Wedel. Profis spielen mit Schülern des Johann-Rist-Gymnasiums Basketball – im Rollstuhl. Viele trainieren beim SC Rist Wedel.

Linus de Heer spielt Basketball im Jugendbundesliga-Team des SC Rist. Der 15 Jahre alte Schüler des Johann-Rist-Gymnasiums ist seit vier Jahren im Umgang mit der orange-braunen Kugel vertraut. Als er jedoch bei seiner Premiere im Rollstuhl auf den Korb zielt, scheitert er bei den ersten Versuchen noch relativ kläglich.

Aurubis Inklusionstag: Schüler spielen Basketball im Rollstuhl

Damit ist der Zehntklässler, Einführungsjahrgang Chemie Profil, – trotz Erfahrung – bei weitem nicht allein. Jonathan Schröder (16) und Julian Blatt (16) spielen etwa zehn Jahre Basketball. Im Sitzen mit dem Fokus auf das rollende Gefährt, Ball und Umgebung scheint aber alles anders zu sein.

Den 19 Schülern und drei weiteren Klassen des Gymnasiums – eine 6. sowie eine 7. und 9. Klasse – wurde beim Aurubis Inklusionstag die Möglichkeit gegeben, in einer eineinhalbstündigen Einheit den Umgang mit einem (Sport-)Rollstuhl zu erlernen und Basketball zu spielen. Tipps gab es von den Erstliga-Akteuren Alireza Ahmad (43) und Reo Fujimoto (36), die für die BG Baskets Hamburg – Teil des Hamburger SV – spielen.

Gleiche Spieltaktik bei anderer Bewegung

„Von der Taktik her ist es quasi gleich“, sagt de Heer. Vor allem über schnelle Gegenangriffe könne man am ehesten zu Punkten kommen. „Wenn man sich erst einmal dran gewöhnt hat, kann man auch mit dem Rollstuhl ziemlich flexibel agieren“, meint Blatt, der wie Schröder aus Altersgründen aus dem JBBL-Team ausgeschieden ist. „Es ist schwieriger zu werfen, weil der Bewegungsablauf anders ist. Die Stabilität und Kraft aus den Beinen fehlen“, schildert Schröder seine Eindrücke. Beide spielen nun im Wedeler U18-Bereich – Blatt ist auch für den SC Rist III (Oberliga) aktiv.

Gelernt haben sie auch, dass es trotz eines körperlichen Handicaps stets möglich ist, Sport zu treiben. Wie de Heer, Blatt und Schröder ist auch Ahmad ein Aufbauspieler, der das Angriffsspiel lenkt. Der Iraner aus Zanjan leidet an den Folgen von Kinderlähmung, war unter anderem in seinem Sport in Italien und Spanien Profi. Seit drei Jahren ist er für den Hamburger SV aktiv, aktuell auch als Spielertrainer. Teamkollege Fujimoto ist Japaner, ihm wurde nach einem Autounfall der rechte Unterschenkel amputiert.

In der Rollstuhlbundesliga gibt es Inklusion andersherum

Im Bundesliga-Betrieb treten Männer und Frauen gemeinsam in einem Team an – auch Gesunde machen mit. Alle Spieler, die gleichzeitig in einem Team Rollstuhlbasketball spielen, dürfen einen addierten Punktewert von 14,5 nicht überschreiten. Darum geht es vor allem um die Beweglichkeit und Stabilität im Rumpfbereich – ein unversehrter Mensch („Fußgänger“) bringt den Wert 4,5 mit. Während Ahmad Kategorie 3 ist, gilt der japanische Nationalspieler und Mannschaftskollege, in seiner fünften Saison in Hamburg, auch als 4,5-er.

Die 19 Schüler jedenfalls sind mit viel Freude und Feuereifer bei der Sache. „Hamburg sehe ich in Sachen Inklusion auf einem guten Weg, auch wenn natürlich noch mehr passieren kann“, sagt Inken Pfeiffer, die derartige Inklusionsprojekte für den HSV koordiniert und Schulen oder auch Betriebe mit jeweils zwei Rollstuhlbasketball-Profis besucht. Für die Schulen sind solche Aktionen, die bei Schülern das Bewusstsein für den Umgang mit Behinderungen und Sport schärfen sollen, kostenlos. Momentan gibt es neun Inklusionstage jährlich, nach Möglichkeit soll das Angebot aber ausgeweitet werden.

Inklusionsprojekt erntet Lob von Schüler- und Lehrerseite

„Am Johann-Rist-Gymnasium ist es das erste Inklusionsprojekt mit dem Schwerpunkt Basketball. Ich freue mich, dass die Schüler diese gewinnbringende Erfahrung machen können“, sagt Sportlehrerin Britt Bollinger. Auch die 49 Jahre alte stellvertretende Schulleiterin war rund zehn Jahre selbst Spielerin beim
SC Rist – auch ihre Söhne Luis und Lasse sind Wedeler Basketballer.

Ein wenig merke man die Anstrengung – vor allem in den Armen – schon, aber „eigentlich geht es noch“, sind sich die drei Zehntklässler am Ende einig. Eventuell spielen da aber auch der Coolness-Faktor und die allgemein gute sportliche Verfassung der Heranwachsenden eine kleine Rolle. Die drei „Rister“ saßen erstmalig in einem Rollstuhl. „Es hat echt Spaß gemacht“, sagt Blatt.

Die Einladung, das Heimspiel des Tabellesiebten gegen den Ersten an diesem Sonntag zu besuchen, müssen die drei jedoch voraussichtlich ausschlagen, weil sie selbst im Trikot des SC Rist auflaufen. Andere aber werden sich anschauen, wie sich die Baskets Hamburg in der Wilhelmsburger Inselhalle gegen die RSB Thuringia Bulls schlagen (15 Uhr).