Wedel. Herbert Offermanns (85) hat mit zehn Jahren das Boxen begonnen; seit 1995 leitet er die Sparte im Wedeler TSV. Nun wurde er geehrt
Fans des Boxsport mögen vielleicht aufhorchen, nennt man ihnen das Datum Juni 1936. Klar doch – damals fand im New Yorker Yankee Stadion der legendäre Fight zwischen Überraschungssieger Max Schmeling und seinem nicht minder legendären Kontrahenten Joe Louis statt. Also eigentlich doch kein all zu großes Wunder, mögen einige meinen, dass der nur zwei Monate später geborene und in Barmstedt aufgewachsene Herbert Offermanns ein Leben führen sollte, das er voll und ganz dem Boxsport gewidmet hat?
Der Vater bringt den knapp zehn Jahre alten Herbert zum Boxsport
„Na ich weiß nicht, den Kampf habe ich damals aus offensichtlichen Gründen ja nicht original verfolgen können“, meint der 85 Jahre alte Boxabteilungsleiter des Wedeler TSV. „Zu meinem ersten Training hat mich mein Vater in Barmstedt mitgenommen, als ich zehn Jahre alt war. Er ist schon zuvor in seiner aktiven Zeit am Niederrhein ein erfolgreicher Boxer gewesen und hat dann, obwohl er beinamputiert war, beim SSV Rantzau als Trainer viele sehr gute Talente hervorgebracht. Also Schmeling gegen Louis hatte keinen Einfluss auf mich, das war mein Vater.“
Und Josef „Jupp“ Tillmann Offermanns hat offenbar beste Grundlagen geschaffen, damit auch sein Sprössling im Kampfsport mit den schweren Lederhandschuhen Erfolg haben sollte. „Ich war bereits im Juli 1948 Hamburger Schülermeister in der Papiergewichtsklasse“, erinnert sich der 1955 nach Wedel umgezogene und seit 56 Jahren mit Ehefrau Gisela verheiratete Vater zweier Töchter (Anja und Michaela). „Da habe ich gegen Johnny Biller vom BC Eiche gewonnen. Den ersten Kampf gegen ihn in Elmshorn im Stadttheater hatte ich ja noch verloren, aber dann hatte mich mein Vater so gut vorbereitet, dass ich den Johnny dann geschlagen habe.“
Nach dem Umzug nach Wedel musste Herbert Offermanns sein Heimweh nach Barmstedt überwinden
Mit dem Umzug sieben Jahre später nach Wedel musste Offermanns jedoch zuerst einen ganz anderen Gegner bezwingen. „Ich hatte ganz riesiges Heimweh nach Barmstedt“, sagte der ausgebildete Lebensmittelgroßhändler, der drei Jahre lang die Strecke zu seiner Lehrstelle in Elmshorn – zuerst von Barmstedt aus, später dann auch noch aus Wedel – mit dem Fahrrad absolviert hatte. „Man soll sich das heute Mal vorstellen; da hab ich als 19 Jahre junger Mann im Bett gelegen und vor Heimweh geweint.“
Ganz klar: Eine Ablenkung musste her. Und das sollte weiterhin der Boxsport werden. „Ich habe mich schlau gemacht, wo in Wedel geboxt wird und bin dann in die Halle Bergstraße zum Vereinstraining beim Wedeler TSV gegangen.“ Der Beginn ein neuen „Liebe“, die bis zum heutigen Tag anhalten sollte.
Als 59-Jähriger übernimmt Offermanns die Abteilungsleitung beim Wedeler TSV
Zwar bestritt Herbert Offermanns schon im Jahr seiner Eheschließung 1966 seinen letzten Boxkampf, doch mit der Arbeit für Verein und Abteilung ging das Vereinsleben erst jetzt richtig los. Der Boxer aus Leidenschaft hatte schon in Barmstedt Kinder und Jugendliche trainiert und weitete dieses Amt in Wedel nun aus. Hinzu kamen Funktionen als Sportwart und Organisator sowie die Arbeit im Vorstand. 1995 übernahm der damals 59-Jährige die Abteilungsleitung, nachdem er sich bereits seit 1977 dem hamburger verband international lizenzierter Kampfrichter, Ringsprecher uns Zeitnehmer zur Verfügung gestellt hatte. Alle ehrenamtlich.
Dieses Maß an Einsatz für Sport und Gesellschaft ist nun auch auf höchster Ebene gewürdigt worden. Am vergangenen Dienstag hat Herbert Offermanns in Kiel aus der Hand von Innenstaatssekretär Torsten Geerdts als Dank und Anerkennung für sein herausragendes Engagement die Sportverdienstnadel des Landes erhalten. Geerdts beschrieb Offermanns und die zwölf weiteren Geehrten des Tages als „tragende Säule für den schleswig-holsteinischen Breitensport. Sie trainieren, organisieren, leiten und motivieren. Sie sind Sportlerinnen und Sportler aus Leidenschaft. (...) Sie entdecken Talente und motivieren Sportmuffel, überhaupt erst anzufangen.“
Offermanns betont, dass Boxer niemals zu Schlägern erzogen werden
Bei aller Liebe zum Boxen – hat denn Herbert Offermanns seinen Sport irgendwann im wahren Leben anwenden müssen? Schließlich hat ihm doch seine Ausbildung das Rüstzeug mitgegeben, um sich auch physisch durchzusetzen. „Nein, das war nie nötig, auch in der Jugend auf der Straße nicht. Es geht im Boxen um verantwortungsvollen Umgang mit seiner Kraft“, sagt der Mann, der ein Dreivierteljahrhundert dem Faustkampf gewidmet hat.
„Wenn es Jungs, die auf der Straße stark waren, genau wissen wollten, haben wir uns einen Spaß draus gemacht, haben uns mit ihnen nicht dort gehauen, sondern sie am Montag oder Donnerstag zu uns zum Training bestellt und sie dann auch gleich die Gymnastik mitmachen lassen – da waren sie schon vor dem Boxen kaputt. Aber auch bei vollen Kräften hätten sie uns wegen unseres Trainings wohl nie treffen können. Eines muss immer klar sein: Ein Boxer wird nie zum Schläger erzogen – im Gegenteil.“