Tornesch. In vergangenen Jahren war die Athletin des TuS Esingen oft von Verletzungen geplagt. Jetzt wird sie bei der DM Fünfte über 800 Meter
Leichtathletik-Ergebnisse lassen sich nicht ausschließlich an Platzierungen ausmachen. Es ist nicht alles Gold, Silber oder Bronze, was glänzt. „Es kann sein, dass jemand Erster wird in einem schlechter besetzten Teilnehmerfeld oder aber ein Läufer wird in einem guten Starterfeld Dritter, Vierter oder Fünfter“, sagt Alina Ammann.
Die Leichtathletin des TuS Esingen ist bei den Deutschen Meisterschaften am vergangenen Sonntag in Braunschweig Fünfte über 800 Meter geworden. „Damit bin ich absolut zufrieden. Ich bin auf der Außenbahn gestartet. Dort kannst du zwar freier laufen, musst aber auch mehr Strecke machen. Nach 500 Metern habe ich attackiert, nach 700 Metern sah es ganz gut aus mit Platz zwei oder drei, aber auf den letzten 100 Metern habe ich dann doch hart kämpfen müssen“, lässt die 22 Jahre alte Ammann den Finallauf Revue passieren.
In Halbfinale und Endlauf unterbietet Amman jeweils ihre bisherige Saisonbestleistung
Der Kampf wurde belohnt mit ihrer persönlichen Saisonbestleistung von 2:04,38 Minuten – nachdem sie zuvor im Halbfinale mit 2:04,42 bereits eine erste Bestmarke aufgestellt hatte. „Sich in einem Wettkampf gleich zweimal zu verbessern, das ist eine richtig gute Sache“, sagt die Psychologiestudenten, die gerade im sechsten Semester an der Universität Hamburg ist und wegen der Leichtathletik ihren Bachelor-Abschluss über zwei weitere Semester streckt.
Wahrscheinlich wird sich die Läuferin schon bald danach ein neues Ziel setzen, denn Alina Ammann ist ehrgeizig – und lässt sich auch nicht von Rückschlägen entmutigen. Es mag ein abgedroschenes Wortspiel sein, aber für die Leichtathletin lief nicht immer alles rund. Zahlreiche Verletzungen ließen sie in den vergangenen drei Jahren regelmäßig pausieren und verhinderten einen echten Rhythmus. Im Anschluss an ihre überstandene Erkrankung mit Pfeifferschem Drüsenfieber wollte sie nach der gewonnenen Bronze-Medaille bei der Deutschen Hallenmeisterschaft 2019 eigentlich auch anschließend in der Sommersaison gute Leistungen zeigen – aber die Schienbeine (Knochenödem) machten Probleme. Die Saison war gelaufen.
Probleme mit den Schienbeinen bremsen Amman über den Jahreswechsel aus
Es dauerte bis zum diesjährigen Februar, ehe wieder an ein vernünftiges, leistungsorientiertes Training zu denken war. Und dann kam Corona. „Es soll jetzt nicht makaber klingen, aber für mein sportliches Vorankommen war diese Phase gut, um ganz in Ruhe, ohne Druck und mit viel Zeit in meinen Körper hineinzuhorchen und die Dysbalancen ausgleichen zu können“, sagt Ammann.
Es gab zusätzlich zum normalen Training, das meist gelenkschonend auf Waldboden in Tornesch absolviert wurde, viele Stabilitätsübungen und Yoga-Einheiten, um die Dehnbarkeit der Muskeln zu erhöhen. Die Langhantel im elterlichen Garten in Tornesch kam ebenfalls regelmäßig zum Einsatz. Als die Laufbahn in Tornesch wieder freigegeben wurde, konnte Alina Ammann auch wieder auf der Tartanbahn starten. „Dort habe ich dann unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen alleine trainieren können“, sagt sie.
Seit 2018 arbeitet sie wieder mit ihrem Vater Michael zusammen, der sie von Beginn an betreut hatte. „Er kennt mich einfach am besten, er macht das für mich beste Training. Das war schon eine wichtige Entscheidung, weil ich dadurch viel flexibler arbeiten kann“, sagt Ammann, die ihre persönliche Bestleistung – 2:03,57 Minuten – auf ihrer Lieblingsstrecke 2016 aufstellen konnte.
Trainingspartner auf ihrem Niveau sind im Norden selten
Mit „vier, fünf Monaten“ Training ist solch ein Resultat bei einer DM hoch einzuschätzen. Dass Ammann allein trainiert, hat auch pragmatische Gründe „Auf meinem Niveau gibt es in Norddeutschland tatsächlich niemanden, mit dem ich zusammen trainieren könnte. Das soll jetzt bitte nicht überheblich rüberkommen. Im Finallauf waren aber zum Beispiel nur Läuferinnen aus dem Süden oder Westen dabei.“
Ans Aufgeben – trotz der schwierigen Zeiten – hat Alina Ammann, die gut 35 Stunden wöchentlich in die Leichtathletik-Karriere investiert, nie gedacht. „Also Alternativtraining wie Aqua Jogging macht wenig Spaß, aber es geht darum, durchzuhalten, um dann wieder stabil auf der Bahn stehen zu können.“ Es war das Ziel, durch das Training „wieder nach oben zu kommen“. Das habe sie unheimlich motiviert und mit Platz fünf bei den Deutschen Meisterschaften hat Ammann bewiesen, dass sie mit der richtigen Belastungssteuerung zur nationalen Spitze zurückgekehrt ist.
Für den 22. und 23. August plant die Wahlhamburgerin den Start bei den Landesmeisterschaften in der Hansestadt. Vielleicht tritt sie Mitte September auch beim ISTAF in Berlin an – allerdings müsste Ammann dort über 1500 Meter laufen. Die 800 Meter werden nicht angeboten. Falls sie startet, wird es sicherlich wieder ein zufriedenstellendes Ergebnis geben – denn Medaillen sind ja nicht alles...