diesmal bewältigte sie die 100 Meter Freistil in 1:20,70 Minuten – distanzierte sie das südamerikanische Duo Lidia Vireira da Cruz und Patricia Pereira dos Santos auf die Ränge zwei und drei. Welch ein Triumph bei ihrer Meisterschaftspremiere. „Irgendwie hab ich das auch noch nicht realisieren können, das ging alles ein wenig zu schnell; aber ich bin unglaublich stolz, dass ich den Titel nun habe“, sagte Tanja Scholz.

Nur 26 Minuten nach dem WM-Triumph geht es über 150 Meter Lagen ins Wasser

Doch es blieb bei aller Freude keine Zeit zum Verschnaufen. Nur 26 Minuten nach ihrem Triumph musste Tanja Scholz schon wieder ins Becken – die 150 Meter Lagen standen auf dem Programm. Motiviert und angetrieben durch den ersten Erfolg hielt sich Scholz immer in der Spitzengruppe und schlug hinter der US-Amerikanerin Leanne Smith als Zweite an.

Trainerin Kirsten Bruhn bringt Scholz nach ihrer Lähmung zurück zum Schwimmsport

Gold und Silber in nur einer halben Stunde. Ein Erfolg, vom dem die Elmshornerin ganz genau weiß, wem sie diesen zu verdanken hat. „Kirsten Bruhn ist praktisch meine Lebensretterin“, sagt Scholz über ihre Trainerin und mehrfache Paralympicssiegerin. „Nach dem Unfall dachte ich, ich schaffe das alles nicht, das überfordert mich, ich werde so nie leben können. Aber dann kam Kirsten in mein Leben und damit auch wieder das Schwimmen – und seitdem geht es wieder bergauf.“

Und diesen Aufschwung möchte Tanja Scholz in Funchal noch weiter fortsetzen. Als nächstes stehen am Mittwoch 50 Meter Rücken auf dem Programm, am Donnerstag geht es im Freistil über die gleiche Distanz. Und zum Abschluss versucht sich die frischgebackene Weltmeisterin – erneut im Freistil – über die Kräfte zehrende 200-Meter-Strecke.