Elmshorn. Josh Hartigan aus den USA arbeitet als Trainer bei den Fighting Pirates und will den Vertrag erfüllen – trotz Corona und Unruhen in der Heimat.
Die Vereinigten Staaten von Amerika haben seit Mitte März ein Einreiseverbot für Personen auferlegt, die sich länger als 14 Tage in Ländern der Europäischen Union aufgehalten haben. Zu jener Zeit breitete sich Corona dort nämlich recht rasant aus und US-Präsident Donald Trump dachte siegesgewiss, das Virus würde schon an einer geografischen Grenze halt machen. Ausgenommen von dieser Maßnahme sind jedoch ausdrücklich US-Staatsbürger.
Josh Hartigan möchte allerdings vorerst gar nicht zurück in seine Heimat Fort Lauderdale im US-Bundesstaat Florida. „Ich bin Anfang März nach Elmshorn gekommen. Wir hatten noch zwei oder drei Trainingseinheiten, dann sind diese verrückten Zeiten angebrochen und wir durften erst einmal nur noch zu Hause rumsitzen“, sagt der 30 Jahre alte Football-Trainer. Jetzt sei er erst einmal hier in der Krückaustadt, was in der näheren Zukunft noch passiert, daran denke er momentan noch nicht.
„Europa war nach China als zweites von Corona betroffen. Also wusste ich, dass es vermutlich hier auch schneller wieder besser werden würde als in den USA. Ich habe nie daran gedacht, nach Hause zu fliegen, selbst wenn es möglich gewesen wäre“, meint der Pirat. Auch Hartigans Familie in den USA ist bisher von der Lungenkrankheit Covid 19 verschont geblieben. Ihm geht es hier sehr gut, er fühlt sich in Elmshorn gut aufgehoben. Zudem habe Hartigan selbst nach Verletzungen während seiner aktiven Football-Karriere bereits vom Gesundheitssystem in Deutschland profitiert und wisse daher, dass die Versorgung im Krankheitsfall gut sei. Ursprünglich war Hartigan verpflichtet worden, um die Defense-Line des Erstliga-Aufsteigers Elmshorn Fighting Pirates gemeinsam mit Patrick Zimmer zu coachen. In der US-Sportart American Football kollidieren Akteure aus jener ersten Verteidigungsreihe gleich zu Beginn eines Spielzugs mit der gegnerischen Offensive.
GFL 1-Start mit Piraten im September mehr als fraglich
Ob Hartigan, der eigentlich Anfang Mai mit den Piraten beim Saisonstart in See stechen wollte, bei einem Pflichtspiel in der GFL 1 an der Seitenlinie stehen wird, ist jedoch ziemlich ungewiss. Der Verband möchte im September mit einer Spielzeit beginnen. Die Teams dürfen frei entscheiden, ob sie dabei sind. Es gibt keine Absteiger. Vielleicht auch keine Zuschauer. Die Fighting Pirates sind jedoch neben Sponsoring-Einnahmen vor allem auf die Erlöse aus Ticketverkäufen und den Gewinnen aus beispielsweise dem Spieltags-Catering angewiesen. Eine Saison nur mit Geisterspielen scheint für die Pirates, die in der kommenden Wochen im Rahmen des Erlaubten wieder in das Mannschaftstraining einsteigen möchten, finanziell nicht möglich zu sein, zumal es ohnehin auf eine Spielzeit ohne wirklichen sportlichen Wert hinausläuft
„Wir prüfen nach wie vor, ob eine Teilnahme in diesem Jahr für uns darstellbar ist“, sagt Cheftrainer Jörn Maier. Der AFVD (American Football Verband Deutschland) hat das finale Entscheidungsdatum gerade vom 15. Juni auf den 1. Juli verschoben. Bis dahin müssen sich alle acht Teams der Nordstaffel erklären. Dann sollen auch alle juristischen Feinheiten ausgearbeitet sein, weil üblicherweise bei einem Nichtantritt ein Zwangsabstieg vorgesehen ist.
Josh Hartigan lässt sich indes dem Klischee eines US-Bürgers aus Florida entsprechend, nicht aus der Ruhe bringen und bleibt entspannt. Sein Arbeitsvertrag in Elmshorn läuft noch bis Mitte Oktober, er ist offiziell zudem zuständig für die D-Line der A-Jugend. Da er aber auch nur einen Football-Wurf entfernt vom Trainingsplatz am Koppeldamm wohnt, hilft Hartigan regelmäßig bei allen Jugend-Teams der Krückaustadt mit. Für die Kids sei es ohnehin ein großer Gewinn, wenn Importspieler bei deutschen Mannschaften unterstützen. „Gerade in dem Alter ist es wichtig, zu trainieren, um sich kontinuierlich weiterentwickeln zu können. Wir brauchen mehr Kinder in Deutschland, die Football spielen möchten. Nur so kann auch die Sportart hier wachsen“, sagt der Coach.
In Schleswig-Holstein dürfen mittlerweile immerhin zehn Sportler in einer Gruppe ohne Mindestabstand ihrer Sportart nachgehen. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, allerdings „stehen beim Football elf Spieler einer Mannschaft gleichzeitig auf dem Feld.“ Ob und wann eine der Elmshorner Jugend- oder der beiden Herrenmannschaften eine reguläre Saison bestreiten kann, kann niemand genau vorsagen. Hartigan: „Eine Prognose ist wirklich schwer. Weil ja letztendlich derjenige, der grünes Licht gibt, auch letztendlich die Verantwortung tragen wird, wenn dann doch etwas schief geht.“
Auch mit Football light fühlt sich Hartigan, der nach eigenen Angaben ohnehin nicht viel braucht, um glücklich zu sein, in Deutschland gut aufgehoben – abgesehen vom Wetter. Wer im Sunshine-State Florida aufgewachsen ist, friert anderswo leicht. „Aber im Vergleich zu meinem letzten Aufenthalt hier ist es deutlich wärmer. Damit komme ich einfach besser klar. 2017 war der Sommer vielleicht zehn oder zwölf Tage lang.“
Mütterlicherseits hat er einen Schwung irisches Blut mitbekommen, vielleicht ist das mit ein Grund, weshalb er sich in Europa schon immer zu Hause gefühlt hat. Er trat als Spieler in der Offensive und Defensive für Football-Teams in Polen, Serbien und Schweden an und war von 2012 an für die Hamburg Blue Devils, Kiel Baltic Hurricanes und Hamburg Huskies aktiv.
Den Job bei den Pirates vermittelte ihm Patrick Esume. Deutschlands bekanntester Football-TV-Experte war einst schon sein Coach in Kiel und soll in diesem Jahr die Defense der Pirates koordinieren. Der dunkelhäutige Esume sah sich zuletzt online Anfeindungen ausgesetzt, weil er im Zuge eines Interviews über Alltagsrassismus behauptet hatte, im Schulunterricht seiner einjährigen Tochter sei bei einer Alphabet-Übung neben dem Buchstaben N ein dunkelhäutiges Kind abgebildet gewesen. Daraufhin habe ihn seine Tochter gefragt, was damit gemeint sei.
Die Internetgemeinde, die ihm eine Lüge vorwarf, konnte sich nicht vorstellen, dass es solche Aufgaben 2020 noch geben könnte. Esume suchte das Gespräch mit der Lehrerin, legte seinem Gesprächspartner – ZDF-Moderator Jochen Breyer – das Beweisstück vor. Er verzichtete allerdings aus nachvollziehbaren Gründen darauf, weiter öffentlich Öl ins Feuer gießen zu wollen.
US-Präsident Donald Trump spaltet die Gesellschaft
Nach dem Mord an George Floyd und einem weiteren bekannt gewordenen Fall des durch einen Polizisten getöteten Farbigen Rayshard Brooks sind die Vereinigten Staaten von Amerika in Aufruhr und der Wunsch nach tiefgreifenden Veränderungen in den Gesellschaftsstrukturen scheint flächendeckend endgültig vorhanden zu sein. „Es ist nie gut, einen politischen Anführer zu haben, der so spaltet, wie Donald Trump es macht. In einer Welt, in der es so viele Unterschiede gibt, ist es einfach nicht möglich, dass jeder gleich glücklich ist. Irgendjemand wird sich immer benachteiligt fühlen. Also müssen zumindest Kompromisse eingegangen werden, ohne dass dabei bestimmte Rechte aufgegeben werden oder einige mehr Rechte haben als andere“, meint der studierte Sozio- und Ethnologe. Bisher habe das Finden eines gemeinsamen Nenners, mit dem alle friedlich und gut miteinander leben könnten, nicht geklappt.
In seiner Heimat habe er direkten und indirekten Rassismus mehrfach erlebt. „In Deutschland gab es bisher nichts, bei dem ich sagen würde, das war ganz klar rassistisch“, erzählt Hartigan. Vielleicht auch, weil er nach eigener Aussage die Sprache nicht gut spricht. Es sei zwar schon vorgekommen, dass Menschen sich weggesetzt hätten, als er mit einer Clique von farbigen Mitspielern in die Bahn kam. Aber Hartigan ist nicht der Typ Mensch, der sich über so etwas übermäßig aufregt. „Es ist einfach ein Teil der Erziehung. Wenn man zu einem ignoranten Menschen erzogen wird, ist es schwer, das irgendwann wieder abzulegen.“
Josh Hartigan selbst ist zu einem guten Menschen erzogen worden. „Er ist ein sehr höflicher und sympathischer Typ, der schnell einen guten Draht zu den Spielern aufbauen kann. Das ist für einen Coach neben dem guten Fachwissen, auf das er ebenfalls bauen kann, auch sehr wichtig. Josh weiß genau, was er möchte und wie er das in seiner organisierten und strukturierten Weise erreichen kann.“ Hartigan könnte eigentlich grundsätzlich zurück in die USA – aber er möchte es nicht.