Ellerau. Der Kickboxer aus Quickborn steht seit Jahren im Perspektivkader für die Freestyle Formen. Nun kämpft er in Ungarn für Deutschland

Wann es richtig ernst für ihn wird mit dem bisherigen Höhepunkt seiner noch jungen Kampfsport-Karriere, das weiß Finn Vagt gar nicht so genau. „Ich bin wohl am Donnerstag oder Freitag dran, das erfahre ich erst in Györ“, sagt der 14 Jahre alte Kickboxer aus Quickborn. „Aber ich reise ja schon mit meinen Eltern am Sonnabend nach Ungarn und bereite mich dann dort vor Ort mit dem Team vor – ich bin bereit und lasse das auf mich zukommen.“

Finn Vagt wirkt ganz locker und entspannt, während er über die anstehende Woche spricht. Eher etwas unangenehm scheint ihm die (noch) ungewohnte Aufmerksamkeit der Presse zu sein, die er auf sich zieht. Aber dies ist ja nun mal seine erste Europameisterschaft, auf der er Deutschland vertreten darf.

Dass er einmal im National­kader starten würde, das hatte Finn noch nicht geahnt, als er vor sieben Jahren verschiedene Kampfsportarten ausprobierte. „Ich bin vorher auch kurz beim Judo und Jiu-Jitsu gewesen. Was ich wusste, war, dass ich einen Kampfsport betreiben wollte“, sagt Finn, während er im Dojo der Mudo Kwan Kampfsportschule in Ellerau steht. Diese ist dem international anerkannten Verband WAKO (World Association of Kickboxing Organizations) angeschlossen.

Man sieht Finn an, dass er sich hier wohl fühlt. „Dass es dann Kickboxen wurde und ich auch dabei geblieben bin, liegt auch am Training hier“, sagt Finn. „Das ist wirklich vielseitig. Und in den ersten Jahren war da auch ein wenig Ehrgeiz, dass ich mich schnell bei den Gürtelfarben hocharbeiten wollte.“

Um seine Ziele zu erreichen, bedarf es einigen Trainingsfleißes. Mit Sportschulleiter Frank Kumm feilt Finn beständig an seinen Bewegungsabläufen, an der Haltung, Atmung oder auch richtigen Entscheidungen im Fight. Für Turnierteilnahmen spezialisiert sich Finn bald auf die Formen (Technik­präsen­tation ohne Gegner). Das Freestyle mit Choreografien zu dynamischer Musik hat es ihm dabei besonders angetan.

Neben Kickboxen spielt Finn auch Tennis auf hohem Niveau

„Hier im Training übe ich aber alle Aspekte des Kickboxens, auch den Kampf“, sagt Blaugurt-Träger Finn, der neben dem Kampfsport auch Tennis spielt. Beim TC Rot-Weiss Wahlstedt, wo auch schon seine Schwester Merle seit Jahren eine Leistungsträgerin ist, zeigt die Sportskanone beständig gute Leistungen – weit über Hobby-Niveau. Doch erste Wahl bleibt das Kickboxen.

Da haben Erfolge in Form von Podestplätzen bei Turnieren und Meisterschaften nicht lange auf sich warten lassen. Mit neun Jahren folgte die Aufnahme in den Perspektivkader. Doch der nächste Schritt sollte weitere vier Jahre auf sich warten lassen. Erst 2018 erfolgte die Berufung durch Bundestrainer Marco Pultke in den A-Kader; diese brachte nun im Frühjahr 2019 die Teilnahme an seinen ersten zwei internationalen Ranglisten-Turnieren in Dublin und Amsterdam mit sich. „Das war die formale Voraussetzung dafür, dass Finn auch für die EM in Ungarn nominiert werden durfte“, erklärt Frank Kumm.

Start bei höheren Turnieren darf nicht zu früh erfolgen

Die lange Wartezeit bis zum ersten internationalen Auftritt von Format hat einen weiteren Grund. Einen bedeutenden, wie Frank Kumm weiß. „Es ist wichtig für unsere Kämpfer, sie erst auf höherklassige Turniere zu schicken, wenn wir sicher sein können, dass sie dort kein Kanonenfutter sind“, sagt der Großmeister.
„Auch wenn ein Junge wie Finn nur in einer Technikdisziplin und nicht im Fight antritt, es würde dennoch zu sehr demoralisieren, wenn er durch gewaltige Punkt­abstände deklassiert würde.“

Alle Techniken wie die von ihm bevorzugte Beinarbeit übt Finn Vagt unermüdlich im Dojo der Mudo Kwan Sportschule.
Alle Techniken wie die von ihm bevorzugte Beinarbeit übt Finn Vagt unermüdlich im Dojo der Mudo Kwan Sportschule. © Ulrich Stückler

Also trainiert Finn bis zu dreimal pro Woche bei Frank Kumm und zudem beim VfL Pinneberg zweimal wöchentlich Parcours und auch Tricking – eine Sportart, die Elemente mehrerer Kampfstile sowie Breakdance und Akrobatik in sich vereint. Ist da noch Konditionstraining notwendig? Finn: „Ich lauf zwar auch gelegentlich, aber wenn ich mein Kürprogramm einmal durchziehe, dann bin ich hinterher ziemlich am Pusten. Das sind 90 Sekunden Volldampf.“

Mit diesem Einsatzwillen über Jahre hinweg demonstriert Finn Vagt auch eine Eigenschaft, die Frank Kumm als essenziell für Erfolg ansieht. „Ich hatte hier über die Jahre schon viele Talente, bei denen ich dachte, dass aus denen einmal was wird“, erinnert sich der Leiter der Kampfsportschule. „Erfolg hatten dann aber nur die, die Durchhaltevermögen und Disziplin bewiesen haben. Wie jetzt zum Beispiel Finn. Er hatte über Jahre auf Meisterschaften immer dieselben Kämpfer vor sich. Aber er hat nie aufgegeben – und jetzt ist er vorne...“